Predigt ü/ Epheser 5, 8b-14, 20.u. 21.7.24
Mbach, Hhsn, und Odie , 8.Sonntag n-‚Tri.
Zeig uns dein königliches Walten, bring Angst und Sorgen selbst zur Ruh, du wirst am Ende recht behalten, Herr, mach uns still und rede du. Amen.
Liebe Gemeinde,
im Dunklen lässt sich‘s gut munkeln. Ich denke, diese Aussage kennen sie. Soll heißen , was nicht jeder sieht oder sehen soll, was nicht jeder hört und auch nicht hören soll, was auch vielleicht nicht ganz wahrheits- und ordnungsgemäß ist, lässt sich im Verborgenen besser planen und vorbereiten, als im Licht. Hier im Halbdunkel und Verborgenen entstehen oft auch Gerüchte, an denen nicht allzu viel dran ist.
Aber so geht es oft zu, in unserem Leben. Man macht mal gerne aus einer Mücke einen Elefanten, dann hört sich die ganze Geschichte viel bedeutender an.
Nur, wenn es der Wahrheit nicht entspricht, wem ist mit solch einem dummen Geschwätz geholfen? Niemand.
Das bisher von mir gesagte steht im totalen Widerspruch zum heutigen Predigttext. Das ist so von mir gewollt. Aber als Christen sollen wir so nicht leben. Der Apostel Paulus schreibt an die Gemeinde in Ephesus im 5. Kapitel in den Versen 8b-14 folgendes:
Lebt als Menschen, die im Licht stehen! Aus dem Licht erwächst als Frucht jede Art von Güte, Rechtschaffenheit und Treue. Fragt immer, was dem Herrn gefällt!
Beteiligt euch nicht an dem finsteren Treiben, das nur verdorbene Frucht hervorbringt. Im Gegenteil, deckt es auf! Man muss sich schämen, auch nur zu nennen, was manche heimlich tun.
Wenn es aber vom Licht der Wahrheit aufgedeckt wird, kommt es ans Licht. Was aber ans Licht kommt, wird selbst Licht. Darum singen wir: „Wach auf du Schläfer! Steh auf vom Tod! Und Christus, deine Sonne, geht für dich auf!
Liebe Gemeinde,
Die kleine christliche Gemeinde in Ephesus hatte es nicht einfach. Ephesus war zur Zeit des Paulus eine große Hafenstadt mit zahlreichen heidnischen Kultstätten.
Auch ein ausgedehntes Nachtleben gab es schon damals in den großen Küstenstädten. Der Apostel Paulus war ca.3 Jahre in dieser wichtigen Handels-und Wirtschaftsmetropole.
Er wusste um die strategische Bedeutung dieser Stadt. Sie war das Tor zum damaligen Kleinasien, das heute Teil der Türkei ist.
Bei der Vorbereitung dieser Predigt kam mir der Gedanke, heute ist es in unseren Großstädten auch nicht viel anders als vor rund 2000 Jahren. Gut, alles ist moderner und schneller. Und die Kriminalität ist wahrscheinlich - auch durch die modernen Medien bedingt-höher als früher. Da war die kleine christliche Gemeinde in Ephesus nicht sehr bedeutend.
Auch hier bei uns auf dem Land sind die christlichen Gemeinden in den letzten Jahrzehnten leider sehr viel kleiner und unbedeutender geworden. Trotzdem dürfen wir aber wissen, dass das Evangelium, die frohe Botschaft von Jesus Christus heute noch die gleiche Kraft hat, wie damals. Viele Menschen t rauen der frohen Botschaft nicht mehr viel Positives zu. Leider.
Wir modernen Menschen meinen oft, dass Gottes Wort heute nicht mehr so wichtig ist wie früher. Darum lassen wir uns oft erst gar nicht wirklich darauf ein.
Dabei soll unser Leben, unser ganzes Tun und Lassen im Licht der Wahrheit und Gerechtigkeit bestehen können. Das ist nicht einfach. Leider sind wir Menschen manchmal auf dem Holzweg, auch wenn wir es nicht wahr haben wollen.
Wenn wir aber unser Leben glaubwürdig an Gottes Wort messen, müssen wir feststellen, wir können uns noch verbessern. Da geht noch was.
Im Johannes-Evangelium wird uns gesagt: Jesus kam in diese Welt als das wahre Licht. Es heißt, er, Jesus, kam in sein Eigentum und die Seinen nahmen ihn nicht auf.
Aber auch: Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden.
Wir Christen machen einen Unterschied zur Welt, das zeigt sich an den Früchten. Ja, das zeigt sich an dem, was durch unser Dazugehören zu Jesus Christus neu geworden ist.
Liebe Gemeinde,
der heutige Predigttext sagt uns klipp und klar: Ihr sollt Kinder des Lichts sein. Ja, im heutigen Evangelium haben wir unter anderem gehört: Ihr seid das Licht der Welt.
Manchmal denke ich aber, wir sind doch eher nur noch glimmende Dochte. Oder einfach kleine, verstaubte Funzeln. Ja, oft stehen wir sozusagen auf verlorenem Posten, meinen wir.
Dabei vergessen wir leider, dass Jesus uns zutraut, Licht der Welt zu sein. Die im Evangelium gemachte Aussage ist an keine bestimmte Voraussetzung gebunden. So nach dem Motto: Wenn du das oder das tust, dann bist du Licht Welt.
Und trotzdem, Licht der Welt können wir nur sein, wenn wir Jesus Christus von Herzen nachfolgen.
Ja, wenn wir bewusst Christen sein möchten, dann werden wir mit Gottes Hilfe auch Frucht bringen. In unserem Text heißt es: Die Früchte des Lichts sind Gütigkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit.
Liebe Gemeinde,
wenn wir mit einem gütigen Menschen zusammen sind, tut das uns gut. Güte kommt Gnade schon sehr nahe. Es bedeutet, ich bin bei meinem Gegenüber mehr wertgeschätzt, als ich es vielleicht verdient habe.
Güte gibt das Gefühl der Wärme, Geborgenheit und Behaglichkeit und des dazu gehören, etwas wunderbares, wer das erleben darf.
Wer als gütiger Mensch lebt, sollte auch gerecht sein. Das Wort gerecht kommt mehrere hundertmal in der Bibel vor. Wohl auch deshalb, weil wir Menschen oft ungerecht handeln, wenn auch nicht immer bewusst oder beabsichtigt.
Wir alle sehen, wie es ist, wenn die Ungerechtigkeit überhandnimmt. Nicht nur im Kleinen, nein, auch im großen Weltgeschehen. So viele Krisen und Kriege wie derzeit die Menschheit in Atem hält, gab es, Gott sei Dank, nicht immer.
Die Machthaber, die unsere Welt in Atem halten, leben wahrhaftig nicht als Kinder des Lichts. Sie fragen nicht nach dem Wohl der ihnen anvertrauten Menschen und schon gar nicht nach Gottes Geboten. Gerechtigkeit ist für viele Menschen und Machthaber ein Fremdwort.
Auch die Wahrheit soll gelebt werden. Oft ist es leider so, wer ungerecht handelt, ist auch nicht wahrhaftig. Wer die Wahrheit nicht bezeugt, ist ungerecht. Auch diese Menschen leben nicht im Licht des Herrn, wie unser Text sagt.
Wir alle müssen aufpassen, dass wir die negativen Tatsachen nicht nur immer den anderen Menschen und auch vorwiegend den Machthabern dieser Erde anlasten. Wenn wir uns persönlich einmal an den Aussagen des Predigttextes messen, stellen auch wir vielleicht entsetzt fest, wir leben auch nicht immer nach Gottes Wort.
Man ist oft schnell auf Abwegen. Es fängt langsam an, das man dies und jenes nicht mehr so wichtig nimmt. So nach dem Motto, heute ist das mit dem Glauben nicht mehr so aktuell und wichtig wie noch vor 60 oder 70 Jahren.
Wir machen uns lieber, wie seinerzeit des Volk Israel ein Goldenes Kalb. Dann haben wir etwas in Händen. Gottes Verheißungen und Zusagen an uns werden mehr und mehr in den Wind geschlagen. Aber Gottes Wort sagt uns: Irret euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten. Was der Mensch sät, das wird er ernten.
Wir werden heute gewarnt, wir sollen keine Gemeinschaft mit den Werken der Finsternis haben. Viele sagen, einmal ist keinmal. Auf der anderen Seite kann man mit einem kleinen Streichholz eine große Scheune anstecken. Darum: Wehret den Anfängen!
Vielleicht sind wir auch müde und schläfrig geworden in unserer satten und weithin gottvergessenen Welt.
Unser Text mahnt uns, Jesus Christus, dem Licht der Welt nachzufolgen. Dafür braucht man nicht zu studieren. Nur die Liebe, von der wir leben, die sollen wir liebend an andere Menschen weitergeben.
Und da, liebe Gemeinde, gibt es viele Möglichkeiten. Wir können einander ermutigen und uns gegenseitig helfen. Menschen, die in Trauer sind, liebevoll unterstützen und begleiten.
Wir können in der persönlichen Fürbitte alles, aber auch wirklich alles vor Gott bringen. Ja, wenn wir wirklich ernsthaft, und nicht krampfhaft versuchen, gütig, gerecht und wahrhaftig zu leben, wird das unsere Umwelt merken.
Dann, liebe Gemeinde leben wir als Kinder des Lichts und sind Licht der Welt. Aber nicht, weil unser Licht so hell leuchtet, sondern. Wie wir es gleich im Lied singen werden:
Und allein von deinem Brennen, nehme unser Licht den schein, also wird die Welt erkennen, dass wir deine Jünger sein. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserm Herrn. Amen.
Predigt zum 14.07.2024
Und es murrte die ganze Gemeinde der Israeliten wider Mose und Aaron in der Wüste. Und die Israeliten sprachen: Wollte Gott, wir wären in Ägypten gestorben durch des HERRN Hand, als wir bei den Fleischtöpfen saßen, und hatten Brot die Fülle zu essen. Denn ihr habt uns dazu herausgeführt in diese Wüste, dass ihr diese ganze Gemeinde an Hunger sterben lasst.
Und der HERR sprach zu Mose: Ich habe das Murren der Israeliten gehört. Sage ihnen: Gegen Abend sollt ihr Fleisch zu essen haben und am Morgen von Brot satt werden und sollt innewerden, dass ich, der HERR, euer Gott bin. Und am Abend kamen Wachteln herauf und bedeckten das Lager. Und am Morgen lag Tau rings um das Lager. Und als der Tau weg war, siehe, da lag’s in der Wüste rund und klein wie Reif auf der Erde. Und als es die Israeliten sahen, sprachen sie untereinander:
Man hu? Denn sie wussten nicht, was es war. Mose aber sprach zu ihnen: Es ist das Brot, das euch der HERR zu essen gegeben hat. Das ist’s aber, was der HERR geboten hat: Ein jeder sammle, so viel er zum Essen braucht, einen Krug voll für jeden nach der Zahl der Leute in seinem Zelte. Und die Israeliten taten’s und sammelten, einer viel, der andere wenig. Aber als man’s nachmaß, hatte der nicht darüber, der viel gesammelt hatte, und der nicht darunter, der wenig gesammelt hatte. Jeder hatte gesammelt, so viel er zum Essen brauchte.
Gnade sei mit euch und Frieden von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus! Amen.
Liebe Gemeinde,
früher war alles besser! – dieses Klagelied hört man immer wieder. Auch bei uns. Die Luft war sauberer, die Natur intakter.
Ältere Menschen wurden noch mit Würde und Respekt behandelt, weil die Leute wussten, was sich gehört. Jeder kannte jeden und grüßte freundlich. Zumindest glauben wir das.
Früher war alles besser! – auch in der Kirche hört man diesen Satz oft. Die Kirchenbänke waren voll, ebenso die Kirchenkassen. Im Vierthälergebiet konnte man sicher sein, dass die Pfarrstelle gut besetzt war.
Liebe Gemeinde,
wir Menschen haben oft die Tendenz, die Gegenwart schlecht zu machen und die Vergangenheit zu idealisieren. Doch wenn wir genauer hinsehen, merken wir, dass auch die Vergangenheit ihre schlimmen Seiten hatte. Im zwanzigsten Jahrhundert begann ein schrecklicher Krieg, der als der schlimmste seiner Zeit galt. Kurz darauf folgte ein weiterer Krieg, der noch grausamer war als der erste.
Früher war alles besser! Dieser Satz zeigt eine besondere Form der Undankbarkeit und der Blindheit gegenüber der Schönheit der Gegenwart – trotz aller Herausforderungen.
Wir vergleichen das Negative unserer Zeit mit dem Schönen der Vergangenheit und vergleichen so Äpfel mit Birnen. Oft wissen wir gar nicht, welche Sorgen die Menschen damals hatten.
Früher war alles besser! Wenn das stimmt, dann liegen die besten Zeiten hinter uns, und die Gegenwart ist der Anfang des Untergangs. Doch ich bin sicher, dass auch jede Generation vor uns die Versuchung hatte, dieses Lied von der vermeintlich besseren Vergangenheit zu singen.
Früher war alles besser! Auch die Israeliten sangen dieses Lied vor über 3000 Jahren. Das ist das Thema des Predigttextes für diesen 7. Sonntag nach Trinitatis, den wir als erste Lesung gehört haben.
Liebe Gemeinde,
diese Erzählung ist voller Wunder und Herausforderungen, die das Volk Israel auf seinem Weg aus der Sklaverei in die Freiheit erlebt hat.
Diese Geschichte beginnt mit Klagen und Murren.
Die Israeliten, frisch aus der Knechtschaft Ägyptens befreit, sehen sich in der unwirtlichen Wüste neuen Herausforderungen gegenüber.
Ihre anfängliche Freude und Dankbarkeit weichen Hunger, Angst und Unsicherheit. Sie sehnen sich zurück nach den Fleischtöpfen Ägyptens, nach der vermeintlichen Sicherheit, die sie dort hatten, obwohl diese mit harter Sklaverei erkauft war.
Hier sehen wir einen tiefen menschlichen Zug: In Zeiten der Not idealisieren wir oft die Vergangenheit und vergessen schnell das Leid, das uns einst quälte.
Der Wunsch nach Sicherheit und das Unbekannte der Freiheit machen uns ängstlich und unzufrieden.
Gott aber hört das Murren seines Volkes. Er hört und handelt. Doch anstatt die Israeliten für ihren mangelnden Glauben zu bestrafen, reagiert er mit unendlicher Geduld und Barmherzigkeit. Er verspricht, sie zu ernähren, und erfüllt sein Versprechen. Abends kommen Wachteln, und morgens liegt Manna auf dem Boden – das Brot vom Himmel. Gott zeigt sich als der treue Versorger, der seine Kinder nicht im Stich lässt. Diese Versorgungsgeschichte hat mehrere wichtige Botschaften für uns:
Erstens, sie erinnert uns daran, dass Gott unsere Bedürfnisse kennt und sich um uns kümmert. Inmitten unserer Sorgen und Ängste dürfen wir darauf vertrauen, dass Gott für uns sorgt, auch wenn wir den Weg und die Mittel manchmal nicht sofort erkennen.
Zweitens lehrt uns die Geschichte etwas über das rechte Maß. Jeder sollte nur so viel sammeln, wie er zum Leben braucht – nicht mehr und nicht weniger.
Das Manna verdirbt, wenn es gehortet wird. Gott gibt uns, was wir brauchen, aber er lehrt uns auch, dass übermäßiger Besitz und Gier nicht Teil seines Plans für uns sind. Diese Lehre hat auch heute noch Relevanz.
In einer Welt, die oft von Konsum und Überfluss geprägt ist, ruft uns diese Geschichte zur Mäßigung und zum Teilen auf.
Drittens zeigt uns die Geschichte die Bedeutung von Gemeinschaft und Gleichheit. In der Wüste sammelten die Israeliten gemeinsam und stellten sicher, dass jeder genug hatte. Das Manna verteilte sich so, dass niemand zu viel und niemand zu wenig hatte. Dies ist ein starkes Bild für soziale Gerechtigkeit und Solidarität. In unserer Gesellschaft, in der die Schere zwischen Arm und Reich oft weit auseinanderklafft, erinnert uns diese Geschichte daran, dass Gottes Plan für uns Gleichheit und gegenseitige Fürsorge beinhaltet.
Liebe Gemeinde, oft vergessen wir, dass unsere gegenwärtigen Schwierigkeiten auch Chancen für Wachstum und neue Erfahrungen bieten. Die Israeliten mussten lernen, Gott in einer neuen und unvorhersehbaren Weise zu vertrauen.
Sie mussten lernen, dass wahre Freiheit nicht nur die Abwesenheit von Unterdrückung ist, sondern auch die Bereitschaft, inmitten von Unsicherheit auf Gottes Fürsorge zu vertrauen. Es ist leicht, sich nach den vermeintlichen Sicherheiten der Vergangenheit zu sehnen, doch wahre Freiheit und Vertrauen finden wir nur, wenn wir uns auf den Weg des Glaubens begeben und uns von Gott führen lassen.
Ein weiteres wichtiges Element in dieser Geschichte ist die Erinnerung daran, dass Gottes Versorgung täglich geschieht. Das Manna musste jeden Morgen neu gesammelt werden. Dies lehrt uns, dass unser Vertrauen und unsere Abhängigkeit von Gott ein täglicher Akt des Glaubens sind. Wir sind eingeladen, jeden Tag neu auf Gottes Gnade und Fürsorge zu vertrauen und dankbar zu sein für das, was er uns schenkt.
Die Geschichte des Manna in der Wüste ist auch eine Geschichte der Gemeinschaft. Die Israeliten lernten, miteinander zu teilen und aufeinander zu achten. In einer Zeit, in der Individualismus und persönliche Vorteile oft im Vordergrund stehen, ruft uns diese Geschichte zur Solidarität und zum gemeinsamen Handeln auf. Sie erinnert uns daran, dass wir als Gemeinschaft stark sind und dass Gottes Segen oft durch unser Miteinander erfahren wird.
Ich möchte uns alle ermutigen, aus dieser Geschichte Kraft und Weisheit zu schöpfen. In Zeiten der Unsicherheit und des Mangels dürfen wir auf Gottes Fürsorge vertrauen. Gleichzeitig sind wir aufgerufen, uns an das Maßhalten zu erinnern und die Bedürfnisse unserer Mitmenschen im Blick zu behalten. Gott schenkt uns nicht nur das, was wir brauchen, sondern er gibt uns auch die Verantwortung, füreinander da zu sein und gerecht zu handeln.
Mögen wir in diesem Vertrauen und dieser Verantwortung leben und die Fülle von Gottes Gaben in unserem Alltag sichtbar machen. Mögen wir lernen, die Gegenwart nicht als minderwertig im Vergleich zur Vergangenheit zu sehen, sondern als eine Zeit, in der Gott weiterhin wirkt und uns segnet.
Liebe Gemeinde,
ein weiterer Aspekt, den wir nicht übersehen sollten, ist die Rolle des Glaubens und der Dankbarkeit in unserem täglichen Leben. Die Israeliten mussten lernen, dass ihre Versorgung nicht durch ihre eigene Anstrengung, sondern durch Gottes Gnade geschah. Dieses tägliche Sammeln des Manna ist ein Sinnbild für unsere tägliche geistliche Nahrung, die wir im Gebet, im Lesen der Bibel und im Gottesdienst empfangen. Es erinnert uns daran, dass wir nicht aus eigener Kraft leben, sondern durch das Wort und die Gnade Gottes.
Diese Lektion ist besonders in unserer modernen, schnelllebigen Welt relevant. Oft neigen wir dazu, uns auf unsere eigenen Fähigkeiten und Errungenschaften zu verlassen und die Quelle unseres Lebens und unseres Segens zu vergessen. Die Geschichte vom Manna ruft uns auf, innezuhalten, zu reflektieren und uns bewusst zu machen, dass alles, was wir haben, letztlich ein Geschenk Gottes ist. Diese Erkenntnis sollte uns zu tiefer Dankbarkeit und Demut führen.
Ein letzter Gedanke: Die Wüste ist oft ein Bild für Zeiten der Prüfung und des Mangels in unserem Leben. Doch gerade in diesen Zeiten können wir Gottes Nähe und Fürsorge besonders intensiv erfahren. Es sind Zeiten, in denen unser Glaube gestärkt und unser Vertrauen in Gott vertieft wird. So wie das Manna täglich neu vom Himmel fiel, so erneuert sich Gottes Gnade jeden Morgen. Wir sind eingeladen, diese Gnade anzunehmen und mit einem dankbaren Herzen weiterzugeben. Liebe Gemeinde, mögen wir in unserem täglichen Leben die Zeichen von Gottes Fürsorge erkennen und mit dankbarem Herzen darauf reagieren. Mögen wir die Vergangenheit nicht idealisieren, sondern die Gegenwart als einen Ort und eine Zeit der Gnade und des Segens Gottes erkennen. Amen.
Und der Friede Gottes, der weiter reicht, als wir es fassen können, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen!
Predigt zum 23.06.2024
Gnade sei mit uns und Friede von Gott unserm Vater und unserm Herrn Jesus Christus! Amen
Liebe Festgemeinde und insbesondere: Liewe Steejer Isel!
Wie die Anna-Kerch geweiht wor is, do hot hie die reinscht babylonisch Sprach-Verwirrung geherrscht: Viele Bauleit kame domols aus Italien – Rom hat jo sowieso es letzschde Word! Un die Bauleitung war wahrscheinlich in Köln; denn das Sankt Andreas-Stift do hat hie die Pfarr-Reechde.
Die Leit im Dorf hadde schwer ze Schaffe, awwer se hadde aach Hilf: die Isel!!! Die Vierboiner ware hie werklich lang in de Gäng. Gedullich, stark, stur, treu, koi große Ansprich – vun allem ebbes kinnt bei de „Gattung Isel“ im Steckbrief stehn. Se hon schwer Arwet geleischt, besonnersch uff de domols schmale Wingerspädcher. Die Iselszeit is lang vorbei, awwer de Isel is us als „Spitzname“ erhall geblieb. Mer kann sahn: Das is us Markezeiche! Us Logo.
Heit soll awwer von Isel in de Biwel die Red sein, die als „Könichs-Macher“ gewirkt hon! Wer sich heitzudaach in de groß Politik en Name mache will, dä braucht beim Uffsteije uffs Hohe Ross Hilf: de sogenannte Steigbügelhalter, der braucht die Zeidunge als Moinungsmacher, Geld un vieles meh! Er braucht en Lobby. -.-.-.-
Beim Saul, dem Sohn vum Kisch (de hot 600 Johr vor dem Herr Jesus gelebt), do war das ganz annerschd: Dem Saul sei Vadder hat uff em Maad Eselinne kaaft, paar uff oinmol! Er muss zimlich viel Äcker gehat hon. Un wie das so ging uffem Maad: De Kisch hot mo widder die halb Gesippschaft getroff, se sein ins nächschde Wertshaus, hon oine getrunk, verziehld un die Zeit vergess. Wer woiß, wann mer sich widder mo sieht ..
Wie de Kisch no em letzschde Becher Wein sei Zech bezahlt hat un jetzt awwer los wollt, do ware die Eselinne verschwunn. Spurlos. Was jetzt? Saul, de Sohn vum Kisch, hat die jüngschde Boin, er war groß un scheen, sät die Biwel. Dä muscht sich met nem Kneecht uff die Such mache. Wie en Fahndung, so is das abgelaaf. En Handvoll Stammes-Gebiete, das vun Ephraim, vun Schalischa, Schaalim, vun Benjamin und bis hien zum Gebiet von Zuf hon se dorchsucht, Saul und de Kneecht. Nix. Die Eselinne ware wie vum Erdborm verschluckt.
Un do in Zuf, do hat de junge Saul awwer die Nas voll un hot dem Kneecht gesaht: Mer drehe um, sunscht muss de Vadder am Enn noch no uus zwo suche losse.
Awwer dä Kneecht, dä hat nit nor iwwerall die Aawe uffgemach, sondern aach die Ohre! Und dä hot dem Saul gesaht: Nor mo langsam! In de Stadt is heit en „Seher“, der hoischt Samuel. Gud un scheen, seht de Saul, awwer mer kenne doch nit den Gottesmann no dene Iselcher frohe und dann oinfach danke sahn und fortgehn – ich hon koine Penning bei mer! Dä Kneecht awwer, der hat doch tatsächlich en Verdel-Silwerdaler im Säckel und hot en dem Saul angebot! Un wie bestellt, kam do en Mädche des Wächs, das kunnte se no dem Seher frohe. Und das Mädche hot Beschoid ge-wuscht: Dä Seher Samuel werd heit uff de Höh en Opferfescht met us feiere. Geht am beschde schun mo in die Stadt nen un dann als de Herd no.
Großardich. Jetzt hadde die Iselsucher die richdich Fährt! Un es is noch besser wor: Grad wie sie in die Stadt nengehn wollte, kam dä Seher Samuel eraus. Das war koine Zufall, do war Gott am Werk! Gott iwwerläscht nix däm Zufall. Die Biwel schreibt: Gott hatte Samuel das Ohr aufgetan, einen Tag, bevor Saul kam! Und Samuel hörte: Morgen um diese Zeit werde ich einen Mann aus dem Stamm Benjamin zu dir senden. Den sollst Du zum Fürsten über mein Volk Israel salben, der soll sie aus der Hand der Philister befreien. Die Philischder ware de Erz-Feind!
Große Sache sein im Stadtdor abgehannelt wor: Do is Reecht gesproch wor, Mensch un Vieh hon de Besitzer gewechselt un so weider. Oiner hot de anner iwwerbot. Un bei däm „Geräuschpegel“ hot dä Seher Samuel die Stimm Gottes geheert: Hier kommt der Mann, der über mein Volk herrschen soll. Der Mann war de Saul, kam direkt uff den Seher zu und hot gefroht: Kannscht du mer das Haus vum Seher zeije?
Dä Samuel hot geantwort: Ich sein de Seher. Mach der koi Gedanke, dei Eselin-ne sein gefunn wor, komm met in mei Haus. Un dodemet hot de Samuel dän Saul un seine Kneecht met hoim genomm, wo in der Hall schun 30 Mann zum Esse gehockt hon! Awwer Saul un seine Kneecht sein extra gut bedient wor. Saul hot erstaunt geguckt, awwer er is nit unruhich wor. Er hot aach noch im Haus vum Seher die Naacht geschloof wie in Abrahams Schoß. Am nächste Moije ging die Geschicht erscht weider. Do hot de Samuel geruf: Steh uff, Saul, ich will en Stick met der gehn! Am Stadtdor hot de Samuel dän Kneecht voraus geschickt. Jetzt war Gott ganz nah! De Seher hot dem Saul gesaht: Bleib mo stehn und heer, was Gott mer befohl hot! Un domet hat Samuel schun en Salb-horn in de Hänn un hot das Öl dem Saul uff de Kopp gegoss, hot em en Kuss gehn und gesaht: Siehe, der Herr hat dich zum Fürsten über sein Erbteil gesalbt. Vun dem iwwerraschde Saul steht an dä Stell koi Word in de Biwel.
Awwer dä Gottesmann Samuel hot dem Saul jetzt genau gesaht, was forn Wäch er hoimwärts nemme soll; denn do kam en Iwwerraschung uff de neie Fürscht vun Israel zu: En Schar Prophete kam em vun de Höh entgähn - das war die erscht Ehr for de neue Könich! Uff manche „Höhe“ kame die Leit sich vor, als wenn se Gott näher wäre! Drum ware uwwe viel Heilichtümer. Awwer de Geischt vun Gott kam aach „unne“ im Daal iwwer den Saul. Er hot sich verän-nert, säht die Biwel, er ist en annere Mensch wor. Un Saul krieht noch en Ver-spreche vun Gott: Tue, was dir vor die Hände kommt; denn Gott ist mit dir (Kap. 10,7).
Weil awwer alles sei Ordnung hon muss, hot dä Seher Samuel das Volk ver-sammelt, das ehm schun lang weje nem Könich in de Ohre geleh hot. Samuel hot en lang Red gehall. De korze Sinn war: Ihr habt Gott als euren König verworfen – ihr wollt einen König aus euren Reihen eingesetzt haben.
Un jetzt is gewählt wor: Die zwölf Stämm muschde vor dän Seher Samuel komme, dann is es Los geworf wor. Das Los hot de Stamm Benjamin getroff. Aus em Stamm Benjamin is es Los uff Saul, de Sohn vum Kisch gefall. Gottes Wahl!
Awwer wo war dä Saul? Er war unnergetaucht beim Tross, bei bei Fuhrleit! Gott hot es de Sucher selwer gesaht! Se hon de Saul erscht no langer Zeit gefunn – weil er so groß war, hot das met dem Versteche nit so ganz geklappt. So, un jetzt hat Israel aach en weltliche Könich wie die heidnische Nochber-Völker rundum. De neie Könich hat sei Rechte un Pflichte, die das Volk beachte muscht un umgekehrt. Das alles hot dä Seher Samuel in en Buch geschrieb. Aach das met de Isel als Könichsmacher!!! Ja, do kann mer nor sahn: Gott hot viele Handlanger! Un was weggelaafene Isel alles ins Rolle brenge kenne, do driwwer kann mer nor staune!
Halle mer feschd: Artgenosse un Vorfahre vun de vierboiniche Steejer Isel ware schun „Könichs-Macher“! Un deshalb is dä Spitzname „Steejer Isel“ for uus en Ehren-Bezeichung! Un das Scheene is, dass Isel bei ehrer Bedeudung nit iwwerheblich were! Se mache koi Wahlverspreche, die se später vergesse, se bleiwe bei ehrem seit Anfang vun de Welt übliche „Iah“ un mache oinfach met Isels-Gedold ehr Arwet, aach wenn se sich ab un zu mo stur stelle.
Un die Moral vun de Geschicht: „Steejer Isel“ is koi bees Word, viel meh en Ehren-Bezeichnung! Gott kann Steejer Isel mit vier und aach met zwo Boin for sei groß Welt gebrauche. Die Biwel git 's uus jo schriftlich! Amen
Und der Friede Gottes, der all seinen Kreaturen gilt,
der bewahre unsre Herzen und Sinne zu allem guten Werk! Amen
Predigt zum 16.6.24, 3. Sonntag nach Trinitatis
Lukas 15, 1-3 und 11b-32
Stille ist Kraft, drum mache mich still, meinen Willen in deinen hüll. Sorgen und Unrast bringe zur Ruh, Herr, mache mich still und rede du. Amen.
Liebe Gemeinde,
das eben gehörte Gleichnis vom verlorenen Sohn ist weithin bekannt. Heute wird dieses Gleichnis auch so genannt: Die verlorenen Söhne oder das Gleichnis vom barmherzigen Vater. Alle Bezeichnungen haben bei genauerem Hinterfragen ihre Berechtigung.
Es geht in der Tat nicht nur um den Sohn, der in der Fremde alles durchbrachte sondern auch um den Sohn der zu Hause blieb und um den Vater. Also eine ziemlich umfangreiche Familiengeschichte in der auch wir, liebe Gemeindeglieder, uns wiederfinden können.
Man kann verstehen, zwei Söhne können nicht unbedingt gemeinsam den Betrieb des Vaters führen. Vielleicht sind sie auch viel zu unterschiedlich, dass eine gute Zusammenarbeit einfach nicht möglich ist.
Also verlangt der jüngere Bruder schon recht früh das ihm zustehende Erbe vom Vater. Und dieser gibt dem Sohn ohne zu murren, was ihm zusteht. Er hält sich auch mit Ratschlägen zurück. Denn er lässt seinen Sohn gewähren, aber er verliert ihn nicht aus seinem Blick und seinem Herzen.
Und nun macht sich der jüngere Sohn auf die Socken und lebt seiner Meinung nach zunächst herrlich und in Freuden. Er denkt gar nicht daran, mit dem erhaltenen Erbe sich eine Existenz aufzubauen. Er denkt nicht an seine Zukunft, nein, das Geld muss jetzt mit vollen Händen ausgegeben werden.
Diese alte biblische Geschichte ist nicht weltfremd, auch heute gibt es ähnliche Geschichten. Ja, es gibt Menschen, die vermögend sind und dann meinen, alles unbedingt erleben beziehungsweise mitnehmen zu können, was nur geht. Es wird in Saus und Braus gelebt.
Aber trotz äußerlichem Reichtum kann man innerlich ein total armer Mensch sein. Man ist ohne Halt, ohne Sinn, ohne Ziel. Denn Geld und Gut allein, zumal wenn man nicht verantwortlich damit umgehen kann, machen nicht glücklich. Da hat sich von früher bis heute nichts dran geändert.
Denn eine tiefe Zufriedenheit und eine in Gott bewusste Geborgenheit sind weit mehr wert als Geld und Gut, als alle Tage Jubel, Trubel, Heiterkeit.
Das hat sich ja in unserem Predigttext gezeigt. Trotzdem, man kann ja, wenn man das merkt, umkehren! Doch viele Menschen versäumen die Kehrwende oder scheuen sich davor.
Vielleicht schämen sie sich auch, weil man dann zunächst mal wieder kleine Brötchen backen muss. Und um den Schein bei Freunden und Nachbarn und im Dorf zu wahren, macht man weiter mit einem Leben, von dem man selbst weiß, es ist so nicht in Ordnung, so wie ich jetzt lebe.
Der verlorene Sohn ging aber in sich, wie es heißt, und macht endgültig Schluss mit seinem unerfreulichen Lotterleben. Er musste schmerzhaft feststellen, dass es ihm letztlich keine Befriedigung gebracht hat. Als Schweinehirt teilt er sein Essen mit den Tieren. Jetzt hat er Zeit, in Wehmut an sein ehemaliges Zuhause zu denken.
So ist das mit uns Menschen. Wenn es uns vermeintlich gut geht schauen wir nicht nach rechts oder links. Erst in schwierigen Lebenssituationen denken wir darüber nach, wie es auch hätte anders, besser gehen können.
Wohl dem Menschen, der dann den Mut hat um sich endlich auf den richtigen Weg zu machen. Der einsieht, dass es so nicht weitergehen kann.
Und dann kommt für mich persönlich der schönste Satz dieses Gleichnisses, und dann ist es mir auch egal, wie wir es nennen. Der verlorene Sohn oder die verlorenen Söhne oder das Gleichnis vom barmherzigen Vater.
Es heißt dann: Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen! Wohl dem Menschen, der das so aus vollem Herzen nachsprechen kann und das Ganze dann auch wirklich in die Tat umsetzt.
Und wie der Sohn dann müde und abgeschlagen endlich in Richtung Heimat geht, sieht ihn sein Vater schon von Ferne.
Das heißt dann doch, dass der Vater nie seinen Sohn wirklich aufgegeben hatte, sondern immer schon nach ihm Ausschau gehalten hat.
Ja, so ist das, liebe Gemeinde. Die Barmherzigkeit des Vaters ist viel größer als die Schuld des Sohnes. Auch heute gilt: Gottes Güte, seine unendliche Liebe und Gnade, seine große Barmherzigkeit, lassen auch uns sündige Menschen leben.
Man kann es kaum glauben, dass Gottes Vaterherz für uns oft gescheiterte Menschen so vor Liebe brennt. Da müssen wir um ein demütiges Herz bitten, um Gottes Gnade in uns wirken zu lassen. Bei unserem himmlischen Vater sind wir alle, ausnahmslos, unendlich wertgeachtet.
Der heimgekehrte Sohn sieht seine Schuld uneingeschränkt ein. Er möchte künftig nur als Knecht arbeiten, damit er nicht hungern muss. Der Vater aber ist voller Freude seinen Sohn wieder zu haben. Er macht ihm keine Vorwürfe.
Er ist und bleibt sein über alles geliebtes Kind, sein Sohn Durch die Barmherzigkeit des Vaters wird dem Sohn ein Neuanfang geschenkt. Er richtet sogar ein Fest für ihn aus.
Weil der Sohn ein ausschweifendes Leben, also ohne nach Gottes Willen zu fragen, lebte, sagte der Vater: Mein Sohn war tot. Jetzt, da er seine Schuld bekennt und ein neues Leben beginnen möchte, ist er bei seinem Vater in das wirklich wahre Leben zurückgekehrt.
Eine Wendung von 180 Grad. So etwas gibt es, das ist auch heute möglich. Man muss es nur wollen. Gott reicht uns die Hand, wir müssen nur zugreifen.
So ist Gott. Wenn wir von Herzen unsere Schuld bekennen, vergibt er uns alle Fehler unseres Lebens. Und niemals mehr bekommen wir sie aufs Brot geschmiert. So, wie wir Menschen das gerne machen.
Kommen wir nun zu dem älteren Sohn. Wenn wir ehrlich sind, können wir ihn doch nur zu gut verstehen. Denn wir würden ähnlich reagieren. Wir versuchen ja auch ein einigermaßen ordentliches Leben vor Gott und unseren Mitmenschen zu führen.
Da wird von dritter Seite auch nicht viel Aufhebens gemacht. Es ist halt der Normalfall. Wenn aber jemand in seinem Leben gravierende Fehler gemacht hat, die allen bekannt sind, und der dann später so hofiert wird, wie der verlorene Sohn, sind alle voller Neid darüber.
Das ist eine ganz normale Reaktion von uns Menschen. Von Gott aus betrachtet verhalten wir uns aber falsch. Denn der Vater sagt doch zu dem älteren Sohn: Alles was mein ist, ist auch dein.
Das ist es, liebe Gemeinde, was wir meiner Meinung nach immer wieder vergessen. Nur haben wir uns darüber wahrscheinlich noch nie so richtig Gedanken gemacht. Der Vater sagt, was mein ist, das ist auch dein.
Wir sind Gottes Kinder und folglich auch seine Erben. Haben wir uns schon einmal darüber gefreut, dass wir Tag um Tag durch Gottes Güte und Barmherzigkeit leben? Was für ein außerordentliches und großartiges Geschenk. Ja, wir alle dürfen umgeben von Gottes täglicher Zuwendung an Liebe und Güte leben, nicht müssen, dürfen!
Wir brauchen also nicht neidisch auf Menschen zu sehen, die ihre Schuld bekannt haben und nun auch bewusst aus Gottes Gnade leben. Wenn wir uns darüber freuen, dass wir einen gnädigen und barmherzigen Vater im Himmel haben, dann sollte es uns auch freuen, wenn andere Menschen auch zu dieser Erkenntnis gelangen.
In der heutigen ersten Lesung aus dem Timotheus Brief schreibt Paulus ja auch, dass er einmal ein Lästerer und Verfolger der ersten Christen war. Er hat sich dann ab er vor Damaskus zu Christus bekehrt.
Wir müssen lernen: Wenn Gott in seiner Güte und Barmherzigkeit allen Menschen, die ihre Schuld ernsthaft bereuen, vergibt, dann brauchen wir sie nicht wieder auszugraben.
Vielmehr sollten wir unser Leben dahingehend überprüfen, ob wir unser Christsein glaubwürdig leben. Denn man hat schnell einen Menschen zum verlorenen Sohn abgestempelt. Und wem ist dann damit geholfen? Niemanden!
Besser ist es für Menschen, die ihr Leben nicht in den Griff bekommen, zu beten und ihnen wenn möglich, praktisch zu helfen. Ich weiß, das ist einfacher gesagt, als getan. Denn in uns allen steckt mehr oder weniger noch der „alte Adam“.
Liebe Gemeine, warum hat Jesus diese Geschichte, dieses Gleichnis erzählt? Er, Jesus, hat mit seinem ganzen Leben bezeugt, dass er die Menschen liebt und sucht. Ja, er hat sein eigenes Leben für unsere Schuld dahingegeben. Denn kein Mensch kann sich selbst erlösen.
Unserem Gleichnis fehlt der Schluss. Wir wissen nicht, wie sich der ältere Sohn, dem das Fest für seinen Bruder ein Ärgernis war, später verhalten hat. Ob er die Liebe seines Vaters zu dem jüngeren Sohn teilen konnte.
Hier sind auch wir letztendlich gefragt. Jesus ist auch für meine und deine Schuld ans Kreuz gegangen. Deswegen haben wir niemals das Recht, uns über andere Menschen als Richter aufzuspielen.
Mit diesem Gleichnis soll uns allen gesagt werden, es gibt keine aussichtslosen Fälle. Denn Gottes Barmherzigkeit ist größer als unser Versagen. Was für eine herrliche Zusage. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.
Predigt über Lukas 19 1-10 Jesu Einkehr bei Zachäus, 5.5.2024
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen. Amen.
Liebe Gemeinde,
ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. So, oder so ähnlich wird sich Zachäus gedacht haben, als er auf einen Maulbeerbaum stieg, um Jesus zu sehen. Wir hörten seine beeindruckende Geschichte eben in der Evangeliums – Lesung.
Ja, man muss es sich mal vorstellen. Da ist der allseits verhasste Oberzöllner Zachäus, der für die römische Besatzungsmacht von seinen jüdischen Landsleuten die Steuern eintrieb. Er hatte eine steile Kariere hinter sich. Denn als Oberzöllner hatte er viele andere Zöllner zu beaufsichtigen.
Scheinbar ging er nicht sehr genau und redlich mit dem Geld um. Denn er hatte es zu großem Reichtum gebracht. Er konnte sich vieles leisten, was seine jüdischen Landsleute ihm sehr verübelten.
Wir fragen uns, was hat ihm sein Reichtum eingebracht? Hass, Neid und Missgunst. Mit diesem Zachäus wollte niemand etwas zu tun haben. Nein, diesem Halsabschneider gönnte man nichts Gutes. Gäbe es heute so Jemanden, hätte er das gleiche Schicksal.
Mittlerweile litt Zachäus wohl auch selbst sehr darunter, dass er bei allem Reichtum, so gar keine Gönner und Freunde hatte. Er wusste ja auch, dass dieser Reichtum deswegen zu Stande kam, weil er es mit den Gesetzen nicht so genau nahm. Menschen über das Ohr zu hauen, war bei ihm bisher an der Tagesordnung. Ja, man muss feststellen, die Menschen haben sich nicht sehr verändert.
Liebe Gemeinde, damit konnte dieser Mann auf Dauer aber nicht leben. Er merkte, so wie du lebst, so wie du dein vieles Geld verdienst, das ist so nicht recht vor Gott und den Menschen. Aber was tun?
Was soll er ändern? Oder wie soll er sein Leben, sein ganzes Tun ändern? Er wusste nur so viel, weiter, so wie bisher, das geht nicht. Diese Einstellung war goldrichtig.
Er hatte wohl schon viel von Jesus gehört. Dass dieser Mann vollmächtig Gottes Wort predigte, Kranke heilte, Hungrige speiste und selbst Tote auferweckte, wie zum Beispiel Lazarus oder die Tochter des Jairus. Er hatte auch schon gehört, dass Jesus den Menschen die Sünden vergeben hatte und diese dann ein neues befreiendes Leben in seiner Nachfolge begonnen hatten.
Und so verspürte Zachäus einen großen inneren Drang, ein Begehren, selbst einmal Jesus zu sehen. Er wollte schauen, wie so ein Mensch aussieht, der so viel Gutes bewirken kann. Es war bekannt, dass Jesus in Kürze durch den Wohnort des Zachäus kommen sollte.
Da immer eine riesige Schar um Jesus war und Tausende ihm nachfolgten, fasste der Oberzöllner einen kuriosen Plan. Da er klein von Gestalt war, war es ihm bei der Menschenmenge bestimmt nicht möglich, Jesus zu sehen. Ich will auf einen Baum steigen, sagte er sich, dann sehe ich Jesus, wenn er hier durchkommt.
Es war ihm mittlerweile total egal, was die Menschen dazu sagen würden, denn sein Ruf war ja eh ruiniert. Er, der Kleine auch recht bekannte und verhasste Oberzöllner, wollte Jesus sehen.
Und dann, liebe Gemeinde passierte etwas, womit er überhaupt nicht gerechnet hatte. Als Jesus mit seinem Gefolge an diesem Baum vorbei kam, sah er hoch, und sagte: Zachäus, komm schnell vom Baum herunter, denn ich muss heute in deinem Haus einkehren!
Er, der Betrüger, der Jesus zunächst nur einmal sehen wollte, war Jesus schon längst bekannt. Er rief ihn bei seinem Namen. Das hat eingeschlagen wie ein Blitz. Und dann sagt er auch noch: Ich muss heute in deinem Haus einkehren!
Liebe Gemeinde, ich glaube Zachäus dachte, das ist nicht möglich, wie habe ich denn so etwas verdient? Und dann heißt es weiter: Dann stieg er eilend vom Baum herunter und nahm Jesus auf mit Freuden. Das ist ja wie Weihnachten und Ostern auf einen Tag.
Jesus ruft den verhassten Zöllner bei seinem Namen, weil er weiß, der ist bei all seinem Reichtum unglücklich. Bei all seinem Geld ist er total unzufrieden. Niemand will mit ihm etwas zu tun haben. Wenn der mich sehen will, dann will ich, Jesus, ihm zu einem erfüllten Leben verhelfen.
So, liebe Gemeinde, ist unser Herr Jesus Christus. Selbst schon auf dem Weg ans Kreuz, die Schuld für alle Welt zu bezahlen, vergisst er nicht den einzelnen Menschen, der sich an ihn wendet. Er, Jesus, vergisst auch dich und mich nicht; er kennt auch uns mit Namen. Wo sonst ist solch ein Herr zu finden?
Die nachfolgende Menge, besonders aber die Pharisäer und Schriftgelehrten murrten, als sie sahen, dass Jesus bei einem Sünder einkehrte. Ich frage Sie, liebe Gemeinde, wenn Jesus bei einem Gerechten hätte wollen einkehren, bei wie Vielen hätte er dann kommen können? Bei Niemanden! Denn vor Gott gibt es keine gerechten Menschen, nur begnadete Sünder.
Wir hören keinerlei Vorwürfe von Jesus gegenüber dem Zöllner Zachäus. Dieser kann sein Glück nicht fassen, dass Jesus bei ihm einkehrt. Mit dieser überfliesenden Gnade hatte er niemals gerechnet.
Und so sagt er zu Jesus: Herr, die Hälfte meiner Güter gebe ich den Armen, und wenn ich Jemanden betrogen habe, gebe ich es vierfach zurück. Was für eine Sinnesänderung. Wenn Zachäus auch noch so reich war, wenn er aber die Hälfte den Armen gibt und bei Betrug das Vierfache zurückgibt, dann bleibt nicht mehr viel für ihn und seine Familie.
Aber wenn er heute nicht diesen Tausch, diese 180 Grad Kehrtwendung vollzieht, hat ihn das Kennenlernen von Jesus nichts gebracht. Heute wollte er das Eisen schmieden, solange es heiß war.
Es ist, wie es in einem Lied heißt: Heute will dich Jesus fragen, bist du ganz für mich bereit, du verlierst dich sonst im Jagen, nach den Gütern dieser Zeit.
Er sprach Jesus schon mit Herr an, was nicht unbedingt üblich war .Viele die damals mit Jesus Kontakt hatten sprachen ihn zum Beispiel mit Meister oder Lehrer an. Aber Zachäus wusste scheinbar sehr bald, mit wem er es zu tun hatte.
Was die Menschen um ihn herum sagten oder welche Meinung sie über ihn hatten, interessiert ihn nicht mehr. Denn er war hier und heute durch Jesus gerechtfertigt worden.
Als Jesus jetzt von Zachäus hörte, wie er seine begangene Schuld wieder gut machen wollte, hat auch er ihm verziehen. Die umstehenden Menschen staunten bestimmt nicht schlecht, als Jesus zu Zachäus sagte: Heute hast du mit deiner ganzen Familie Rettung erfahren.
Denn trotz allem, trotz deiner dunklen Vergangenheit bist auch du ein Nachkomme Abrahams. Denn ich bin gekommen, um die Verlorenen zu suchen und zu retten.
Liebe Gemeinde, das war, das ist und das bleibt das Hauptanliegen unseres Heilands: Menschen von ihrer Sündennot und Lasst zu befreien und ihnen ein erfülltes Leben schenken in Zeit und Ewigkeit.
Obwohl diese Geschichte vor rund zweitausend Jahren erzählt wurde beziehungsweise sich zugetragen hat, ist sie auch heute brandaktuell.
Auch wir kennen Menschen, die wie Zachäus zu viel Geld gekommen sind, auch nicht immer auf ganz legalem Wege –vielleicht durch Erbschleicherei. Sind sie in ihrem Herzen darüber glücklicher und zufriedener als vorher? Ich denke: Nein!
Oder es gibt Menschen, und vielleicht gehören auch wir zum Teil dazu, dass wir auch auf einem Baum sitzen und uns für Jesus interessieren. Und wenn es dann heißt, komm herunter, ich will heute bei dir einkehren, dann verstecken wir uns hinter den Ästen. Was sollen denn die Nachbarn, Freunde oder der Rest der Familie denken, wenn ich jetzt auf einmal ein Leben unter Gottes Führung beginne?
Wenn uns bewusst ist, dass wir einmal einen Fehler gemacht haben, den wir noch einmal korrigieren können, dann sollten wir es wie Zachäus machen. Zurückgeben, was uns nicht wirklich gehört! Und uns vor Gott und den Menschen entschuldigen.
Wenn wir ehrlich leben, von unserem Hab und Gut denen geben, die Mangel leiden, wird es Gott freuen, und er wird uns mit allem Nötigen versorgen, dass wir nicht verhungern werden. Wir sollten uns endlich ganz auf Gott, ganz auf Jesus Christus und sein Wort einlassen, so wie einst Zachäus, dann werden auch wir zu begnadigten Sündern. Weiter, liebe Gemeinde, können wir es gar nicht bringen.
Und nicht nach rechts oder links schauen, was andere Menschen tun oder lassen. Sondern so versuchen zu leben, dass wir damit Gott die Ehre geben. Denn wir stehen einmal ganz allein vor unserem Gott und müssen Rechenschaft für unser Leben ablegen.
Da können uns Nachbarn, Freunde oder der Rest der Familie nicht helfen. Nur Jesus, er allein! Denn er ist gekommen, um die Verlorenen zu suchen und zu retten.
Was gebe es schöneres oder besseres, wenn es auch von uns allen heißen würde: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren! Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jeus, unserem Herrn. Amen.
Predigt am Sonntag Miserikordias Domini
(Sonntag des guten Hirten)
14.4.24 10,45 Uhr Oberdiebach
Stille ist Kraft, drum mache mich still, meinen Willen in Deinen hüll, Sorgen und Unrast bringe zur Ruh, Herr, mache mich still und rede du. Amen.
Liebe Gemeinde,
wie reagieren wir, wenn wir mehrmals dasselbe gefragt werden? Und immer wird von uns eine Antwort erwartet! Dann entgegnen wir eventuell leicht gereizt oder auch total verärgert nach dem Motto: Mensch, wie oft soll ich es dir denn noch sagen? Hörst du schlecht? Was soll denn das Ganze?
Hören wir, wie in unserem heutigen Predigttext aus dem Johannes-Evangelium Petrus auf Jesu Fragen reagiert: Ich lese aus Johannes 21, die Verse 15-19
Nachdem die Jünger mit Jesus gegessen hatten, sagte Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn von Johannes, liebst du mich mehr als die anderen hier?
Petrus antwortete: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe. Jesus sagte zu ihm: Sorge für meine Lämmer.
Ein zweites Mal sagte Jesus zu ihm: Simon, Sohn von Johannes, liebst du mich? Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe, antwortete er. Jesus sagte zu ihm: Führe meine Schafe.
Ein drittes Mal fragte Jesus: Simon, Sohn von Johannes, liebst du mich? Petrus wurde traurig, weil er ihn ein drittes Mal fragte: Liebst du mich?
Er sagte zu ihm: Herr, du weißt alles, du weißt auch, dass ich dich liebe. Jesus sagte zu ihm: Sorge für meine Schafe.
Ich versichere dir, als du jung warst, hast du deinen Gürtel selbst umgebunden und bist gegangen, wohin du wolltest, aber wenn du einmal alt bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich binden und dich dorthin führen, wohin du nicht gehen willst.
Mit diesen Worten deutete Jesus an, mit was für einem Tod Petrus einst Gott ehren würde. Dann sagte Jesus: Folge mir nach!
Liebe Gemeinde,
unser Predigttext schildert eine Situation, die Jesus nach seiner Auferstehung mit seinen Jüngern erlebt hat.
Wie peinlich muss das Petrus gewesen sein, wenn Jesus dreimal fragt: Hast du mich lieb? Jesus war ja nicht mit Petrus allein, die anderen Jünger waren ja auch dabei. Was sollte das dann? Wollte Jesus den Petrus bloßstellen?
Nein, er wollte ihn nur daran erinnern, was erst vor wenigen Tagen geschehen war. Petrus, so wird er uns in den Evangelien geschildert wird, ist ein recht forscher und wortgewandter Mann.
Schnell, ja manchmal zu schnell, sagt er Dinge zu, die er später nicht halten kann. Als Jesus am Vorabend seiner Kreuzigung gefangen genommen wurde sagte er zu seinen Jüngern, so lesen wir es im Matthäus-Evangelium: Ihr werdet euch alle an mir ärgern. Petrus entgegnete: Und wenn sie sich alle an dir ärgern, ich nicht. Und Jesus sagte ihm: Du, Petrus, wirst mich, noch ehe der Hahn kräht, dreimal verleugnen.
Petrus meinte: Ich doch nicht. Wie wir aber alle wissen, hat Petrus dreimal geleugnet, Jesus zu kennen.
Ja, so sind wir Menschen. Wir schwören bei unserem Namen und versagen kläglich. So ist es dem vorlauten Petrus ergangen. Er hatte nicht zu Ende gedacht und wohl Angst bekommen, mit Jesus verurteilt und gegebenenfalls gekreuzigt zu werden.
Und jetzt in versammelter Runde fragt Jesus ihn dreimal, Petrus, hast du mich lieb. Er will mit der dreimaligen Frage an sein dreimaliges Verleugnen erinnern. Diesmal war Petrus zurückhaltender und demütiger. Er hat nicht versagt.
Ja, Petrus sagt zu Jesus: Herr, du weißt doch alles, du weißt doch, dass ich dich liebhabe. Und Jesus sagt zu Petrus: Sorge für meine Schafe. Er gibt ihm einen Auftrag.
Trotz des dreimaligen Fragens Jesu, war Petrus in seinem Herzen bestimmt glücklich. Er hätte ja auch von Jesus hören können, du, weißt du was, mit dir habe ich die Nase voll. Du bist immer schnell im Versprechen, ohne die Kosten zu überdenken.
Ich suche mir andere Nachfolger als Dich, Menschen, auf die ich mich verlassen kann. Ja, das hätte passieren können. Bei ähnlichen Situationen reagieren wir Menschen so.
Ja, ob es in der Schule oder im Beruf oder im privaten Umfeld ist, wenn wir mehrmals etwas versprechen und es nicht halten, gelten wir schnell als nicht zuverlässig. Für die Karriereleiter ist so eine Haltung nicht förderlich. Und das ist auch mehr als verständlich.
Aber der auferstandene und wiederkommende Herr reagiert anders als wir Menschen. Er lässt Gnade vor Recht ergehen. Er setzt Petrus praktisch wieder in sein Apostelamt ein.
Jesus weiß ja, dass er bald die Erde verlassen wird und wieder zurück zu seinem Vater geht. Und da braucht er Menschen die ihn lieben, die das Evangelium mit Vollmacht verkündigen.
Jesus weiß, dass wir Menschen, wenn wir uns auch noch so bemühen, nicht fehlerfrei sind. Wir alle, ohne Ausnahme, sind auf Gottes Güte und Barmherzigkeit angewiesen.
Wenn es makellose und fehlerfreie Menschen gäbe, wäre Petrus bestimmt fallen gelassen worden. Aber Gott hat nur Menschen geschaffen, die einen eigenen Willen haben und nicht immer alles richtig machen.
Das soll uns aber nicht davon abhalten, Gutes, zu tun. Nicht dass wir sagen, ach, ich bin nicht ohne Fehler, ich lasse es gleich ganz sein. So einfach können wir uns nicht rausreden.
Wenn wir Jesus Christus lieben, so wie es jetzt Petrus bezeugt, dann können wir doch gar nicht anders, als diese Liebe zu leben. Vielleicht weniger mit dem Wort, aber mehr mit der Tat.
Liebe Gemeinde,
heute ist der Sonntag des guten Hirten. Jesus, der gute Hirte ist nicht mehr unter uns. Aber durch den Heiligen Geist ist Jesu Kraft gegenwärtig und erfahrbar. Diese Kraft ist in unserer Zeit oft sehr klein und kaum zu spüren. Zumindest in unseren Breiten.
Den Kirchen bläst der Wind derzeit heftig ins Gesicht. Und das nicht ohne Grund. Aber das darf nicht bedeuten, dass wir alle die Hände in den Schoß legen. Nicht alles ist schlecht was die Kirchen gelehrt und bezeugt haben.
Wenn wir ehrlich sind, haben wir doch schon oft Gottes Hilfe in unserem Leben erfahren. Ja, Jesus will auch Dein und mein guter Hirte sein. Nicht nur an Sonn- und Feiertagen, sondern auch vor allem im Alltag unseres Lebens.
Er möchte, dass Jede und Jeder auch Verantwortung für den Nächsten übernimmt. Deswegen hat er seinerzeit zu Petrus gesagt: Sorge für meine Lämmer, sorge für meine Schafe oder führe meine Schafe.
Dieser Auftrag gilt heute uns, liebe Gemeinde. Wir, die sogenannten kleinen Leute, brauchen keine Kirche zu leiten. Aber, um im Bild zu bleiben, um einzelne Schafe sollen wir uns schon kümmern.
Und zwar herzlich, liebevoll und wertschätzend. Nicht richtend und zurechtweisend, das steht uns nicht zu. Meiner Meinung nach braucht die Kirche nicht unbedingt mehr gut studierte Theologen, sondern mehr Menschen, die Jesus Christus, den guten Hirten, liebhaben.
Das heißt nicht, dass ich gegen eine gute theologische Ausbildung bin, die ist unbedingt erforderlich, aber ohne ein Herz voller Liebe zu Gott und den Mitmenschen ist alles nichts.
Ich erinnere an ein Wort aus 1. Korinther 13. Hier heißt es: So aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die Größte unter ihnen.
Vor einigen Wochen rief mich ein mir bekannter Pfarrer an und wollte wissen, was bei uns in der Gemeinde los wäre. Ich konnte ihm dazu nichts sagen. Er meinte, weißt du, als Pfarrer muss man seine Gemeinde, also die Menschen, die in ihr leben, liebhaben, sonst hat man seinen Beruf verfehlt.
Als ich den Predigttext für heute las, musste ich daran denken. Vielleicht hat Jesus Petrus zuerst nach seiner Liebe zu ihm gefragt, weil das wichtiger als alles andere ist. Wenn das stimmt, darf er die Schafe, also die Menschen führen und leiten.
Im alltäglichen Leben ist es genauso wie im Glaubensleben: Wenn die echte und wahrhaftige Liebe, egal zur Partnerin oder zum Partner, zu den Kindern oder den Eltern fehlt, ja dann fehlt die wichtigste Voraussetzung für ein zufriedenes und erfülltes Leben.
Liebe Gemeinde,
echte Liebe, echte Zuneigung, wertschätzende Verantwortung sind keine Artikel die wir kaufen können. Wir können aber so leben, uns so verhalten, dass man merkt, wir meinen es mit unserem Gegenüber ehrlich.
Das baut gegenseitiges Vertrauen auf. Nur durch unser Handeln können wir zeigen, ob wir es ehrlich meinen.
Ein ehrliches Christenleben setzt noch nicht voraus, dass es uns immer gut geht. Weltweit werden in unseren Tagen mehr als hundert Millionen Christen verfolgt. Eine Zahl, so hoch wie nie zuvor.
Das bedeutet, auch wenn ich Jesus liebhabe, wenn ich Nächstenliebe lebe, kann es sein, dass ich für den Glauben leiden muss. Mit Jesus unterwegs sein, heißt in vielen Ländern der Erde, täglich verfolgt zu werden.
Auch Petrus hat noch viel Gutes für die Sache des Evangeliums bewirkt. Und trotzdem wurde er am Ende seines Lebens hingerichtet.
Seine Liebe zu Jesus Christus war unangefochten. Er blieb als einer der wichtigsten Apostel, ein Eckpfeiler der frühen christlichen Gemeinden.
Als er Jesus zum dritten Mal bestätigte, dass er ihn lieb habe, sagt Jesus zu Ihm: Folge mir nach!
Dieses “Folge mir nach“ gilt heute und zu allen Zeiten all den Menschen, die es hören, also auch dir und mir. Hören wir es nicht nur, sondern lassen wir dem Gehörten in Jesu Namen Taten folgen.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Ostermontag 2024 Kor15Ostern2024.odt
„Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden.“ Liebe Oster-Gemeinde, auch wir hören den wunderbaren „Engels-Gruß“ wie die drei Frauen am leeren Grab Jesu. Sie sind „entsetzt“! Sie erleben ein Wechselbad der Gefühle: Sie suchen einen Toten, aber der ist vom Tod erstanden! Das war für die Frauen am Ostermorgen schon schwer zu begreifen, aber dass dieses Himmel und Erde bewegende Ereignis damals auch schon für uns geschehen ist, das vergessen wir immer wieder.
Darum ist es gut, Zeitzeugen von damals zu haben, die unsere Zweifel ernst nehmen und unserem wankenden Glauben ein festes Fundament bieten. Heute tut dies der Apostel Paulus, der zuerst ein erbitterter Gegner Jesu war. Als das „Auferstehungs-gerücht“ in Jerusalem umlief, wollte er es mit allen Mitteln zum Verstummen brin-gen!
Aber Saul hat nicht mit der Himmelsmacht gerechnet, die Gott seinem bis zum Kreuz gehorsamen Sohn in der Auferstehung geschenkt hat! Und so wurde Saul, als er Christen in Damaskus zum Stillschweigen bringen wollte, vom auferstandenen Christus auf frischer Tat „gestellt“, wie ein Übeltäter!
Doch jetzt können wir etwas ahnen vom Himmel, den Christus uns erworben hat: Der Auferstandene machte kein Häuflein Asche aus seinem Gegner, sondern er verwandelte ihn innerhalb von drei Tagen in Seinen Apostel. Und daraufhin wurde Paulus zum „Anwalt“, zum eifrigsten Verfechter der Sache Jesu Christi, des Gekreuzigten und Auferstandenen.
Die vielen lebensgefährlichen Reisen brachten Paulus bald nach Europa. In der multireligiösen Stadt Korinth hätte er mit Predigten von dem gekreuzigten Jesus nur Kopfschütteln hervorgerufen. Aber er hatte den Auferweckten zu verkündigen! Das ließ Menschen aufhorchen: Leben hinter der Todesgrenze für die, die auf Jesus getauft werden, das war Evangelium, neue gute Botschaft für die Korinther!
Der Herr segnete die Arbeit des Apostels! Juden und Heiden nahmen Jesus Christus als ihren lebendigen Herrn und Erlöser an. Auch als Paulus Korinth verließ, um seinen Missionsauftrag anderswo fortzuführen, hielt er Verbindung mit seinen Taufkindern!
Irgendwann und irgendwo erfuhr Paulus dann aber, dass es bei den Christen in Korinth gefährlich kriselte. Einige dort glaubten wohl an die Auferstehung des Herrn, nicht aber an ihre eigene Auferweckung, die uns durch die Taufe geschenkt wird. So verfasste der Seelsorger Paulus einen langen Brief, aus dem wir vorhin einen Abschnitt gehört haben. Der Apostel geht darin auf den Grund unseres Glaubens ein und schreibt sinngemäß: „Wenn Christus für unsere Sünden gestorben ist, was glaubt ihr wohl, was seine Auferstehung bedeutet? Das heißt doch, dass auch wir mit ihm schon auferweckt worden sind. Wir sind Oster-Menschen!“
Wie eifrig muss Paulus nach seiner Bekehrung alles über Jesu Lehre und sein Han-deln aufgesaugt und dazu Schriftbeweise bei Mose und den Propheten gesucht haben! Er konnte Jesu Bruder Jakobus und die anderen Jünger befragen. Sie sind alle seine Bürgen gegenüber den Zweiflern in Korinth. Aber dann spielt Paulus seinen größten Trumpf aus; denn er hat die Auferstehungsbotschaft nicht nur vom Hören-sagen, sondern von Christus selber! So konnte er bezeugen: Mir ist ER von allen am letz-ten begegnet, mir armer Missgeburt! Der Herr hätte mir einen Engel mit feurigem Schwert in den Weg stellen können wie den Sündern Adam und Eva! Denn ich habe viel mehr gesündigt: Ich habe Jesu Anhänger als Gotteslästerer verfolgt! Und damit IHN!
Aber er hat mich nicht verurteilt, sondern zu seinem Sendboten bestimmt, der von unserer Erlösung durch seinen Kreuzestod künden soll, von seiner Auferstehung zum ewigen Leben – für uns. Auch für uns ist der Tod tot! Die Hölle? Mit seinem Grabstein verschlossen!
Liebe Oster-Gemeinde,
was würde Paulus uns heute schreiben? Vielleicht fing der Apostel wirklich bei Adam und Eva an, um uns den Roten Faden, das unzerreißbare Seil der Liebe Gottes zu zeigen – über die Propheten bis zu den Engeln am leeren Grab im Garten Geth-semane. Paulus hat seit seiner Bekehrung immer tiefer in der Hebräischen Bibel geschürft und die goldene Antwort gefunden: Gott liebt seine Menschen! Die Auf-erstehung Jesu Christi ist der Beweis dafür, wie viel wir Gott wert sind, mit was er uns beschenken will, nämlich mit dem, was sein Sohn am Kreuz für uns leidend erwarb: der Vergebung aller Schuld und dem Leben in Seiner himmlischen Herr-lichkeit.
Unsere Neugierde, wie das genau war mit der Auferstehung Jesu, die wird nicht mit Sensationsberichten abgespeist! Es gibt ganz leise, vorsichtige Hinweise auf das Neue, das uns zum Staunen bringen soll: Der Auferstandene war vom Aussehen her nicht gleich von den Jüngern erkannt worden, sondern an seinem Wort: Fürchtet euch nicht! Er war schon der Himmelssohn, der nun in Gottes Welt gehört. Eine Familien-Ähnlichkeit, mit seiner irdischen Mutter war vergangen. Die Kreuzigungs-male aber blieben – zum Zeichen für die Jünger … und uns!
Es bleibt das Geheimnis Jesu Christi, wie er aus einer versprengten Jüngerschar seine ersten Boten formte, wobei der Dreifach-Verleugner Petrus sogar zum Hirten der Seelen, der Verfolger Saulus zum Völkerapostel bestimmt wurde. Es ist Osterge-heimnis, wie es möglich war, dass Jesu Boten so weit in alle Welt zogen und das Evangelium verkündigten: ER lebt und ihr sollt auch leben, und das bis zu uns.
Inzwischen sind große Teile des sogenannten christlichen Abendlandes aufer-stehungsblind. Aber über all dem Elend, das wir auf der Welt sehen, dürfen wir nicht vergessen, dass unser Herr Jesus die Schuld der ganzen Welt ans Kreuz getragen hat und dafür auferweckt wurde. Wir sind dem Allmächtigen seit Karfreitag doch noch viel mehr wert: Sein liebster Sohn hat sich dazu hergegeben, allen Tod zu entmachten durch sein eigenes Sterben. Dieses Opfer hat Himmelsgewalt: Wir feiern heute die Auferstehung Jesu Christi von den Toten und zugleich unsere eigene Auferweckung vom Tod. Denn Christus hat versprochen: Ich lebe, und ihr sollt auch leben!
Ihm, dem auferstandenen Herrn, der uns den Frieden mit Gott erwarb, sei Ehre in Ewigkeit! Amen
Predigt Jubiläums-Konfirmation 17.3.2024
Markus 14, 3-9.
Stille ist Kraft, drum mache mich still, meinen Willen in deinen hüll. Sorgen und Unrast bringe zur Ruh. Herr, mache mich still, und rede du. Amen.
Liebe Gemeinde,
Geschenke jeglicher Art zu besonderen Anlässen sind üblich. Haben wir auch schon einmal ein besonderes, sehr wertvolles und teures Geschenk gemacht, ohne gleich zu berücksichtigen, ob ich so etwas wertvolles je zurückgeschenkt bekomme?
Oder war mir die Person, der ich ein außerordentlich wertvolles Geschenk gemacht habe, sehr wichtig?
Umso ein großes wertvolles Geschenk geht es im heutigen Predigttext. Ich lese aus Markus 14, die Verse 3-9.
Dieser Text ist überschrieben mit den Worten: Eine Frau ehrt Jesus.
Jesus war in Bethanien bei Simon, dem Aussätzigen. Während des Essens kam eine Frau herein. Sie hatte ein Fläschchen mit reinem, kostbarem Nardenöl. Das öffnete sie und goss Jesus das Öl über den Kopf.
Einige der Anwesenden waren empört darüber. „Was soll diese Verschwendung?“ sagten sie untereinander. Dieses Öl hätte man für mehr als 300 Silberstücke verkaufen und das Geld den Armen geben können.
Sie machten der Frau heftige Vorwürfe. Aber Jesus sagte: „Lasst sie doch in Ruhe! Warum bringt ihr sie in Verlegenheit? Sie hat mir einen guten Dienst getan.
Arme wird es immer bei euch geben, und ihr könnt ihnen jederzeit helfen, wenn ihr nur wollt. Aber mich habt ihr nicht mehr lange bei euch. Sie hat das schönste getan, was sie tun konnte: Sie hat dieses Öl auf meinen Körper gegossen, um ihn schon im Voraus für das Begräbnis zu salben.
Ich versichere euch: Überall in der Welt, wo das Evangelium verkündigt wird, wird man auch berichten, was sie getan hat, und an sie denken“.
Liebe Gemeinde,
man fragt sich, was war das für eine Frau, die für Jesus so viel übrig hatte? Sie hat ihn in Bethanien bei dem Aussätzigen Simon beim Essen getroffen. Sie muss schon sehr viel Positives von Jesus gehört haben, dass sie sich als Frau wagt, in das Haus eines Aussätzigen zu gehen.
Dazu gehörte schon eine große Portion Mut und Überwindung. Eventuell war sie selbst aus Bethanien, wo Jesu wenige Tage vorher den Lazarus auferweckte. Und jetzt waren es nur noch wenige Tage bis zu seiner Kreuzigung.
Oder sie zählte schon zu dem größeren Kreis der Jünger, dem auch Frauen angehörten. Ängstlich oder zurückhaltend war sie jedenfalls nicht. Heute, wenn Jesus hier bei Simon dem Aussätzigen zu Tisch war, wollte sie unbedingt zu ihm. Sie wollte mit dem teuren und wertvollen Nardenöl Jesu salben. Gesagt, getan!
Wie das von den anderen Menschen, die auch zu Tische waren, aufgenommen wird, stört sie nicht.
So eine Einstellung, ohne Wenn und Aber, ohne Berücksichtigung, wie Andere auf mein Tun reagieren, haben nur wenige Menschen. Diese Frau hat aber das, was sie aus Liebe zu Jesus tat, gern und aus voller Überzeugung getan.
Liebe Jubilarinnen und Jubilare, liebe Gemeinde,
könnten sie sich vorstellen, auch so etwas zu tun? In unserer heutigen Zeit eher unwahrscheinlich. Wenn wir ehrlich sind, geht es uns allen doch wesentlich besser als der Mehrheit der derzeitigen Weltbevölkerung. In unserem Land ist Frieden- Gott sei Lob und Dank.
Die Einkommen sind überwiegend mehr als zufriedenstellend, wir wohnen trotz aller Belastungen noch in einem relativ reichen Land.
Wenn man so als normal denkender Mensch überlegt, könnte man auf den Gedanken kommen, Gott hat uns viel mehr gesegnet, viel mehr Gutes zukommen lassen, als andern Völkern auf der Erde. Sind wir deshalb besser, deshalb dankbarer? Ich denke, nein.
Bestimmt haben aber auch einige uns, die diesen Gottesdienst mitfeiern, schon schwere Schicksalsschläge, die sie nicht selbst zu verantworten hatten, hinnehmen müssen. Sind sie deshalb schlechter als andere Menschen, die das nicht erlebt haben? Nein, keinesfalls.
Gott schreibt mit jedem Menschen eine andere Lebensgeschichte. Jedes Leben verläuft anders, nicht immer plan- und berechenbar. Oft können wir nicht verstehen, warum so viel Schweres zu ertragen ist. Was wir aber wissen dürfen ist das, nichts und niemand kann uns je aus Gottes barmherziger Hand entreißen, selbst der Tod nicht.
Wie zeigen wir Jesus Christus, der für uns alle aus Liebe ans Kreuz gegangen ist, unsere Liebe, unsere Verehrung? Wie können wir Menschen im 21. Jahrhundert leben, damit andere Menschen merken, zu wem wir gehören?
Jesus ist nicht mehr unter uns. Ja, es ist so, wie er in unserer Geschichte sagte. Mich habt ihr nicht immer bei euch. Aber die Menschen, für die er sich einsetzte, die gibt es auch heute noch mehr als genug.
Lahme und Krüppel, Obdachlose und Kranke, Einsame und Hungernde, Flüchtlinge und Menschen, ohne Hilfe, ohne Hoffnung. Notleidende jeglicher Art.
Die Frau im Evangelium konnte gar nicht anders, als das Beste und Teuerste was sie hatte, Jesus zu schenken, ihn zu salben. Ohne Berechnung, aus reiner Verehrung und Liebe.
Sie wird für sich erkannt haben, wenn ich Jesus habe, habe ich das Beste und Wertvollste, was es im Leben zu besitzen gibt. Ihn zu kennen, ihn zu lieben von ganzem Herzen und ihm nachfolgen, was brauche ich anderes?
Er war für sie bereits der Weg, die Wahrheit und das Leben. Ihr ganzes Vertrauen hat sie ihm vorbehaltlos geschenkt. Ihr Lieben, wäre das auch für uns heute, an diesem besonderen Tag des Dankes, eine Option?
Denn alles was wir sind und haben ist uns von Gott geschenkt worden. Unsere Gesundheit, unsere Begabungen, unsere Lebenszeit. Die herrliche Natur in der wir leben dürfen. Alles gratis, Gottes Geschenk an uns, seine geliebten Kinder.
Wenn man das nicht nur mit dem Kopf erkennt sondern auch mit dem Herzen, dann kann man auch schon einmal gerne ein Geschenk über den üblichen Rahmen hinaus machen .Auch dann, wenn andere Menschen, sollten sie es denn mitbekommen, das für töricht und unverständlich halten.
Liebe Gemeinde, wie sieht das bei uns aus mit der Verehrung und Liebe zu Jesus? Gerade jetzt in der Passionszeit bedenken wir doch, dass er für all unser Versagen, unsere Schuld und unser Unvermögen ans Kreuz gegangen ist, damit der Weg zu Gott frei ist.
Nehmen wir das an, dass unsere Schuld bereits am Kreuz von Golgatha vollständig bezahlt wurde? Was brauchen wir nötiger? Um im Bild zu bleiben, Jesus hat uns doch weit mehr geliebt, als das man das mit diesem teuren Öl bezahlen könnte.
Wenn uns wirklich einmal aufgeht, was uns Gott durch Jesus geschenkt hat, wenn er unser ganzes Vertrauen hat, dann können auch wir einmal von unserem Reichtum mehr abgeben, wie sonst üblich.
Aber es geht nicht nur um Geld. Wir können auch Zeit und Zuwendung schenken, für Menschen, die so unter Druck sind, dass sie alleine kaum mehr zurechtkommen.
Wenn man mit offenen Augen, mit wachem Verstand und einem liebevollen Herzen aufmerksam durchs Leben geht, sage mir niemand, ich habe keine Not gesehen. Das kann man nur sagen, wenn man seine Augen und sein Herz vor all dem Unglück und Elend was geschieht, verschließt.
Gerne zu helfen, egal um was es geht, macht auch den Helfenden froh und dankbar. Wenn wir als Christen das nicht tun, wer soll es denn dann tun? Wir nennen uns Christen, glaubwürdig ist das aber nur, wenn gelebte Nächstenliebe kein Fremdwort für uns ist.
Ja, liebe Gemeinde, wir können heute kein teures Salböl mehr auf Jesu Haupt gießen, er ist ja nicht mehr leibhaftig unter uns. Aber dieses Öl, um nochmal im Bild zu bleiben, können wir all den Menschen über das Haupt gießen, die an Leib und Seele hungern und dürsten.
Was Mutter Theresa mit ihren Mitschwestern seinerzeit zum Beispiel in Kalkutta unter den Ärmsten der Armen geleistet hat, ist kaum zu fassen. Was hatte diese kleine körperlich schwache Frau doch für innere Kräfte und für leuchtende Augen. Ihr Leben war pure Hingabe für Jesus. Sie und ihre Mitschwestern lebten nach Jesu Wort: Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Geschwistern, das habt ihr mir getan.
Nicht alle Menschen können Mutter Theresa nachahmen, nicht alle können alles Geld was sie haben, spenden, oder sehr teure Geschenke für arme Menschen machen. Was wir aber alle können ist, egal wie jung oder alt wir sind, unser ganzes Vertrauen auf Jesus Christus zu setzen und seine Liebe zu leben.
Ich bin davon überzeugt, dass wir dann staunen werden, zu welchen Taten auch wir dann gerne bereit sind.
Liebe Gemeinde,
lasst uns von Gottes gutem Heiligen Geist geleitet, die Liebe, mit der uns Jesus geliebt hat und immer noch liebt, von Herzen weitergeben. Wir werden dadurch nicht ärmer, sondern reicher.
Denn nichts braucht unsere gottvergessene Welt dringender und nötiger als gelebte Nächstenliebe im Namen Jesu.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.
Predigt über 1. Petrus 1, 18-21 Sonntag Okuli 3.3.2024
Herr, dein Wort, die edle Gabe, diesen Schatz erhalte mir, denn ich zieh es aller Habe und dem größten Reichtum für. Wenn dein Wort nicht mehr soll gelten, worauf soll der Glaube ruhn, mir ist nicht um tausend Welten, aber um dein Wort zu tun. Amen.
Liebe Gemeinde,
was nichts kostet, ist nichts wert. So ist oft die allgemeine Meinung. Denn wer hat denn heutzutage noch etwas zu verschenken? Wenn wir etwas angeboten bekommen, was kostenlos ist, wo wir keine Gegenleistung zu bringen haben, kann da nicht viel los mit sein. Deswegen nimmt man lieber einen wenigstens kleinen Preis, um die Sache attraktiver und wertvoller zu machen.
Jetzt in der Passionszeit denken wir als Christen daran, dass Jesus unsere gesamte Schuld, unser ganzes Versagen mit ans Kreuz genommen hat. Durch die Vergebung hat Jesus uns den Weg zu Gott unserem Vater freigemacht.
Das kostet uns auch nichts. Es ist aber deswegen nicht wertlos, sondern das kostbarste Geschenk was uns Menschen je gemacht wurde und noch immer gemacht wird. Wir brauchen dieses großartige Angebot nur zu akzeptieren.
Jesus hat die Übernahme unserer Schuld, unserer Versäumnisse und Fehler nicht nur etwas, sondern sein Leben gekostet. So wertgeachtet sind wir bei ihm.
Hören sie den Predigttext für heute aus 1. Petrus 1, die Verse 18-21:
Ihr wisst, um welchen Preis ihr freigekauft worden seid, damit ihr nun nicht mehr ein so sinn- und nutzloses Leben führen müsst, wie ihr es von euren Vorfahren übernommen habt.
Nicht mit Silber oder Gold seid ihr freigekauft worden –sie verlieren ihren Wert- sondern mit dem kostbaren Blut eines reinen und fehlerlosen Opferlammes, dem Blut Christi.
Ihn hatte Gott schon zum Retter bestimmt, bevor er die Welt schuf. Jetzt aber, am Ende der Zeit, ist er euretwegen in die Welt gekommen.
Durch ihn habt ihr zum Glauben gefunden an den, der ihn vom Tod erweckt und ihm göttliche Herrlichkeit gegeben hat. Und nun setzt ihr euer ganzes Vertrauen und eure ganze Hoffnung auf Gott.
Liebe Gemeinde,
am heutigen Sonntag Okuli geht es ganz speziell um die entschiedene Nachfolge. Ich erwähnte es bereits eingangs. Besonders im heutigen Evangeliums-Text, den wir gehört haben, können Rücksichtnahme auf Bindungen, die uns an die Vergangenheit fesseln, eine ehrliche Nachfolge in Frage stellen. Einzig und allein der Ruf in die Nachfolge Jesu ohne Wenn und Aber wird von uns gefordert.
Da frage ich mich, und sie bestimmt auch ernsthaft, können wir das überhaupt leisten? Wollen wir so einen radikalen Schnitt in unserem Leben?
Jesus hat seine ersten Jünger auch von jetzt auf gleich berufen, ihm zu folgen. Da heißt es von den einfachen Fischern: Da ließen sie ihre Netzte liegen und folgten Jesus.
Diese Fischer hatten doch auch Familien, waren eingebunden in ihrem Beruf. Aber sie folgten Jesus. Warum wird gerade in der Passionszeit, in der Jesu Leiden und Sterben mehr als sonst im Kirchenjahr bedacht wird, die Nachfolge so in den Mittelpunkt gestellt?
Vielleicht deswegen, weil es für Jesus total schwer war, dem Willen seines himmlischen Vaters zu entsprechen um für unsere Schuld am Kreuz zu sterben. Er, Jesus, hat wirklich alles für dich und mich gegeben und genau deswegen sollen auch wir ohne Wenn und Aber ihm nachfolgen.
Hätte es Gott nicht einfacher haben können? Viele Menschen, auch gebildete Theologen sagen heutzutage, das Kreuz Jesu ist für uns moderne Menschen nicht mehr so wichtig, wie noch für unsere Vorfahren. Das muss man ganz anders sehen und verstehen. Ich erinnere mich, vor einigen Jahren, haben sich da zwei Superintendenten gestritten, was Jesu Tod für uns heute bedeutet. Das war in einer kirchlichen Zeitung, die ich beziehe, zu lesen.
Einer meinte, so wie wir es lehren, wie die Bibel es sagt, ist es richtig. Der Andere meinte, wir müssen es umdeuten, die Menschen können das nicht mehr verstehen.
Ja, liebe Gemeinde, dann müssten wir die gesamte Bibel umschreiben. Ich frage mich, ist das unsere Aufgabe? In unserem Predigttext heißt es doch: Ihn, also Gott, hatte Jesus schon, bevor er die Welt schuf, zum Retter bestimmt. Also, das was einst auf Golgatha geschehen ist, war schon immer in Gottes Heilsplan für uns Menschen bestimmt.
Ich persönlich kann es auch nur so sehen und verstehen, total neue und anderslautende Erkenntnisse über Jesu Sühne Tod lehne ich ab. Wir können doch nicht in eigenem Ermessen je nach Stimmungslage Gottes Wort umdeuten. Das ist nicht unsere Aufgabe; mehr noch, wir würden uns schuldig machen.
Vielleicht wollen es moderne Theologen auch deswegen umdeuten, weil wir Menschen angeblich nicht erlöst werden müssen. Und wenn doch, dann natürlich aus eigener Kraft. Aber das geht nicht, nur ein Münchhausen konnte sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen.
In einem christlichen Lied heißt es: Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid, damit will ich vor Gott besteh‘n, wenn ich zum Himmel werd‘ eingehn.
Diese Liedstrophe nimmt genau die Mitte unseres heutigen Predigttextes auf. Ich habe es schon öfter in Predigten gesagt, in unseren Tagen, wo die landeskirchlichen Gemeinden, zu denen auch wir uns zählen, immer kleiner werden, hört man kaum noch etwas von Jesu Erlösungswerk für uns Menschen.
Gott den Herrn, ja den gibt es noch, ja, aber Jesus, das ist doch den meisten Zeitgenossen zu fromm.
Dabei heißt es im Johannes Evangelium von Jesus: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater, denn durch mich. Das heißt, ohne Jesus Christus haben wir keinen Zugang zu Gott. Wir brauchen ihn! Auch heute, im 21. Jahrhundert! Nur das Vergessen viele Zeitgenossen.
Jesus ist praktisch die Brücke zu Gott. Und wenn die fehlt, habe ich keinen Zugang. So einfach ist das. Es hat wenig Sinn, dass wir uns unseren Glauben so hinbiegen, dass es für uns passt. Dann geht der Schuss nach hinten los.
Heute heißt es doch immer so schön: Wir brauchen Planungssicherheit. Die, liebe Gemeinde, bietet uns Gottes Wort an. Wir müssen nur davon Gebrauch machen.
An Weihnachten feiern wir die Geburt Jesu in unserer Welt. Das scheint einfacher zu sein, weil, ein kleines Kind strahlt so viel Freude und Glück aus, das können auch heute noch viele Menschen annehmen.
Aber Jesu Leiden und gar sein Tod ist für sehr viele Menschen keine Option. Was soll das? Haben wir nicht gerade in unserer Zeit genug Leid und Elend auf der Welt? Müssen wir uns jetzt noch mit Leid und Tod des Gottessohnes befassen?
Liebe Gemeinde,
ich denke, Jesus nachzufolgen, jemanden der genau wie wir leiden und Schmerzen aushalten musste ist einfacher, als wenn Jesus im goldenen Schloss mit allen Annehmlichkeiten, die ein solchen Leben bietet, gelebt hätte.
Gerade die Ärmsten und Elenden zählten zu seinen Lieblingen. Niemand wurde übersehen. Und das ist auch bis heute so. Jesus, obwohl Gottes Sohn, geht den niedrigsten, den untersten Weg, damit er auch dich und mich nicht übersieht.
Einfach ist ihm das alles nicht gefallen, er wollte aber den Willen seines Vaters erfüllen. Er wusste, Gott hat ihn dafür bestimmt, die gesamte Schuld der Menschheit auf sich zu nehmen, damit wir vor Gott bestehen können.
Mehrmals hat er am Tage vor seiner Kreuzigung im Garten Getsemani zu seinem himmlischen Vater gebetet. Ist es möglich, sagte er, so lass diesen bitteren Kelch an mir vorüber gehen. Aber nicht mein, sondern dein Wille geschehe.
Gott hätte es bestimmt anders lösen können, aber er hatte den Plan für seinen Sohn so gefasst. Ich bin ehrlich, es ist schwer zu verstehen.
Aber wer sieht sich in der Lage, Gottes Wege und sein Handeln immer zu verstehen. Gott ist souverän, er braucht sein Handeln mit uns Menschen nicht vorher abzustimmen.
Gott hat seinem Sohn das Leiden und Sterben nicht erspart; aber er hat ihn nicht im Tod gelassen. Er hat ihn auferweckt zu Neuem, ewigen Leben. Ja, Jesus hat uns teuer erkauft. Aus Liebe zu uns Menschen und im Gehorsam gegenüber seinem himmlischen Vater.
Wir brauchen dieses Geschenk, dass auch wir einmal vom Tod zum Leben kommen werden, nur im Glauben anzunehmen.
Und sind wir ehrlich, wie sollten wir je diese Befreiung, diese Erlösung bezahlen? Soviel Gold und Silber haben wir gar nicht, als dass wir das bezahlen könnten.
Das können wir aber, in aller Freude und Ernsthaftigkeit Jesus nachfolgen. Jede und Jeder mit den Gaben, die uns Gott geschenkt hat.
Und bedenken wir immer, Nachfolge ist kein Spaziergang. Es ist aber ein Weg, den wir nie alleine gehen müssen. Und wenn es einmal schwer werden wird, wenn uns Lasten drücken dann wollen wir daran denken, dass auch Jesus sein Kreuz gedrückt hat.
Aber es war und ist nicht das Ende. Darum, liebe Gemeinde, lasst uns auf dem Weg der Nachfolge Jesu bleiben, heute, morgen und alle Tage unseres Lebens.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.
Predigt über Amos 5, 21-24
Sonntag Estomihi 2024 Breitscheid und Steeg
Stille ist Kraft, drum mache mich still, meinen Willen in deinen hüll. Sorgen und Unrast bringe zur Ruh, Herr, mache mich still, und rede du. Amen.
Liebe Gemeinde,
heute ist der Fastnachtssonntag. In den Wochenendveranstaltungen bis einschließlich übermorgen haben Jubel, Trubel, Heiterkeit Hochkonjunktur. Der für heute vorgesehene Predigttext ist eher eine ernste Mahnung in Bezug auf unser vermeintlich christliches Leben. Zu dem allgemein bekannten Fastnachtssong: Wir kommen alle, alle in den Himmel, weil wir so brav sind, passt der heutige Predigttext absolut nicht.
Der Prophet Amos, aus dessen Buch der heutige Predigttext ist, wird als ernster Mahner seiner Zeit bezeichnet. Er war ein sozial kritischer Prophet und stammte aus dem Südreich Juda. Im 8. Jahrhundert vor Christus wirkte er aber im Nordreich Israel.
Meistens waren seine Predigten gegen Verschwendung, Betrug, Heuchelei, Bestechung, Ungerechtigkeit und Unterdrückung gegen die Armen gerichtet. Alles sehr negative Begriffe, die uns vermeintlich modernen Menschen leider auch nicht unbekannt sind.
Die wenigen Verse aus dem 5. Kapitel seines Buches, die heute die Grundlage für die Predigt bilden, sind überschrieben mit den Worten: Gottesdienst ersetzt nicht gerechtes Handeln.
Hier heißt es in den Versen 21-24:
Der Herr sagt: Ich hasse eure Feste und kann eure Feiern nicht ausstehen. Eure Brandopfer und Speiseopfer sind mir zuwider; das gemästete Vieh, das ihr für das Opfermahl schlachtet, kann ich nicht mehr sehen.
Hört auf mit dem Geplärr eurer Lieder! Euer Harfen Geklimper ist mir lästig. Sorgt lieber dafür, dass jeder zu seinem Recht kommt. Recht und Gerechtigkeit sollen das Land erfüllen wie ein Strom, der nie austrocknet.
Liebe Gemeinde,
das sind harte Worte, und auch wir heute, müssen uns daran messen lassen.
Seinerzeit im alten Israel war es üblich, Gott mit Dankopfern, also geschlachtetem Vieh, zu danken. Nach dem Gottesdienst wurde das Fleisch dann von den Gottesdienstbesuchern gegessen. Es wurde ein richtiges Fest daraus gemacht.
Kein Problem. Denn viele Menschen waren damals im Nordreich Israel keine armen Leute. Wer viel opferte, war im Volk angesehen. Man zeigte also, was man hatte.
Das prangert der Prophet Amos im Namen Gottes an. Viel angeben, viel Aufwand und Aufsehen im Gottesdienst, würden wir heute sagen, aber im Grunde absolut keine innere Einstellung dazu. Die schönsten und besten Tiere opfern, damit jeder sehen kann, was man hat, wie gut es einem geht, aber das Recht der Armen mit Füßen treten.
Das passt absolut nicht zusammen, auch heute nicht. Nie, liebe Gemeinde, sind die Kollekten und Spenden so hoch wie an Weihnachten. Dann greift man einmal tiefer ins Portmanie als sonst im Jahr. Aber wie gehen wir das ganze Jahr über mit den Problemen um, die arme und entrechtete Menschen haben? Hier kann sich niemand freisprechen, ich auch nicht.
Der Prophet Amos sagt: Wenn ihr noch so schöne Gottesdienste feiert, wenn aber euer Herz nicht dabei ist, wenn ihr nur einen Kult betreibt, dann ist alles sinn- und zwecklos. Dann lasst es besser ganz sein.
Wir haben eben in der ersten Lesung aus dem hohen Lied der Liebe in 1. Korinther 13 gehört:
Wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib brennen und hätte keine Liebe, so wäre es mir nichts nütze.
Alles vermeintlich fromme Getue, wenn keine Liebe zu Gott und den Mitmenschen dabei ist, ist absolut umsonst. Den Menschen können wir etwas vorgaukeln, Gott aber nicht.
Unser Glaubensleben wird in Frage gestellt. Ist das, was wir tun und lassen, gerecht? Oft argumentieren wir: Also ich habe auf die Missstände, die mir bekannt sind, wirklich keinen Einfluss drauf. Dann lasse ich es lieber gleich ganz sein. Was soll ich da bewirken?
Oder man argumentiert: Ich mische mich nicht in fremde Angelegenheiten ein. Das geht mich wirklich nichts an. Und wir denken dann, wir sind fein raus.
Gott möchte aber, dass wir Verantwortung für Andere übernehmen. Für die Menschen, die sich nicht selbst wehren oder sich selbst vorstehen können. Auch dann, wenn es nicht einfach ist. Natürlich, eines steht fest, wir können nicht die ganze Welt retten. Aber das ist auch nicht unser Auftrag.
Wir alle kennen das Sprichwort: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Will heißen, wenn wir wirklich von Herzen helfen möchten, findet sich auch eine Möglichkeit dazu. Um Not zu lindern, um für Gerechtigkeit und Recht einzutreten, wie es der Prophet im Namen Gottes anmahnt, muss man nicht studiert haben.
Man braucht nur seinen normalen Menschenverstand anzuwenden um festzustellen, was zu tun ist. Ich möchte ein paar kleine Beispiele anführen.
Wenn man im Sommer am Wochenende grillt und neben zwei Steaks auch noch eine Bratwurst verdrückt, und dazu noch einige Flaschen Bier, dem Nachbarn aber, der kaum das nötigste hat, einen schönen Sonntag wünscht, ist das nicht in Ordnung. Warum biete ich ihm nicht auch ein Steak und eine Flasche Bier an und lade ihn kurz zu mir ein?
Oder, Kleidung haben die meisten Menschen in unseren Breiten mehr als genug. Warum immer so schnell alles entsorgen. Kennen wir wirklich Niemanden, der sich über ein gut erhaltenes Kleidungsstück freuen würde?
Müssen wir, das sind zwar nicht die meisten Menschen, aber es gibt sie, mehrere Hunderttausend Euro anhäufen? Was davon nehmen wir am Ende unserer Tage davon mit? Nichts.
Gewiss. Man sollte Vorsorge treffen, auch finanziell, wenn einem das möglich ist, das mache ich auch. Aber wie bei Allem, man kann es auch übertreiben.
Durch die vielfältigen Medien die uns heutzutage zur Verfügung stehen, ist uns die grenzenlose Armut und Ungerechtigkeit von Millionen von Menschen auf unserer Erde nicht unbekannt.
Wie kann ich einem hungernden Kind in die Augen sehen, wenn ich gerade wieder Lebensmittel, die noch gut waren, weggeworfen habe.
Dann, liebe Gemeinde, sind Gott unsere Gottesdienste keine Freude, sondern er kann sie nicht mehr riechen, wie es in der Lutherbibel heißt. Wenn wir unseren Glauben nicht authentisch leben, dann lassen wir es besser gleich ganz sein.
Alles äußerliche Gehabe braucht Gott nicht. Er lehnt dieses scheinheilige Getue total ab.
Bei dem heutigen Predigttext fühle ich mich ganz persönlich angesprochen, ja in Frage gestellt. Wie einige unter ihnen bestimmt wissen, bin ich aktiv im Oberdiebacher Posaunenchor und im Männergesangverein. Gerade im Posaunenchor wirken wir relativ oft in Gottesdiensten mit. Auch der MGV singt einige Male im Jahr im Gottesdienst.
Und dann heißt es in unserem Text: Tue weg von mir das Geplärr deiner Lieder, denn ich mag dein Psalter Spiel nicht hören! Heißt das nun, wir sollen künftig die Gottesdienste nicht mehr musikalisch mitgestalten?
Dabei hieß es früher oft: Die Posaunenchöre sind Mitarbeiter an Psalm 150. Der ist nämlich überschrieben mit den Worten: Alles, was Odem hat, lobe den Herrn!
Liebe Gemeinde, natürlich sollen wir alle Gott loben, ihm die Ehre geben, ihm danken. Und zwar mit den Gaben, die uns zur Verfügung stehen. Nur eines steht fest, ich kann nicht singen oder im Posaunenchor spielen: Großer Gott wir loben dich, und an der Not und dem Elend der Menschen vorbei gehen. Da ist es egal, ob ich meinem Nachbarn durch Einkaufen helfe, ihn zum Arzt fahre, oder für die grenzenlose weltweite Not Geld spende.
Es muss halt alles zusammenpassen. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass Gott uns alle so viel Verstand und Einfühlungsvermögen gegeben hat, dass wir schon wissen, ob wir gerecht und authentisch handeln.
Natürlich sind wir alle nicht fehlerfrei. Wir sind Menschen mit Ecken und Kanten, niemand kann sich damit brüsten, dass er fehlerfrei lebt. Aber deswegen die Hände in den Schoß legen und sich an nichts beteiligen, nur um keine Fehler zu machen, ist auch nicht christlich.
Es stimmt, man muss nicht bei Dingen mitmachen, die das menschliche Elend noch unerträglicher machen. Das gilt es halt bei manchen Aktionen zu überdenken.
Solange wir aber noch einen klaren Verstand haben, können wir, wenn sonst gar nichts mehr geht, in der Fürbitte für viele Menschen vor Gott eintreten. Das Gebet, liebe Gemeinde, hat eine große Kraft wenn es ernstlich gemeint ist.
Der alte Text des Propheten Amos ist, wenn wir ehrlich sind, auch heute noch brandaktuell. Wir überdenken dadurch unseren eigenen Glauben und wie wir ihn praktizieren. Wenn es notwendig ist, können wir ihn mit Gottes Hilfe neu leben. Wir können für Recht und Gerechtigkeit der Menschen eintreten und Gott die Ehre geben. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Predigt für Sonntag Letzter So. nach Epiphanias
So, 28.01.24, 9:45 Uhr Nh, 10:45 Hn
Predigttext: 2. Kor4, 6-10
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Gemeinde: Amen
Liebe Gemeinde,
eigentlich ist es noch gar nicht so lange her, aber gefühlt schon wieder weit weg. Kürzlich wurde der Weihnachtsbaum von der Freiwilligen Feuerwehr abgeholt. Manche haben ihn länger stehen lassen, dafür nadelt er umso mehr. Der Weihnachtsschmuck ist längst in Kisten im Keller verstaut, sorgfältig verpackt, damit sein Glanz und Zauber beim nächsten Fest frisch erstrahlt.
Hier und da hat sich noch ein Lichtlein erhalten, vielleicht ein Herrnhuter Stern, der uns noch ein wenig leuchten soll.
Die innere Uhr richtet sich neu aus. Die meisten freuen sich darüber, dass die Tage spürbar länger werden, der Wunsch nach Frühling, zwitschern und trällern der Vögel und nach frischem Grün wird täglich stärker.
Das Kirchenjahr schließt mit dem heutigen Sonntag den Weihnachts-Festkreis. Vom 1. Advent bis zum heutigen letzten Sonntag nach Epiphanias hat uns der weihnachtliche Festkreis erinnert und die Faszination, dass Gott Mensch wurde, erlebbar werden lassen.
Hoffentlich schauen ganz viele von uns glücklich und dankbar zurück, wissend: Es sind wieder Worte gesagt und gehört worden, die unbedingt zum Leben gehören, aber im Alltag oft untergehen; es wurde Gemeinschaft möglich und geschenkt, die wir herbeisehnen, aber oftmals nur über Weihnachten hinkriegen.
Zu einem Abschluss gehört immer auch ein Ausblick.
Was liegt vor uns? Hat das hinter uns Liegende auf das Neue vorbereitet? Was haben wir etwas bekommen oder gelernt, um das Kommende zu bewältigen?
Der heutige Predigttext will eine Brücke schlagen. Erinnern und versichern, aber auch realistisch unsere Welt, uns und unsere Möglichkeiten in den Blick nehmen.
Im Kirchenjahr folgt auf den Weihnachtskreis die Passionszeit, also die Zeit, in der wir das Leiden Jesu erinnern und nach der Bedeutung für uns fragen. Karfreitag und Ostersonntag werden die Höhepunkte sein, wie das Weihnachtsfest im Zeitraum vom 1. Advent bis zum heutigen letzten Sonntag nach Epiphanias.
Es ist auch mit Blick auf das eigene Leben eine realistische und hilfreiche Anordnung des Kirchenjahres.
Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Freud und Leid, Anfang und Ende und Neubeginn? Was stärkt uns, damit wir auch Schweres ertragen, verändern, grundsätzlich akzeptieren können.
Der heutige Predigttext ist
2. Kor4, 6-10: (Luther 17) Apostel Paulus schreibt:
8 Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht.
9 Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um.
10 Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, auf dass auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.
Liebe Gemeinde,
den Eingangsvers möchte ich noch einmal wiederholen.
Gott sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass die Erleuchtung entstünde zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.
Wenn ich ein Deutschlehrer wäre und ein Schüler ein solches Sprachungetüm in einem Aufsatz geschrieben hätte, dann wäre ich entweder entsetzt oder begeistert. Auf jeden Fall würde ich raten, versuch einmal mehrere Sätze daraus zu machen. Also lieber Paulus, was hältst du davon: „Gott hat die Dunkelheit im All und überall mit Licht erhellt. Dieser schöpferische Gott hat auch unsere Dunkelheit, unser Unwissen, wer er*sie ist, verwandelt und unseren Verstand hell und wissend gemacht. Wie eine Erleuchtung ist es für uns, dass wir Gott erkennen in und durch Jesus Christus.“
Meine Formulierung hilft hoffentlich zu verstehen. Paulus versteht es, diesen unglaublichen Vorgang dessen, was man Gotteserkenntnis nennen kann, feierlich und sprachlich anspruchsvoll zu beschreiben.
Alle, die zu Weihnachten oder wann auch immer staunend und ihr Leben verändernd, von Gottes Liebe als Lebensinhalt und -kraft angesprochen worden sind, haben etwas so Großartiges erfahren, was Paulus auf eine Stufe damit hebt, dass der*die Ewige aus Nichts die Erde ins Leben gerufen hat - Schöpfung. Und damit, dass Auferstehung von den Toten verheißen wird und geschehen soll - Neuschöpfung.
Dein und mein Glaube ist eine Schöpfung buchstäblich aus dem Nichts. Ein so wunderbares Werk, dass es nur göttlichen Ursprungs sein kann. Niemand kann es sich mit eigenem Vorsatz und Willen kreieren, kein Mensch kann es in einem anderen Menschen erzeugen.
Die Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in Jesu Angesicht, ist ein Geschenk Gottes an uns. Man kann es nicht hoch genug einschätzen.
Was wir zu Weihnachten versuchen, ist immerhin eine beachtenswerte Antwort. Dass Weihnachten bei uns der wichtigste Festkreis ist, ist eine Feier des Glücks, das Gott uns schenkt: Wir dürfen ihn*sie erkennen und staunen, dass wir Liebe, reine Liebe als großes und selbstverständliches Geschenk erhalten. Von Gott so persönlich, wie es direkter nicht geht! Ein Lebensschatz. So reich an Freude, Sinn, Trost, Hoffnung und Perspektive, dass es einem fast die Sprache verschlagen kann oder eben umgekehrt zu sprachlichen Höhenflügen führt, wie bei Paulus vernommen.
Manchmal trauen wir uns ja nicht so richtig zu sagen, ich glaube. Es gibt viele - manchmal auch gute - Gründe dafür. Vielleicht hilft es uns, wenn wir verstehen lernen, der eigene Glaube ist gar kein eigenes Werk, sondern von Gott durch Jesus Christus geschenkt. Wann immer dieser Glaube in uns geweckt wird/wurde, ist etwas weihnachtlicher Glanz in unser Leben gekommen. Ist es lichter, heller in uns geworden. Jeder Herrnhuter Stern verblasst dagegen und kann doch trotzdem so formvollendet bezeugen, was schwer in Worte zu fassen ist.
Diese wunderbare Gabe des Vertrauens zu Gott, diesen Schatz, haben wir in sehr zerbrechlichen Körpern.
Wir werden keine unverletzliche Superhelden, keine Typen, die über allem stehen oder nicht um das Schwere im Leben wissen.
Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen
sagt Paulus.
Irdenes Gefäß – ein Wort, das ich früher schwerer verstanden habe. Ich fühlte mich so stark und unverletzbar und voller Zukunft.
Die Lebensjahrzehnte bringen es mit sich, dass die Einsicht wächst, wie vergänglich alles Irdische und eben auch der eigene Körper ist.
Aber: Mit nachlassenden körperlichen Fähigkeiten lässt ja nicht proportional der Glaube an Jesus Christus nach. Manchmal ist es verhältnismäßig eher umgekehrt: Je weniger eigene Möglichkeiten, desto größer das Vertrauen in Gottes Verheißungen. Man sollte das nicht abschätzig bewerten. Der liebe Gott wird’s schon richten und aus seiner*ihrer Perspektive kann ich nur sagen, besser spät als nie!
Mir fällt dazu immer ein kleines Stück ein, das ich als Konfirmand auswendig für meinen damaligen Vorstellungsgottesdienst lernen musste – wir hatten noch Prüfung und Vorstellungsgottesdienst.
„Einstmals war ich jung und kräftig und bekannt ob meinem Stolze
Doch ein Unfall traf mich mächtig, heute schlepp ich mich am Holze
Früher hätt ich schön gespottet, hätt man mich so angerufen
Heute komm ich angetrottet, krieche mühsam über Stufen
Wer wie ich die Zeit gefunden, seinem Schicksal nachzudenken
Wird von Eitelkeit gesunden, lernt sein Haupt in Demut senken.“
Es war unser Stück zur Einladung zum großen (Abend-)Mahl, Lk14, 15ff
Der Schatz des Glaubens, der Erkenntnis durch Jesus Christus, wie besonders und großartig und voller Liebe Gott ist.
Sprich: Es ist nicht unser Werk. Und was bei uns vielleicht Gutes und von anderen als außerordentlich bewertet wird, ist ebenfalls nur indirekt eigene Kraft. Wir wissen, es kommt von Gott. Als Begabung, als Gabe und Aufgabe und Auftrag.
Und dann gibt es noch die andere Seite, die Paulus auch erwähnt.
Es ist für mich und viele Christinnen und Christen sofort nachvollziehbar, was Paulus damit meint, wenn er schreibt:
8 Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht.
9 Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um.
Unzählige eigene Lebenssituationen finden Raum in diesen Sätzen, ganz unterschiedliche Erfahrungen passen auf diesen gemeinsamen Nenner. In unserem Kulturkreis erleiden wir keine Verfolgung des christlichen Glaubens wegen, aber wir wissen, dass es Christenverfolgung weltweit gibt, es soll wieder schlimmer geworden sein. Es ist schwer daran zu denken und nicht richtig zu wissen, was man außer Gebet machen kann. Bedrängnisse kennen wir alle ganz persönliche; dass uns auch bange ist, wer wollte das leugnen, wenn wir daran denken, welche Veränderungen wir als Kirche und Kirchengemeinde gegenwärtig bereits bewältigen müssen und was noch auf uns zukommt, wenn immer mehr Menschen sich von der Kirche und vom christlichen Glauben abwenden.
Dass Paulus ausdrücklich Worte dafür findet und nicht alles in weltverleugnender Weise übergeht, ist wohltuend. Dass in uns der Glauben geweckt wurde, macht uns nicht blind, gleichgültig, in allem erhaben gegenüber der Welt und ihren Spielregeln.
Vielmehr leiden wir an vielen Dingen und Entwicklungen. Niemand muss sich dafür schämen. Und: Dieses gespürte Leid ist keineswegs ein Zeichen schwachen Glaubens. Im Glauben zeigt uns Paulus einen Weg auf, wie wir damit umgehen können. Wir haben sozusagen ein Standbein bei Gott, eine Basis, die uns standfest bleiben lässt. Eine Kraft, die uns von außen, von Gott selber geschenkt wird, wenn wir sie brauchen.
Ich denke immer an das Glaubenszeugnis von Dietrich Bonhoeffer, in unserem EG Nr. 813, in dem er es so formuliert: “Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber der gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen.“
Eine großartige Quelle von Lebensgewissheit, auch wenn uns um Hilfe und Trost manchmal wirklich bange ist.
Etwas sehr Aktuelles bedrückt mich.
Die Studie zur Aufklärung von sexualisierter Gewalt im Kontext von Kirche und Diakonie in der EKD scheint erschreckende Ergebnisse zu Tage zu fördern.
In unserem Predigttext hören wir von bedrängten Christinnen und Christen. Aber was passiert, wenn wir selber die Bedränger, die Peiniger sind?
Wir haben den Schatz in irdenen Gefäßen. Das heißt auch, dass wir immer fehlbar und sündhaft sind. Wie geht man damit um, dass offenkundig Glaubensgeschwister schlimmes Unheil verursacht haben?
Buße, Umkehr, Gespräch mit den Opfern und, soweit überhaupt möglich, Wiedergutmachung, aber auch strafrechtliche Relevanz prüfen (lassen), den Staat einbinden, dass die Institution nicht versucht ist, sich selber zu schützen. Und Ich höre auch die nachdenklichen Worte eines Politikers:
"So viel Kritik die Kirchen auch berechtigterweise einstecken müssen, so richtig ist es, dass sie auch mit den schmerzlichen Erfahrungen der Aufarbeitung Vorreiter gegenüber anderen gesellschaftlichen Bereichen sind" (Lars Castellucci, epd). Und diese andern Bereiche sind im Grunde sehr viele, Sport, Bildungseinrichtungen, Heime… Es ist erschreckend. Und: Wer von Gott zum Glauben befreit worden ist, der und die wird sicher die Verantwortung spüren, Licht in dieses schuldhafte Versagen bringen zu wollen.
So wie wir gestern, am 27. Januar, den Tag der Befreiung von Auschwitz, dieser unglaublichen Schuld erinnert haben, um Verantwortung zumindest bruchstückweise anzunehmen, wo man im Grunde sprachlos ist, aber sicher weiß: Antisemitismus darf es nicht mehr geben und ungestraft bleiben.
Wir leben in irdenen Gefäßen, zerbrechlich, verletzbar – jeder Mensch.
Das Licht Gottes will in und durch uns leuchten. Wo und wann immer wir uns einsetzen, dass etwas besser werde, werden wir auf Widerstände stoßen, vielleicht bedrängt werden. Trotzdem nicht verzagen und das Richtige tun.
Paulus schließt unseren Predigttext mit einem interessanten Gedanken.
Wir selber tragen das Sterben Jesu an unserem Leib. Da geschieht ein Sterben, wenn Glaube wach wird. Was uns von Gott trennt, soll sterben; was uns zugemutet wird, weil wir Gottes Willen ernst nehmen und entsprechend handeln, kann manchmal wie sterben sein.
Aber: Neues Leben wird ebenfalls dadurch. Sei es, dass durch uns etwas zum Besseren gewendet wird oder wir spüren, im Glauben erfahren wir ganz neue, Gott gewirkte Lebensqualität.
Vor uns liegt die Zeit, in der wir Jesu Leiden erinnern, Passionszeit.
Hat uns der Glanz von Weihnachten so erfüllen können, dass wir gestärkt diesen Aspekt im Leben annehmen können?
Der in uns von Gott geschaffene Glaube wird nicht an der Welt vorbei direkt ins Paradies führen, so seicht ist es nicht.
Wir dürfen uns im Frohen und Schweren mit Jesus verbunden wissen. Wir empfangen im Glauben (s)eine ganz neue Lebensqualität und werden manches auch erleiden, gerade wenn wir in seinem Sinne eigenes Leben gestalten und für andere da sein wollen.
Wir sehnen uns nach Frühling, frischem Grün und tirilierenden Vögeln.
Wir sehnen uns auch nach einer Liebe und Gerechtigkeit, die viel mit Weihnachten zu tun hat. Gott, der*die sich uns in Jesus offenbart hat, schöpft aus dem Nichts ins Leben. Und auch wenn wir manchmal meinen, das schaffe ich nicht, dürfen und sollen wir vertrauen, Gott wird in uns und durch uns Neues schöpfen, wie am Anfang der Schöpfung, wie am Ende der Zeit; Gottes Wort wirkt es, auch wenn die eigene Kraft nicht nur gefühlt zu klein ist. Des Engel Ruf erschallt auch und gerade in der Passionszeit: Fürchte dich nicht!
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Gemeinde: Amen
Lied EG 655, 1-4, Aus der Tiefe rufe ich zu dir
Predigt für Sonntag 3. nach Epiphanias
So, 21.01.24, 9:45 Uhr Bd, 10:45 Sg mit Taufe
Predigttext: 2. Könige 5, 1-19a
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Gemeinde: Amen
Liebe Gemeinde,
mit Gott im Spiel geht alles drunter und drüber…
Altbekannte Regeln werden hinfällig, vertraute Hierarchien verlieren sich und: Krankes wird gesund.
Aber der Reihe nach.
Wenn wir den für heute vorgeschlagenen Predigttext hören, wird es wahrscheinlich etwas verwirrend und nicht sofort zu verstehen sein…
Ich versuche es so, dass ich, während ich den Bibeltext lese, kleine Erläuterungen einflechte. Dadurch wird der Lesefluss verschlechtert, aber (hoffentlich) das erste Verständnis erleichtert.
Für mich ist das ein Versuch, also nichts, was in sich besonders ausgereift wäre. Hilfen zur Verbesserung sind mir willkommen.
2. Könige 5, 1-19a:
5 1 Naaman, der Feldhauptmann des Königs von Aram, war ein trefflicher Mann vor seinem Herrn und wert gehalten; denn durch ihn gab der HERR den Aramäern Sieg. (Aramäer Gegner Israels, trotzdem dieser Hauptmann ein durch Israels Gott, HERR, besonders wertgeschätzter Mann) Und er war ein gewaltiger Mann, jedoch aussätzig. (Gegensatz: siegreicher Feldherr, einer Krankheit hilflos ausgeliefert. Krankheit: kein Aussatz wie Lepra, eher Schuppenflechten, d. h. nicht ansteckend)
2 Aber die Kriegsleute der Aramäer waren ausgezogen und hatten ein junges Mädchen weggeführt aus dem Lande Israel; die war im Dienst der Frau Naamans.
3 Die sprach zu ihrer Herrin: Ach dass mein Herr wäre bei dem Propheten in Samaria! Der könnte ihn von seinem Aussatz befreien.
(Gegensatz: Versklavte Israelitin, Magd der Ehefrau – Naaman, großer, erfolgreicher Mann mit direktem Zugang zu seinem König)
4 Da ging Naaman hinein zu seinem Herrn und sagte es ihm an und sprach: So und so hat das Mädchen aus dem Lande Israel geredet.
5 Der König von Aram sprach: So zieh hin, ich will dem König von Israel einen Brief schreiben. Und er zog hin und nahm mit sich zehn Zentner Silber und sechstausend Schekel Gold und zehn Feierkleider
6 und brachte den Brief dem König von Israel; der lautete: Wenn
dieser Brief zu dir kommt, siehe, so wisse, ich habe meinen Knecht
Naaman zu dir gesandt, damit du ihn von seinem Aussatz befreist.
(Gegensatz bis zur Ironie: Eine aus ihrer Heimat entführte Namenlose bringt Hauptmann und König des verfeindeten Landes dazu, beim König des Gegners zum Bittsteller zu werden, bis hin zu reichen Geschenken)
7 Und als der König von Israel den Brief las, zerriss er seine Kleider und sprach: Bin ich denn Gott, dass ich töten und lebendig machen könnte, dass er zu mir schickt, ich solle den Mann von seinem Aussatz befreien? Merkt und seht, wie er Streit mit mir sucht!
(Der König Israels reagiert verständlich in einer nach normalen Umständen völlig unverständlichen Situation und kann es sich nur so erklären, dass eine List dahintersteckt, um einen Grund zu finden, Krieg zu entfachen oder Abgabelast zu erhöhen, weil er natürlich weiß, dass er nicht heilen kann, da hilft auch seine Königswürde nicht)
8 Als Elisa, der Mann Gottes, hörte, dass der König von Israel seine Kleider zerrissen hatte, sandte er zu ihm und ließ ihm sagen: Warum hast du deine Kleider zerrissen? Lass ihn zu mir kommen, damit er innewerde, dass ein Prophet in Israel ist.
(Israel wie ein Dorf, der Prophet Gottes hört und reagiert sofort. Es ist, als ob die Entführte und Elisa kommunizieren würden, bzw. hört der Leser, wie Gott beide inspiriert)
9 So kam Naaman mit Rossen und Wagen und hielt vor der Tür am Hause Elisas.
10 Da sandte Elisa einen Boten zu ihm und ließ ihm sagen: Geh hin und wasche dich siebenmal im Jordan, so wird dir dein Fleisch wieder heil und du wirst rein werden.
(Eine Unverschämtheit von Elisa. Den hohen Mann aus einem überlegenden Land lässt er zu sich kommen und begrüßt ihn dann nicht persönlich, unvorstellbar nach üblichen Sitten)
11 Da wurde Naaman zornig und zog weg und sprach: Ich meinte, er selbst sollte zu mir herauskommen und hertreten und den Namen des HERRN, seines Gottes, anrufen und seine Hand über der Stelle bewegen und mich so von dem Aussatz befreien.
12 Sind nicht die Flüsse von Damaskus, Abana und Parpar, besser als alle Wasser in Israel, sodass ich mich in ihnen waschen und rein werden könnte? Und er wandte sich und zog weg im Zorn.
(Sehr verständlich, aber auch misslich. Der Leser ahnt sofort, dass Naaman so eine große Chance im eigentlich berechtigten Zorn verspielt)
13 Da machten sich seine Diener an ihn heran, redeten mit ihm und sprachen: Lieber Vater, wenn dir der Prophet etwas Großes geboten hätte, würdest du es nicht tun? Wie viel mehr, wenn er zu dir sagt: Wasche dich, so wirst du rein!
(Man atmet beim Lesen erleichtert auf. Hofft, Naaman möchte auf seine
Diener hören und schon wieder: Der Hochgestellte ist völlig überfordert.
Die eigentlich unter ihm Stehenden werden die Helden der Situation)
14 Da stieg er ab und tauchte unter im Jordan siebenmal, wie der Mann Gottes geboten hatte. Und sein Fleisch wurde wieder heil wie das Fleisch eines jungen Knaben, und er wurde rein.
15 Und er kehrte zurück zu dem Mann Gottes samt seinem ganzen Gefolge. Und als er hinkam, trat er vor ihn und sprach: Siehe, nun weiß ich, dass kein Gott ist in allen Landen außer in Israel; so nimm nun eine Segensgabe von deinem Knecht.
(Der Zorn und der Hochmut sind wie die Krankheit im Fluss weggewaschen, Elisa empfängt ihn nun persönlich und aus einem Kriegsfeind Israels ist ein zum Gott Israels Bekehrter geworden)
16 Elisa aber sprach: So wahr der HERR lebt, vor dem ich stehe: Ich nehme es nicht. Und er nötigte ihn, dass er es nehme; aber er wollte nicht.
17 Da sprach Naaman: Wenn nicht, so könnte doch deinem Knecht gegeben werden von dieser Erde eine Last, so viel zwei Maultiere tragen! Denn dein Knecht will nicht mehr andern Göttern Brandopfer und Schlachtopfer darbringen, sondern allein dem HERRN.
(Das muss Naaman lernen, seine Schätze braucht es nicht. Elisa wird nichts nehmen. Was er tut, macht er im Dienst Gottes, nicht um selber reich zu werden)
18 Nur darin wolle der HERR deinem Knecht gnädig sein: Wenn mein Herr in den Tempel Rimmons geht, um dort anzubeten, und er sich auf meinen Arm lehnt und ich auch anbeten muss, wenn er anbetet, im Tempel Rimmons, dann möge der HERR deinem Knecht vergeben.
(Naaman erkennt sein zukünftiges Dilemma. In seiner Heimat wird der Gott Rimmon verehrt, wahrscheinlich ein Wetter- und Sturmgott. Ein menschengemachter Gott, der nicht hilft, wie Naaman vom Gott Israels erfahren hatte. Aber würde es sein König verstehen, dass Naaman jetzt nur noch diesen einen, als wahr erkannten Gott, den Gott Israels, anbeten will? Im Vorfeld bittet er bereits um Vergebung, dass er äußerlich halbherzig bleiben wird. Die Reaktion von Elisa eine großherzige Erklärung, die so ganz anders klingt als es oft überliefert wird, wenn es um die Ausschließlichkeit Gottes geht:)
19 Er sprach zu ihm: Zieh hin mit Frieden!
Was für eine Geschichte als Predigttext.
War es einigermaßen verständlich?
Alle möglichen Grenzen werden überschritten. Und da Gott hinter dieser Bewegung steckt, werden diese Grenzüberschreitungen nicht Chaos, sondern lassen gesund werden.
Epiphanias – wo Gott erscheint müssen die anderen Mächte weichen.
Neues Leben wird möglich.
Sieben Mal getaucht in den Jordan. Wie die Taufe, mit Gottes
Geistgegenwart und dem Vertrauen des(r) Menschen wird es zum Wasser des Lebens.
Mitten in einer feindlichen Auseinandersetzung zwischen zwei Völkern wird eine Insel des Heilwerdens offenbar. Man darf weiterdenken, was aufgrund einer solchen Erfahrung an positiven Ankerpunkten geschaffen wird, die späteren Frieden ermöglichen und zu festigen helfen könnte.
Es gibt kein, die Hohen und Großen müssen es richten, vielmehr wird mit, bei und unter Gott der und die bedeutend, wer Gottes Willen wahrnimmt und weise in den Alltag einzuflechten versteht. Jede*r hat eine wichtige Aufgabe, einen persönlichen Kairos, einen Moment der Bewährung. Ich sehe Gott als Stifter dieser Friedens- und Begegnungsmacht. Und ich erinnere zahllose Erzählungen aus dem 2. Weltkrieg, wo Kriegsgegner zueinander fanden und Keimzellen der Versöhnung wurden. In den 80er Jahren, als die Fremdenfeindlichkeit deutlich zunahm, kam ein Spruch aus dem Ruhrgebiet in mein Bewusstsein, „Mach meinen Kumpel nicht an“. Die als Arbeitskräfte geworbenen Ausländer wurden wie Seelenlose beschimpft, manche Deutsche wollten sie loswerden. „Mach meinen Kumpel nicht an“, so setzten sich die Kumpels, die zusammen schafften und in harter Arbeit wertschätzen lernten, füreinander ein, über alle Grenzen hinweg. Jahrzehnte später, heute, immer neu diese Konflikte. In unsäglicher Sprachverdreckung und Menschenverachtung, wird von „Remigration“ mit entsprechenden Denkmustern geredet. Dieser wüste Umgang geht zwischenstaatlich weiter, Russland diffamiert die Ukraine, Israel wird von einigen Ländern und Terrorgruppen gar das Existenzrecht abgesprochen.
Gott wendet den Krieg nicht ab, lässt nicht Feuer und Asche auf die regnen (çèMt5, 45), die rückwärtsgewandt alte völkische Muster beschwören bis zur Menschenverachtung und zum Krieg. Aber: Gottes Wunder sind in all diesen Auseinandersetzungen und schweren Konflikten da. Überall gibt es heilsame Begegnungen über alle Grenzen hinweg. Vorboten einer neuen Zeit: Kein Unten und Oben, kein Fremder oder Einheimischer, nicht Mann oder Frau – jede*r hat in bestimmten Momenten die Chance sich von Gott leiten zu lassen und so zur Hilfe zu werden, dass etwas/dass jemand gut und gesund werde.
Deswegen: Lassen wir uns immer neu von dem Engel ansprechen der zu den Hirten sagte: Fürchtet euch nicht, denn euch ist heute der Heiland geboren.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Gemeinde: Amen
Lied EG 419, 1-3, Hilf, Herr meines Lebens
Predigt für Sonntag Neujahrsempfang
So, 14.01.24, 10:00 Uhr Bh mit Posaunenchor Oberdiebach
Predigttext: Jahreslosung 1Kor16, 14
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Gemeinde: Amen
Liebe Gemeinde,
es gibt kurze Sätze, knackige Aufforderungen, begeisternde Losungen, die man hört und spontan antwortet, je nach eigenem Temperament laut oder nur in Gedanken:
Super, so machen wir das.
Spitze, so soll es sein.
In unseren christlichen Kreisen kann ein solches Losungswort eigentlich nur eines sein, wen wunderts, das irgendwie mit Liebe zu tun hat. Darauf können sich in der Regel alle verständigen, und so ist die Jahreslosung 2024 nach einigem Hin und Her ausgesucht worden und heißt,
offiziell und nach der Einheitsübersetzung, die für den liturgischen Gebrauch im römisch-katholischen Gottesdiensten in Gebrauch ist und von der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen (ÖAB) für die Jahreslosung zugrunde gelegt wird: (1Kor16, 14)
Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.
Kurz, knackig, begeisternd.
So soll es doch am besten sein:
Alles, was man macht – in Liebe.
Alles, was man lässt – aus Liebe.
Ein Kraftfeld der Liebe entsteht. Himmel auf Erden, göttlich das Sein in Raum und Zeit.
Hauptakteure: Wir Menschen, du und ich und viele, viele andere.
Ein bisschen Himmel auf Erden, wer wollte da nicht mitmachen.
Nicht wenige, und ich nehme mich da selber keineswegs aus, sind oft überzeugt, aus Liebe und aufrichtig gutem Willen etwas zu machen, in Angriff zu nehmen, eine Herzenssache zu verwirklichen.
Aber was passiert, wenn die eigene Herzensangelegenheit auf ganz andere Sichtweisen trifft? Wie schnell verschwimmen die Grenzen zwischen leidenschaftlichen Engagement für dieses oder jenes und der Durchsetzung von eigenen Interessen…
Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.
Was, wenn die eigene Liebe unerkannt und unbeantwortet bleibt?
Rückzug? Aufgabe? War es Liebe? Andererseits: Ist es nicht gerade die Liebe, die Kraft und Leidenschaft weckt, um etwas zu erreichen?
Es klingt so gut Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe
und kann ganz schön kompliziert werden.
Wie war das eigentlich damals in Korinth, welcher Gemeinde, welchen Menschen schrieb Paulus diesen wichtigen Gedanken im Schlussteil seines Briefes? Also an ganz herausgehobener Stelle, wo die besonders wichtigen Punkte kurz angesprochen werden.
In der von ihm um 50 n. Chr. gegründeten Gemeinde war es sicher nicht leicht, ganz sicher nicht so harmonisch, wie wir es uns wahrscheinlich vorstellen, wenn alles in der Liebe geschehen soll.
Da gab es Streit, soziale Ungleichheit, die zu Spannungen führte; unterschiedliche Glaubensüberzeugungen, die teils heftige und die Gemeinde spaltende Kontroversen auslösten; unterschiedliche Kulturen, die in der weltläufigen Stadt Korinth zusammen kamen und teilweise ganz unterschiedliche Sichtweisen auf die Welt mit sich brachten. Es war für Paulus eine echte Herausforderung: Glaubensmäßig, dass die Gnade Jesu nicht wieder durch Riten und religiöse Bräuche erarbeitet/verdient werden musste. Persönlich, dass nicht seine Integrität untergraben wurde. Gesundheitlich, weil er nur viel schwächer auftreten konnte, als er eigentlich wollte, bzw. die Menschen aufgrund seiner Schreiben erwarteten; inhaltlich, weil er Taten forderte, die vielen eher unlieb waren, z.B. eine treue Kollekte für die Urgemeinde in Jerusalem, die fast allen in Korinth sehr fern war.
Paulus hatte es nicht leicht.
Die Gemeinde in Korinth auch nicht. Sie war dabei, diesen so vielversprechenden Glauben, den Paulus bei ihnen geweckt hatte, mit Leben zu füllen. Und wie das so ist bei richtigen Herzensanliegen, man brennt und merkt manchmal gar nicht, wie sehr das eigene Feuer zu heiß für andere, für eine Sache, für sich selber werden kann.
Paulus kommt zum Schluss, dass einzig die Liebe hier weiterhelfen kann.
Und er hatte in seinem Brief genau diese Liebe inhaltlich großartig beschrieben. Wir haben dieses herausragende literarische Werk des Paulus gerade eben gemeinsam gelesen (EG772.1+2). Das sogenannte Hohelied der Liebe, das in diesem 1.Korinther-Brief das 13 Kapitel ist:
„Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht…
Die Liebe ist langmütig und freundlich…sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.
Die Liebe höret nimmer auf…
Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe…die Liebe ist die Größte.“
Damit hatte er das Kraftfeld der Liebe in, aus meiner Sicht, unübertrefflicher Weise beschrieben.
Und je mehr ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir: So bin ich nicht. So wäre ich gerne, ja. Aber das alles, was da steht, schaffe ich nicht im Ansatz: Habe ich einen Glauben, der Berge versetzt? Gebe ich alle meine Habe für Arme oder gar meinen eigenen Leib dahin? Ertrage,
glaube, dulde ich alles?
Manche denken ja, ein Pfarrer wäre so und sind dann ganz überrascht, wenn sie ihn ertappen doch nicht so zu sein. Ich mache kein Hehl daraus, dass ich wirklich allzu gerne so wäre. Aber wie das mit manchem hehren Wunsch eben ist: Springt los als Tiger und landet als Bettvorleger. Und wenn einem das oft genug passiert ist, dann fängt selbst jemand wie ich an, nachdenklich und demütiger zu werden.
Ist damit die großartige Erkenntnis des Paulus über das Wesen der Liebe falsch oder überflüssig?
Bin ich der Einzige, der es einfach nicht schafft, nach dieser himmlischen Macht zu leben?
Beide Fragen beantworte ich mit nein und hoffe damit niemanden auf die Füße zu treten, der oder die meint, leben und lieben zu können aus eigenem Vorsatz.
Letztlich beschreibt Paulus für mich die Liebe so, wie Jesus Christus sie mit Worten und Taten bezeugt und gelebt und mit seinem Tod und seiner Auferstehung beglaubigt hat.
Diese Liebe ist göttlicher Natur.
Und wir haben erfahren, diese Liebe kann wahr werden mitten unter uns. Aber eben nicht durch uns. Nicht in dieser Reinheit.
Hauptakteur: Jesus Christus!
Deswegen finde ich eine andere Übersetzung des Bibelverses der Jahreslosung wichtig. In der Lutherübersetzung (revidiert 2017) hört sich die Jahreslosung so an:
Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen.
Da geht es nicht mehr so sehr darum, was man tut, wie es die andere Übersetzung nahe legt mit den Worten Alles, was ihr tut,
sondern mehr darum, etwas geschehen zu lassen. Sich selber und die anderen Menschen in einem bereits geschenkten und gewährten Kraftfeld der Liebe zu wissen. Sich immer neu erinnern, es meditieren, sich sagen lassen, entsprechende Lieder alleine oder mit anderen singen - es sich in die Seele singen - in der Bibel erlesen, zu den großen Festzeiten im Jahr zu Weihnachten, Ostern und Pfingsten treu und regelmäßig mit Kirchgang feiern, oder auch jetzt, in der Epiphanias Zeit oder zu Beginn des neuen Kalenderjahres, wenn Vorsätze Hochsaison haben, dem nachspüren, was der liebe Gott für uns bereits getan hat und verheißt für alle Zukunft.
Da ist Liebe, Liebe, Liebe um und oft genug in uns, weil: Gott umfängt uns liebend, schenkt aus Liebe, was wir zum Leben brauchen – lebensspendende natürliche Abläufe vom kleinsten Atom über die Schwerkraft bis ins unendliche All; liebende Zustände vom Glück werdender Eltern, über sorgende Großelterngenerationen bis tief in die Geschichte unserer Vorfahren; Verheißungen, die uns alle Angst vor der Zukunft nehmen wollen, ob uns Hass, Tod oder Teufel ängstigen; bei und durch Gott gilt: Fürchtet euch nicht!
In diesem Kraftfeld der Liebe dürfen wir das neue Kalenderjahr beginnen, mit dem Weihnachtsfest im Hinterkopf, der Botschaft des Engels an die Hirten im Herzen „Fürchtet euch nicht! Siehe ich verkündige euch große Freude“ (Lk2, 10)
Da geschieht etwas, der Himmel öffnet sich, die Liebesmacht erscheint und alles wird hell.
Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen.
Überlasst eure Dinge, eure Sicht auf die Welt, eure Urteile über andere Menschen, eure Ziele und Vorsätze nicht anderen Mächten. Und wie viele andere Mächte es gibt, davon zeugen in der Gegenwart die fürchterlichen Kriege, die rohe Ausbeutung der Natur, die Ängste um die Zukunft, die verschrobenen Gedanken mancher sich besonders aufklärerisch gebender Verschwörungstheoretiker, in der Unfähigkeit dankend zu erkennen, wie gut es ganz vielen bei uns geht und, und, und. Ja, es gibt andere Mächte. Aber Gott hat uns befreit. Mit Jesus Christus ist der Welt offenbart worden, was diese Mächte anrichten und dass es anders geht. Wir stehen in der Verantwortung:
Vertrauen wir der Liebe, vielleicht mit dem Vorsatz im Hinterkopf, alle Menschen, die mir heute begegnen, nehme ich zuerst als geliebte Geschöpfe Gottes wahr, und das wird unsere Sicht und viele Reaktionen beeinflussen, oder bleibe ich bei den Mustern, die ich vorgelebt bekomme und selber unbedacht lebe?
Vertraue ich der Liebe oder lasse ich mich von den Sorgen zerlegen, die sich unbarmherzig einschleichen, wenn ich in den Medien die Schrecken der Welt vor Augen geführt bekomme?
Vertraue ich der Liebe oder bewerte meine Kirchengemeinde und meine Kirche nur nach den nackten Zahlen, die Abstieg, Rück- und Niedergang scheinbar objektiv bis in feinste und teuerste Studien belegen?
Das neue Jahr ist noch so jung.
Ein bisschen Himmel auf Erden – wer wünscht sich das nicht?!
Vielleicht tragen wir diese Jahreslosung im Herzen, par coeur, auswendig kennend, mit der Übersetzung, die uns eher aktiv werden lässt und in der Übersetzung, die uns deutlicher macht, wie sehr wir bereits von Liebe umgeben sind. Nach dem Motto:
Super, so machen wir das; spitze, so ist es schon.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Gemeinde: Amen
Lied EG 240, 1-3, Du hast uns, Herr, in dir verbunden
Predigt für Sonntag Altjahrsabend
So, 31.12.23, 16:30 Mh, 18:00 Oh mit MGV
Predigttext: Pred3, 1-15
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Gemeinde: Amen
Liebe Gemeinde,
2023 geht heute Abend zu Ende, ein Jahr verabschiedet sich, das uns viel geschenkt und viel genommen hat, das Freude gab und Bestürzung auslöste, ein Jahr, das hier und da klüger machte und manchmal alt aussehen ließ, das neue Beziehungen ermöglichte und andere einschränkte. Ein Jahr mit vielen Ereignissen, die niemand für möglich hielt, die schön, oder auch schlimm waren.
In unserer Kirchengemeinde waren es zahlreiche Veränderungen, die zu Lob oder zu Klage führten. Manche Hoffnungen und Wünsche konnten erfüllt werden, anderes bleibt offen und zerbrechlich.
Über zu wenig Abwechslung oder mangelnde Herausforderungen können wir uns sicherlich nicht beklagen.
Für den Rückblick auf 2023 und den Übergang in ein neues Kalenderjahr, wird uns dieser Predigttext aus dem Alten Testament nahe gelegt:
Prediger 3, 1-15 (Luther 17)
3 1 Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde:
2 Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit;
3 töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit; abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit;
4 weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit;
5 Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit; herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit;
6 suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit; behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit;
7 zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit; schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit;
8 lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit; Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit.
9 Man mühe sich ab, wie man will, so hat man keinen Gewinn davon.
(9 Welchen Gewinn hat, wer etwas tut, von dem, worum er sich
abmüht?) (Zürcher Übersetzung)
10 Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben hat, dass sie sich damit plagen.
11 Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.
12 Da merkte ich, dass es nichts Besseres dabei gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben.
(12 Da merkte ich, dass es unter ihnen nichts Besseres gibt, als fröhlich zu sein und es gut zu haben im Leben.) (Zürcher)
13 Denn ein jeder Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes.
14 Ich merkte, dass alles, was Gott tut, das besteht für ewig; man kann nichts dazutun noch wegtun. Das alles tut Gott, dass man sich vor ihm fürchten soll.
15 Was geschieht, das ist schon längst gewesen, und was sein wird, ist auch schon längst gewesen; und Gott holt wieder hervor, was vergangen ist.
Alles hat seine Zeit…
Wenn ich an 2023 zurückdenke, dann kommen zwei Reaktionen:
Gott sei Dank, 2023 ist vorbei. Es ist sehr viel passiert, das ich den Bibelworten töten, weinen, klagen, zerreißen, hassen und Streit zuordne. Es gab Naturkatastrophen mit vielen Menschenopfern; wahnsinnige Gewaltausbrüche, Kriege - menschengemachte Katastrophen und immer wieder Tränen, Klagen und Streit auch in Kreisen, wo man gar nicht damit rechnet. Überlastete Menschen, mangelnde Arbeitskräfte, hoher Krankenstand und Kostensteigerungen, die man kaum für möglich hielt.
Die andere Reaktion ist:
Gott sei Dank, dass wir so viel bewegen und schaffen und erreichen konnten und Gutes erfahren durften 2023:
Zahlreiches, was ich den Bibelworten pflanzen, heilen, tanzen, herzen, zunähen, lieben und Friede zuordne. Corona hat endlich seinen Schrecken verloren, auch wenn es sicher noch nicht vorbei ist, Pfarrstellen konnten wiederbesetzt werden, Presbyterien haben mit gutem Teamgeist Erstaunliches geleistet, trotz Lieferengpässen und Personalnot, Notfälle und vieles mehr konnte versorgt werden, es gab fröhliche Stunden und Feste, Menschen, die aufmerksam und liebevoll für andere da waren, die Schweres getragen und zu tragen geholfen haben und Kranke nicht allein gelassen haben.
Alles hat seine Zeit:
Vielleicht müssen wir in der Kirchengemeinde lernen, uns von dem zu trennen, was irgendwie schon immer dazugehörte, in seiner Zeit Sinn und Freude schenkte, aber heute nur noch wenig Beachtung findet. Diese Frage stellt sich mir oft, wenn ich sehe mit viel Aufwand wir Gottesdienste planen und durchführen und trotzdem feststellen müssen, dass kaum noch jemand Interesse daran hat. Buß- und Bettag, sogar der 2. Weihnachtstag – (fast) leere Verkündigungsorte.
Alles hat seine Zeit:
Werden wir herausfinden, was heute und morgen im kirchlichen Raum dran ist? Ich bin sicher, wir werden wieder vieles versuchen, manches wird ansprechen und überzeugen, anderes nicht. Vielleicht werden die Menschen auch noch einmal offener für den christlichen Glauben, weil ohne Gottesbezug verloren geht, was wir tief in uns brauchen und mit eigenen Möglichkeiten nicht machen können.
Vielleicht geht die kirchliche Talfahrt, die alle kirchlich Interessierten und Engagierten das Fürchten lehrt, noch weiter. Werden wir Gebäude, Kirchen, Personal weiter und weiter abbauen müssen?
Wie wird sich der Frieden in Europa und weltweit festigen, wiederherstellen und bewahren lassen? Oder wird es noch mehr Gewalt- und Kriegsausbrüche geben?
2023 ist das wärmste Jahr in Deutschland seit Beginn der Wetter-Aufzeichnungen. Gleichzeitig so viel Regen wie schon lange nicht mehr. Wo es bei uns überall reinregnete… Kirche Manubach, Gemeindehaus Oberdiebach, St. Anna ganz schlimm.
Der Klimawandel wird hoffentlich nicht zur Klimakatastrophe.
Die Aufgaben werden nicht weniger. Die Herausforderungen nicht leichter. Und fast immer werden die Hauptakteure Menschen sein, mit ihren großartigen Seiten und ihren Ecken, Macken und Kanten. Uns Menschen gibt es in guter und schlechter Ausgabe. Und in jedem Menschen wohnen die Möglichkeiten, ein wenig Himmel und Gottes Reich auf Erden werden zu lassen oder Abgründe aufzureißen.
Warum es dieses Nebeneinander gibt, kann ich nicht beantworten. Ich will und kann auch nicht einen Sinn hineininterpretieren, weil ich sonst die Opfer der bösen Taten, von Schicksalsschlägen und schlimmen Katastrophen mit ihrem Leiden wahrscheinlich falsch und wenig tröstlich wahrnehmen würde - in erster Linie als Bestätigung einer Theorie und weniger als konkret Leidende, die möglichst gute Hilfe brauchen.
Gerade darum finde ich es so wichtig, was der Predigttext ebenfalls erwähnt:
Gott habe die Ewigkeit in die Herzen der Menschen gelegt.
Gott hat uns mit einer Ahnung ausgestattet, dass es mehr gibt, als wir in unserer Zeit erfahren und machen.
Zwar relativiert der Bibeltext sofort wieder, der Mensch könne das Werk
Gottes nicht ergründen, also die ins Herz gelegte Ewigkeit nicht vollends verstehen, aber hier finde ich bestätigt, was ich selber spüre, um mich herum immer deutlicher wahrnehme: Da ist diese tiefe Sehnsucht bei fast allen nach Ewigkeit und auch danach, dass das zeitliche Leben möglichst gut gelingen möchte und der Wunsch, das Leben möchte nicht nur auf das beschränkt sein, was wir mit unseren Sinnen erleben und erfassen. Eine Hoffnung auf mehr, nach einem Überschuss, der über alles hinausgeht, was wir an Gutem und Bösem machen und erleben.
Gott hat die Ewigkeit in unser Herz gelegt:
Wir dürfen hoffen und wissen, auch wenn das Schicksal oder böse Menschen unser Leben belasten und beschweren, zuletzt sind wir in Gottes Liebe geborgen. In der Zeit mag es Schlimmes und Schreckliches geben, aber diese Zeit ist von Gottes Ewigkeit umfangen; diese, unsere, Zeit ist nicht absolut und alles ist eingebettet in Gottes „Zeit“, aus seiner*ihrer Liebe kommend und dort wieder mündend. In guten Tagen ist Gott an unserer Seite, wie auch an bösen und erschütternden. Manchmal spüren wir sogar besonders in tragischen, verheerenden Situationen, dass Gott zur Stelle ist. Gott bewahrt nicht vor Unglück, aber er*sie lässt nicht verloren gehen, hat uns bereits oft genug hindurch geholfen und wir dürfen sicher sein: wird wieder und wieder retten, bewahren, helfen.
Haben diese Überzeugungen eine Bedeutung für das alltägliche Leben?
Für diese Silvesternacht? Für das Jahr 2024?
Der Predigttext versucht eine Antwort in mehreren Teilen.
Die erste Teilantwort finde ich in den frischen Worten Da merkte ich, dass es nichts Besseres gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben eine andere Übersetzung sagt für „gütlich tun“ „es gut zu haben im Leben“.
Gerade für die besonderen Tage nach Weihnachten und um den Jahreswechsel herum, klingt es so weise und fröhlich zugleich, dass diese frohe Leichtigkeit auch einfach angenommen, gelebt werden darf. Aber nicht nur zu dieser Zeit. Immer wieder brauchen wir diese unbeschwerten Momente. Silvesterfeiern, andere Feste, Feierabend, freie Zeiten, Leckeres zu essen und zu trinken. Menschen mit denen man beschwingt zusammen ist, lachen kann, meine Frau sagt gerne „ein hasig Gespräch führen“, also leicht und locker, nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen zu müssen. Es sich selbst gut gehen lassen, sich an den reichen Schöpfungsgaben erfreuen, die Gottes Güte und schöpferische Liebe immer neu reichlich hervorbringen.
Der Pfarrer, der mich 1978 konfirmierte, Frieder Bredt, pflegte zu sagen „Christen sind die fröhlichsten Menschen“. Damals dachte ich immer, stimmt nicht. Vielleicht die Menschen, die die beste Trostquelle haben, ja, aber heitere Fröhlichkeit meinte ich woanders suchen zu
müssen und finden zu können. Er hatte Recht.
Natürlich tröstet und hilft Gott, aber er*sie freut sich mit uns, wenn wir die
Gaben der Schöpfung, die Gemeinschaft mit anderen so nutzen und
gestalten, dass wir herzlich gerne leben und glückliche Stunden miteinander oder alleine haben. Christen, Christinnen dürfen sich gerne etwas gönnen.
Wer es vorzieht in asketischer Strenge zu leben, darf das gerne für sich so entscheiden, aber nicht darauf pochen, damit ein gottgefälligeres Leben zu führen.
Und der zweite Teil der Antwort ist, Gott zu fürchten.
Ich finde diese Wortwahl tendenziell irreführend, auf jeden Fall erklärungsbedürftig. Gottesfurcht heißt ja nicht, dass man aus ständiger Furcht vor diesem Gott in Angst und Schrecken leben soll. Gott ist nicht der verlängerte Arm der Panik-Pädagogen, die befürchten, die kleinsten Spielräume könnten die anvertrauten Schützlinge missbräuchlich nutzen und so für alle Fälle mal den lieben Gott als den in Gebrauch nehmen, der alles sieht und alles straft.
Gott braucht nicht unsere Furcht.
Aber uns hilft Gottesfurcht, wenn wir sie als Demut vor den eigenen Grenzen verstehen. Wir können nicht alles verstehen, wir können nicht alles erschaffen und schöpfen, höchstens geschenkte Lebenszusammenhänge belasten und schlimmstenfalls zerstören; wir wissen nicht was kommt, wir haben die Zeit nicht in unserer Hand. Unsere Zeit ist in Gottes „Zeit“. Wir bestimmen nicht den Zeitpunkt unserer Geburt, wahrscheinlich auch nicht den des Todes. Das alles kann uns Demut lehren, vor Gott, die hoffentlich zu Dankbarkeit zu Gott führt. Ich würde dafür nicht von Gottesfurcht reden, andere Wörter sind mir treffender in unserem Wortschatz. Demut, Vertrauen, Ergebenheit.
Das bewahrt mich vor falschen Erwartungen an mich und meine Mitmenschen. Und gleichzeitig weiß ich um die eigenen Möglichkeiten, die vielen Handlungsspielräume, die Gott uns allen eröffnet.
Um diese zu nutzen, erscheint es mir immer wichtiger, nicht die richtigen Zielsetzungen zu formulieren, sondern die Fragen, die Spielräume und Handlungen zu Bewusstsein bringen. Immanuel Kant fragte „Was kann ich wissen, was soll ich tun, was darf ich hoffen, was ist der Mensch? Der diesjährige Nobelpreisträger der Physik, Ferenc Krausz, fragte sich, wofür kann unsere Entdeckung der Attosekunde der Gesellschaft nützlich sein und fand die Antwort in einem weiten Feld medizinischer Anwendungen.
Vielleicht fragen wir uns als Christen und als Kirche:
Welche Möglichkeiten haben wir, in unserer Umgebung und Gesellschaft, Gottes Schöpfungswerk gleichzeitig zu nutzen und trotzdem nicht zu zerstören. Welche Handlungsoptionen entstehen aus Gottes Liebe, Frieden nachhaltig zu gestalten und Migration menschenwürdig zu steuern.
Mich persönlich hat eine Frage angesprochen, die ich in einem Adventskalender 2022 gelesen habe:
Für welches Problem wären Sie eine gute Lösung?
Vielleicht müssen ganz andere Fragen gefunden werden.
Ich wünsche uns allen einen fröhlichen Übergang in das neue Jahr, dass wir voller Vertrauen/Gottesfurcht die vor uns liegende Zeit als großes Geschenk annehmen und Gottes Wort in und durch uns wirken lassen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Gemeinde: Amen
Lied EG 64, 1-3, Der du die Zeit in Händen hast
Predigt für Sonntag 2. Weihnachtstag
Dienstag, 26.12.23, 9:15 Neurath, 10:45 Trechtingshausen
Predigttext: 2.Kor8, 7-9
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Amen
Liebe Gemeinde,
es gibt bestimmte christliche Feste, da fragt man sich manchmal, geht es da um eine Botschaft, um den Glauben oder doch nur um Geld und Geschenkte.
In der Weihnachtszeit denkt man nicht sofort an die Konfirmation, aber oft fragen sich Menschen, ob es den Jugendlichen um die Inhalte es Konfi-Unterrichts geht oder um die Geschenkte beim großen Abschlussfest. Wie oft werden stolz die Summen genannt, die manche Jugendliche erhalten, sollte man da nachdenklich werden?
Und uns alle betrifft es natürlich zum Weihnachtsfest.
Viele stören sich an dieser weihnachtlichen Mischung von Glaube, Liebe, Geld und Geschenken. Es ist ja auch manchmal grotesk. Das große Glaubensfest wird auf einem Geschenkeberg gefeiert. Und paradoxerweise macht das gar nicht alle glücklich. Ab morgen beginnt die Umtausch-Nachweihnachtszeit. Ganz abgesehen von den bitteren Enttäuschungen, weil manche Geschenke anders als erhofft waren, weil die eigenen Erwartungen hoch, vielleicht zu hoch waren. Weil dann Streit war, Kränkungen gespürt wurden, man die eigenen Bemühungen nicht gewürdigt empfand und der eine oder die andere beleidigt war.
Manchmal löst das ziemlich gemischte Gefühle aus. Eine Mischung zwischen Geld und Glaube, Konsum und Kirche, die nicht ganz überzeugt, aber auch nicht einfach übergangen werden kann.
Ich bat ChatGPT mir ein Gedicht dazu zu schreiben, hier das ganz wenig von mir veränderte Ergebnis:
Zwischen Lichterglanz und Einkaufsrausch. Da steht sie, die besinnliche Weihnacht, lausch. Zwischen Geschenken und dem Glöckchenklang, verliert man oft den wahren Sinn, so bang.
Die Kirchenglocken läuten weit und breit, erinnern uns an Jesu Ankunft heut. Doch Konsum lockt mit Angeboten sacht, verführt uns zur Jagd nach Geschenkepracht.
Doch in der Stille, im Kerzenschein, kann man den wahren Wert des Festes sehn. Nicht nur Pakete und das süße Gebäck, auch Nächstenliebe, das ist das Glück.
So feiern wir zwischen Konsum und Kirchentor, erinnern uns an das, was wirklich zählt empor. In dieser Zeit des Jahres, so festlich und mild, sei die Liebe das größte Geschenk, das gilt.
Ja, so kann man das machen. Und interessanterweise ist die künstliche Intelligenz überraschend nahe an dem, was uns der heutige Predigttext nahelegen will. Es geht da nicht um entweder oder beim Apostel Paulus. Vielmehr verknüpft er miteinander, was wir bei manchen christlichen Festen als problematisch erleben. Trotzdem ist unser Empfinden sehr berechtigt, finde ich, aber dazu später. Hören wir erst einmal wie bei Paulus Liebe, Glaube und Geld ganz natürlich zusammen gehören:
Predigttext 2.Korinther 8, 7-9.
8 Nicht als Befehl sage ich das; sondern weil andere so eifrig sind, prüfe ich auch eure Liebe, ob sie echt sei.
9 Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: Obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, auf dass ihr durch seine Armut reich würdet.
Jetzt denken wahrscheinlich alle, die aufmerksam zugehört haben: Wo, bitte schön, war denn jetzt von Geld die Rede?
Ja, Paulus redet nicht offen vom Geld, aber er meinte es. Wahrscheinlich war es damals schon etwas heikel offen über dieses leidige Thema zu reden, in Korinth waren sie uns vielleicht gar nicht so unähnlich.
Den geschichtlichen Hintergrund will ich kurz darstellen.
Die Jerusalemer Urgemeinde war in finanziellen Nöten. Die neuen Gemeinden im Mittelmeerraum stehen wirtschaftlich deutlich besser da, besonders die Gemeinde in Korinth, wo die frohe Botschaft von Jesus Christus nicht nur den ärmeren und benachteiligten Menschen neue Hoffnung und Lebensqualität gab, sondern auch reiche und wohlhabende Bürger*innen beeindruckt, begeistert und zum Glauben geführt hatte. Teilen wollte man in Korinth deswegen noch lange nicht. Auch innerhalb der Gemeinde gab es Probleme. Sollte das Abendmahl so sein, dass Ärmere neben der seelischen Erbauung auch ganz einfach gesättigt wurden? Oder sollte lieber auf jeden Fall verhindert werden, dass es auch nur den Anschein hat, das Abendmahl könnte eine Armenspeisung sein, was besonders die Betuchteren wünschten.
Und dann noch die Zumutung, für eine weit entfernt liegende Christengemeinde Geld locker machen zu sollen?
Paulus musste weiter ausholen.
Er macht den Christinnen und Christen in Korinth klar, dass sie reiche geistliche Gaben geschenkt bekommen haben: Den gemeinsamen Glauben, die Liebe zu Gott, zum Nächsten und genauso zu sich selbst, die neue Hoffnung, eine Perspektive über den Tod hinaus, ja dass dieser Jesus selber, der ihnen bereits so viel gegeben hatte und bedeutete, es auf sich genommen hatte, eigenen Reichtum, eigene Sicherheit, eigenes Glück aufzugeben, um für die Menschen da zu sein – aus Liebe.
Und Paulus geht es hier um ein echtes Glaubensthema, nämlich darum, was den Nachfolgerinnen und Nachfolger dieser Glaube wert ist. Und für Paulus lässt es sich nicht trennen, Geld oder Liebe, sondern er fragt damals und bis heute uns ganz pragmatisch:
Was lassen wir uns den Glauben kosten?
Was ist uns der Glaube wert?
Und vielleicht besinnen wir uns zuerst darauf, was uns dadurch alles gegeben, geschenkt ist. Zu Weihnachten wird es vielen Menschen noch einmal deutlicher, dass wir viel mehr zu verdanken haben, als wir uns oft bewusst machen. Auch in der Kirche, in unserer Kirchengemeinde.
(Trechtingshausen: Geschwisterliche Großzügigkeit, zu Weihnachten in kath. Kirche feiern zu dürfen. Gute Idee: Hälfte der Kollekte als Spende an die kath. Kirchengemeinde zu geben!)
Die konkrete Gemeinschaft, die durch Gottes Wort entsteht und veredelt wird, ob im KU, Kinder- oder Senioren*innengruppen, die sachkundige und hilfreiche Begleitung mit Worten und Ritualen in herausgehobenen Lebenssituationen, wie Taufe, Trauung oder Tod, die unzähligen Hilfsangebote durch Diakonie und Caritas, nicht zuletzt Gebäude und Kirchen, die das Besondere sicht- und spürbar, eben sinnfällig werden lassen. Und die unzähligen Kontakte untereinander, die durch die gemeinsame Basis, das Vertrauen in Jesus Christus, entstehen.
Ups, sind wir reich beschenkt…
Und genauso: Warum erleben wir es so oft eher von der belastenden Seite? Ja, da sind die Unzulänglichkeiten vieler Mitchristen*innen, und immer auch die eigenen; der Gebäudestand ist so umfänglich, dass man gar nicht weiß, wie alles zu bewältigen ist; Angebote werden oft schlecht angenommen und man klagt enttäuscht über zu wenige Teilnehmer*innen. Frömmigkeitsstrukturen sind so unterschiedlich, ebenso die Bewertung dessen, was in der Welt passiert.
Paulus macht eine kluge und wahre Rechnung auf:
Jesus Christus höchstpersönlich hat seine Komfortzone verlassen uns zugute.
Wir alle wissen, dass und wie uns das immer wieder neu hilft und gut tut: Trost spendet, lebensmutig macht, neues Lachen schenkt, Mitgefühl ins Herz legt, Friedfertigkeit entwickelt, großartige Menschen kennenlernen lässt, zur Umkehr von falschen Wegen bekräftigt und, und, und…
Das kennt ihr doch alle, ihr Christenmenschen in Korinth, höre ich Paulus sagen. Um daraus zu schließen, dass wir es Christus etwas gleich tun sollten: Aus Liebe für andere vom Eigenen abzugeben. Mit Blick auf den geschichtlichen Hintergrund des Predigttextes also die Gemeinde in Korinth bittet, nach dem Maß der Liebe die Urgemeinde in Jerusalem finanziell zu unterstützen. Nicht Liebe oder Geld, Geld oder Liebe, sondern: Welche Einstellung, auch zum Geld, gewinnen wir durch den, der unser Leben so reich macht und selbstlos bleibt bis zum Kreuz.
Unsere Einstellung zum Geld und dazu, wie viel wir bereit sind zu spenden hängt entscheidend davon ab, was wir im Glauben erfahren und erkennen.
Der Glaube bleibt kein körperloses, entweltlichtes Irgendwas. Jesus wurde geboren, Gott wurde Mensch. Ganz konkret.
Und so handhaben wir es auch zu Weihnachten. Wir sagen nicht unseren Liebsten: Du, heute an Weihnachten, da habe ich dich besonders lieb. Fertig, aus. Vielmehr versuchen wir dieser Liebe in unseren Möglichkeiten materiellen Ausdruck zu verleihen.
Wir wissen, es geht um mehr als nur theoretische Ansagen. Und wir wissen genauso: Alle praktischen Handlungen und Geschenke brauchen eine Haltung im Geiste, müssen idealerweise im Geist der Liebe verankert sein.
Gott wurde Mensch, Jesus gab auf, was ihn in himmlischer Sphäre vor dem bewahrt hätte, was ihn auf der Erde erwartete. Schon seine Geburt war im Grunde Sinnbild seines Abstiegs, um allen Menschen nahe zu sein. Wie sehr erst sein Kreuz.
Um uns Leben zu ermöglichen, um unser Sein in jeder Hinsicht bunter, froher, solidarischer, getrösteter und hoffnungsvoller werden zu lassen.
Ihr Lieben in Korinth, höre ich bis heute Paulus sagen, denkt daran zuerst. Und dann überlegt, wie ihr der materiell armen Urgemeinde geben könnt und wollt, der Gemeinde, der ihr schließlich zu verdanken habt, dass der Glaube an Jesus Christus auch euch erreichen konnte.
Wenn wir das auf heute übertragen, dann könnte man vielleicht fragen, wozu bewegt uns die christliche Überzeugung unser Geld einzusetzen.
Ich versuche mal eine kleine Rechnung:
Wenn man alles addiert, was man für die Festtage ausgibt, Festessen, Geschenke, Reisekosten, Christbaum, Weihnachtsschmuck – kämen wir mit unseren Spenden zu Weihnachten, z.B. für Brot für die Welt und sicher auch andere Zwecke, auf 10% der Summe, die wir für uns und die Unsrigen verwenden?
Wie komme ich auf 10%?
Es ist eine alte Faustregel aus dem Alten Testament.
3.Mose 27,30.32; ganz ähnlich: 2Mo 22,29; 23,19; 3Mo 27,30ff; 5Mo 14,22; 23,21ff Für Priester und Leviten (4Mo 18,21-28), Für Gott (5Mo12 6-7. 17-18), Für Arme und Fremde (alle drei Jahre 5Mo 12,17ff; 14,27ff). 2Mo 22,28; 4Mo 18,21ff; 5Mo 14,22ff; 26,12ff; Amos 4,4; 2Chr 31,5; 3Mo 27,32ff
Sie wurde im Kirchlichen bis in politische Bereiche, sehr unterschiedlich begründet, benutzt.
Sie hat viele praktische Vorteile. Unabhängig von dem, was man hat, bleiben immer 90% für einen selber. Und trotzdem ist die so entstehende Spenden-Summe riesig.
Können wir schnell überprüfen: Wir alle sagen uns, was wir für Weihnachten ausgeben, ermitteln 10% und wundern uns über das erfreuliche Ergebnis. Aber halten wir es besser wie Paulus.
Sprechen wir eher verdeckt über das liebe Geld. Ich prüfe für mich, jede*r für sich und vielleicht haben wir dann noch etwas Luft nach oben, um für die eine oder andere Sache zu spenden – aus Freude und Dankbarkeit darüber, was Gott uns alles ermöglicht und beschert.
Und hier schließt sich der Kreis zum Beginn der Predigt:
Dass ChatGPT in einem Gedicht die Essenz auf den Punkt bringt, mag hier erfreuen, trotzdem ist diese KI nicht vorbehaltlos zu empfehlen:
So feiern wir zwischen Konsum und Kirchentor, erinnern uns an das, was wirklich zählt empor. In dieser Zeit des Jahres, so festlich und mild, sei die Liebe das größte Geschenk, das gilt.
Aber, so möchte ich verändern: Eine Liebe, die auch in die materiellen Ebenen hinabreicht, so wie die Geburt auch kein theoretisches Himmelsereignis blieb.
Und dann ist da noch die Frage:
Bei bestimmten christlichen Festen, da fragt man sich manchmal, geht es um eine Botschaft, um den Glauben oder doch nur um Geld und Geschenkte?
Wenn wir von Paulus die vorsichtige Herangehensweise bei den Korinthern als Orientierung nehmen, dann können wir sicher sagen: Geld und Liebe können zusammengehören. Wenn wir von dem, was wir haben, was wir für Geschenke ausgeben oder bei der Konfirmation erhalten, an andere, Bedürftige abgeben, aus Liebe, aus Verantwortung, aus Dankbarkeit zu Gott.
Dann müssen wir keinen zwanghaften Versuch machen, zwischen Glaube und Geld zu trennen, sondern erfahren, wie der Glaube auch unser Verhältnis zum Geld segensvoll durchdringen kann.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen
Lied Zu Bethlehem geboren 1-3 EG 32, Heft 4
Predigt für Sonntag Heilig Abend
So, 24.12.24, 15:00 Winzberg; 18:00 Oberdiebach
Predigttext: Galater 4, 4-7
„Symbol“:
Vier K der Gegenwart: Kriege, Katastrophen, Krankheit und Kosten
(Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Gemeinde: Amen)
Liebe Gemeinde,
ein heiliger Glanz umleuchtet uns. Tausende Lichter, geschmückte Räume, Fenster, Straßen, ganze Vorgärten und Städte.
Wir sind wie verzaubert, wollen verzaubern.
Wollen dem Dunkel trotzen, der Finsternis Licht über Licht entgegenhalten, als wäre jedes kleine Lichtlein wie ein lauter Ruf, eine flehende Bitte, ein flammender Appell:
Es reicht, so kann es nicht weitergehen, wir müssen endlich vernünftig werden, wir müssen so viel ändern.
Die Welt schreit auf vor Ungerechtigkeit, wir hören die Schmerzensschreie der Opfer von Terror, Gewalt, Verfolgung, Krieg und Flucht. Selbst das dickste Fell wird langsam dünn und dünner von all den Schreckensmeldungen von Kriegen, Katastrophen, Krankheiten und steigenden Kosten… Diese Gleichzeitigkeit unterschiedlichster Krisen, ihre Masse, dass sie immer näher rücken und spürbarer werden…
Tapfer zünden wir unsere Lichter an!
Tapfer versuchen wir uns an ihrem Glanz zu wärmen.
Tapfer haben viele bis heute ertragen, eigenes Leid, die Belastung liebevoller Solidarität mit Geflüchteten, eigene und nahe stehender Krankheiten, die Angst, wie soll ich alles bezahlen können, die Fülle immer neuer Aufgaben, Verpflichtungen und Herausforderungen.
Wie gut, liebe Gemeinde, dass uns heute ein Licht umstrahlt, das wir nicht selber machen müssen, dass uns eine Botschaft erreicht, die wir nicht selber erfinden oder z. B. über ChatGPT generieren könnten - dass eine große Hoffnung geschenkt wird, die Gott persönlich schickt!
Nachdem wir die großartige Weihnachtsgeschichte des Lk gehört haben, die die meisten von uns tief anrührt, hören wir nun den für heute vorgeschlagenen Predigttext aus dem Galaterbrief, fast wie eine Weiterführung der frohen Botschaft des Lk:
Gal4, 4-7, (Luther 17)
4 Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan,
5 auf dass er die, die unter dem Gesetz waren, loskaufte, damit wir die Kindschaft empfingen.
6 Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt in unsre Herzen, der da ruft: Abba, lieber Vater!
7 So bist du nun nicht mehr Knecht, sondern Kind; wenn aber Kind, dann auch Erbe durch Gott.
Dieser kleine Text redet von nichts weniger als einer Zeitenwende „Als aber die Zeit erfüllt war…“. Und allein schon dieser Anfang kann den Unterschied zu dem, was uns widerfährt und was wir machen, sehr anschaulich machen.
Das letzte Mal als ich ernsthaft von einer Zeitenwende gehört habe, ist noch gar nicht lange her. Kanzler Olaf Scholz sprach erstmalig am 27. Februar 2022 davon, nachdem am 24.02.2022 Russland die Ukraine mit Krieg, Mord und Gewalt überfallen hat. Zeitenwende hier: Die Nachkriegsordnung, die Frieden in Europa brachte, wird von diesem Krieg bedroht. Erneut sprechen die Waffen und überall wird die Aufrüstung intensiv betrieben, als könnte, müsste das viele Geld nicht in andere Aufgaben investiert werden.
Zeitenwende mit Jesu Geburt markiert eine neue Ära ganz anderer Art: Unser Predigttext findet wunderschöne Bilder und Inhalte dafür. Es ist eine neue Epoche, in der die Menschen frei sein dürfen; in der die Menschen Erfüllung finden, weil sie selber Kinder Gottes sind. Und so sehr wird das betont, dass ein Kosewort für Gott gebraucht wird, von dem wir erstmals bei Jesus hören: Abba. Abba, lieber Vater. Abba, eigentlich das, was wir mit Papa, Vati oder wie immer Kinder ihren Vater ansprechen, sagen. Vertraut, innig, besonders, exklusiv; was für ein Glück, dass ich zwei Kinder habe, die mich gerne so rufen.
Für mich wird der kleine Satz „Abba, lieber Vater, erst vollständig, wenn ich es so weiterdenke: Abba, liebe Mama, lieber Papa.
Gott ist so groß, dass ich gar nicht glauben kann, er*sie erschöpft sich nur im männlichen Elternteil, Gott ist so groß, dass auch ein „Mama und Papa“ nie alles erfassen kann. Aber deutlich mehr, nach meiner bisherigen Lebenserfahrung, als nur ein Papa.
Vielleicht reicht einfach „Abba“.
Ich denke z. B. an die herausragende Art, wie eine Mutter Kinder zu trösten versteht. Ich ahne, dass die starken väterlichen Arme und die sanften Hände Schutz und Geborgenheit geben. Und beides ermutigt die Kinder, ihre Welt zu erkunden, auch wenn es Rückschläge gibt. Mitunter ganz heftige, ganz bedrohliche. Wer kennt sie nicht aus eigener Erfahrung. Mutter und Vater sind nicht einfach Rückzugsorte und sichere Zonen, sondern daneben und dazu auch Motivation und innere Stärke, wieder hinaus zu gehen, Neues zu lernen, Probleme zu bewältigen, weil ganz selbstverständlich ein Lebensmut genährt wird und Hoffnung und
Lebenszuversicht Finsternis überwindet.
Abba.
Gott für uns. Gott mit den Seinen - Gott mit den Ihren!
Und weil der*die Ewige uns kennt, weiß, wie schwer wir es haben, das wirklich für wahr und möglich zu halten, darum erläutert der kleine Bibelabschnitt, dass der Heilige Geist, der Geist des Sohnes Jesus in uns wirkt, unsere Herzen verwandelt. Die Seinen*die Ihren werden ganz automatisch Abba zu Gott sagen. So wie Jesus es selber tat (Mk14, 36; Mt26, 39). Wir dürfen wie Jesus eine ganz innige Beziehung zu Gott, zu dieser göttlichen Liebe haben. Ich empfinde darin großes Lebensglück. Und gerade die Weihnachtszeit macht mich darin einmal mehr und immer wieder neu gewisser.
Aber wird dadurch die Welt eine andere?
Wird dadurch auch nur ein Problem von dem gelöst, was ich anfangs skizzierte?
Und was ist mit Menschen, die Weihnachten gar nicht mehr ertragen, weil genau um diese Zeit etwas Schreckliches in ihrem Leben geschehen ist. Wie werden z.B. die Eltern der kürzlich in Bingen ertrunkenen 2-jährigen Tochter in Zukunft auf Advents- und Weihnachtszeit schauen?
Einfache Antworten habe ich für diese berechtigten (An-)Fragen nicht.
Mir helfen Gedanken dieses Textes weiter:
Weihnachten
Schweigend da
Gottes Kommen in der Weihnacht war nicht effektiv.
Und die Zeiteinteilung des Lebens Jesu war nicht rationell.
Die meiste Zeit seines Lebens hier auf unserer Erde
War sozusagen eine Verlängerung
Seiner weihnachtlichen Ohnmacht und Armut.
Ein Dasein vordergründig ohne Nutz- und Wirkwert.
Und doch ist gerade dies Offenbarung:
Gott ist einfach da,
da wo wir sind und wie wir sind.
Wir sollten also vor der Krippe stehen bleiben
Auf ihn schauen, wie er nichts sagt und
Nichts tut, sondern einfach da ist.
Dieses Schweigen ist Wort, Wort an uns.
Ja, es ist Umsturz, Umkehrung unserer Maßstäbe…
Er ist einfach da – das ist alles, was er tut und kann.
Aber indem er da ist, ohnmächtig und strahlend,
ist eben Gott selber da.
Gott ist da für uns.
Und was sagt dieses Dasein Gottes im Kind von Bethlehem?
Es sagt mir, es sagt dir,
es sagt jedem Menschen:
Gut, dass du da bist!
Pfarrer*innenblatt 2018, sehr leicht verändert
Jesu Dasein eine Verlängerung seiner weihnachtlichen Ohnmacht und Armut…
Gerade das rührt uns ja immer so sehr an: Keine Herberge gefunden, geboren in einem Stall, die ganz einfachen Leuten, die Hirten, erfahren es zuerst.
Und dann wünschen wir plötzlich den, der alles mit einem Machtwort zurechtrückt. Einen Allmächtigen, der mit göttlicher Gewalt alles gerecht regelt.
Was ich mich immer frage: Wo nehmen, die sich das wünschen, die Gewissheit her, dass Gott tatsächlich auf ihrer Seite steht?
Und auch: Ist diese Sehnsucht nach einer aus eigener Sicht heilen Welt nicht gerade Bestandteil der alten Ordnung, die mit Gottes Menschwerdung auf den Kopf gestellt wurde?
Gerade die Weihnachtsgeschichte nach Lukas stellt das so wunderbar heraus: Nicht der mächtige Kaiser Augustus, sondern das Kind in der Krippe wird es richten nicht mit Macht sondern in Liebe. Nicht in den prächtigen Palästen und Gotteshäusern wird die himmlische Botschaft zuerst kund, sondern bei den Hirten auf dem Felde. Nicht die Volkszählung des Kaisers, der alle Welt dafür in Bewegung setzte, bewegt die Menschen, sondern große Freude für alle Welt verkündet der Engel durch diese Geburt.
Und unser Predigttext ermutigt uns zu erkennen: Auch die eigene Geburt ist ein Wunder, ein weltgeschichtliches Ereignis, so großartig, dass wir zu Gott Abba, Papa, Mama, rufen dürfen.
Indem Gott Mensch wurde, wird uns Menschen eine Würde zuteil, die göttlich ist. Die Würde des Menschen ist unantastbar – wie wahr.
Und gleichzeitig wie oft so beschämend verletzt.
Aber wir dürfen zu Gott Abba rufen.
Wir dürfen, wir sollen uns mit allem an Jesus, an Gott wenden, was uns so sehr belastet. Die weihnachtliche Ohnmacht Jesu, die bleibende Ohnmacht seiner Liebe, die Schlimmes und Schlimmstes erleidet und gleichzeitig nicht müde wird zu bezeugen, wie es sein sollte, sein könnte…
Wenn man in den Evangelien nachliest, dann wird man an zwei Stellen finden, wo Jesus Gott Abba anruft: Im Mk und im Mt fleht Jesus vor seiner Verhaftung und Kreuzigung, „Abba, mein Vater, nimm diesen Kelch von mir, doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe.“
Eine Anrede in höchster Not.
Und schauen wir auf Kinder, wann rufen sie aus vollstem Herzen Mama oder Papa? Ganz oft in einer Not, die sie völlig überfordert. Sie kommen gelaufen, schreien einen herbei, fallen in die ausgebreiteten Arme, schluchzen und brauchen Trost, Schutz und Geborgenheit.
Und meistens ist es so, dass man als Elternteil gar nichts weiter machen kann als trösten, herzen und zeigen, ich bin bei dir und gehe nicht weg. Ich leide mit dir und will helfen, dass es wieder gut wird und du wieder voller Lebensmut die nächsten Schritte gehen oder laufen oder rennen kannst.
Wie hilfreich das ist!
Seit Weihnachten wissen wir: Gott ist an unserer Seite und unser Predigttext sagt wunderbar klar: Mit Jesu Ankunft dürfen wir unwiderruflich wissen, Gott ist bei uns, ist für uns da. Wir selber sind seine*ihre Kinder. Wie Jesus dürfen wir immer, ob in höchster Not oder größter Freude oder einfach zwischendurch „Abba“, denken, beten, klagen oder loben. Da ist keine Wand zwischen Gott und allen, die dieser Liebesmacht ihr Leben anvertrauen.
Wir sind Kinder, und wir sind Erben.
Diese Liebe, ein großartiges Erbe. Genauso: Diese Liebe eine Verantwortung, die angesichts der Zustände der Welt fast Unmenschliches von uns fordert.
Aber was sonst als diese Liebe könnte uns befähigen zu ertragen, was uns Zumutung ist, Menschenwürde höher einzustufen als Herkunft und Hautfarbe, Krankheiten heilen wollen ohne abzustumpfen, Kriegen die Stirn zu bieten ohne selber zu hassen, bei Katastrophen die Hände helfend öffnen und nicht in den Schoß zu legen.
Und wie sehr wir das im Grunde von Herzen wünschen, zeigt jährlich neu z.B. unsere Spendenbereitschaft für Bot für die Welt, gerade zur Weihnachtszeit und vieles andere, wo wir Eigenes zurückstellen, um miteinander gelingende Gemeinschaft zu erfahren.
Diese göttliche Liebe, die uns begleitet, umfängt und immer neu ermutigt zu tun, was hilft. Diese Liebe, die eine klare Richtung vorgibt, das Kreuz Jesu führte nicht zu Jesu Vernichtung, sondern eröffnet den Horizont eines Lebens, das man kaum zu hoffen wagt. Ewiges Leben mit Jesus bei Gott.
Heute ist Weihnachten, manchmal meine ich Jesus uns fragen zu hören: Was werdet ihr mit mir anfangen?
Werdet ihr mich kreuzigen?
Oder werdet ihr mich an eurem Kreuz finden?
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen
Glaubensbekenntnis
Lied (EG) Hört der Engel helle Lieder Heft S. 16, Strophen 1-3
Predigt für Sonntag 1. Advent
So, 03.12.23, 10:30 Bh
Predigttext: Offb3, 14 - 22
Symbol: Schokolade, zartbitter
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei(en) mit uns allen.
Amen
Liebe Gemeinde,
wissen Sie noch, wann dieses Jahr die ersten Schokoladen-Weihnachtsmänner in den Regalen standen?
Auf jeden Fall: Viel zu früh. Und die schokoüberzogenen Lebkuchen und dieses und jenes.
Ja, alle sagen, viel zu früh. Gekauft werden sie trotzdem.
Es ist eine zu süße Versuchung. Schokolade kann glücklich machen.
Irgendwie wirkt es zartbitter.
Zart – wie eine Liebe zum Leben, wie wir es oft als Ideal wünschen.
Bitter – irgendwie ist es nicht ganz stimmig, was wir daraus machen.
Zartbitter – der Predigttext bringt beides zusammen, wie manche Schokolade, die wir gerne essen.
Diese Informationen zum Bibelabschnitt zuvor:
Das Buch der Offenbarung am Ende der Bibel ist das Prophetenbuch des Neuen Testaments. Ein wegen seines Glaubens Verbannter, vielleicht ein Presbyter, ein Visionär, sitzt gefangen auf der Insel Patmos und hat Erscheinungen, Visionen über die Kirchengemeinden seiner Zeit. In diesen Wahrnehmungen erhält er den Auftrag, 7 Sendschreiben an 7 damals wohl existierende Gemeinden zu verfassen. Alle Schreiben enthalten Gutes und Schlechtes über die jeweilige Gemeinde, nur eines ist überwiegend negativ und das ist Predigttext unseres heutigen 1. Advents. Damit soll uns neu ins Bewusstsein geschrieben werden, was einmal allen selbstverständlich war: Die Adventszeit ist eine Phase der Besinnung, der Stille, auch Buße. Denn wenn man davon ausgeht, die Ankunft Jesu steht an, dann müssen wir überlegen, sind wir darauf angemessen vorbereitet? Der heutige Predigttext hat aber auch eine zarte Hoffnung und Verheißung:
Offb3, 14-22, Luther 17
14 Und dem Engel der Gemeinde in Laodizea schreibe: Das sagt, der Amen heißt, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes:
15 Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach dass du kalt oder warm wärest!
16 Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.
17 Du sprichst: Ich bin reich und habe mehr als genug und brauche nichts!, und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß.
18 Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest, und weiße Kleider, damit du sie anziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest.
19 Welche ich lieb habe, die weise ich zurecht und züchtige ich. So sei nun eifrig und tue Buße!
20 Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.
21 Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden habe und mich gesetzt habe mit meinem Vater auf seinen Thron.
22 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!
Dem Engel, also dem Leiter der Gemeinde in Laodicea werden unbequeme Wahrheiten mitgeteilt. Die Gemeinde in Laodicea scheint eine respektable Gemeinde zu sein. Trotzdem trifft sie dieses Urteil. Warum? Offenkundig, weil sie nicht wirklich damit rechnet, dass Jesus Christus in ihr leben möchte und zu ihr kommt. Die Gemeinde lebt nicht in der frohen Erwartung.
Es werden der Kirchengemeinde verschiedene Sachen vorgeworfen: Sie hält sich für reich, wahrscheinlich war sie materiell, aufgrund der Gebebereitschaft ihrer Mitglieder gut, wohl sogar besser als die meisten anderen Christengemeinden aufgestellt. Zudem wird ihr vorgeworfen, halbherzig, weder heiß noch kalt zu sein.
Wenn jetzt jemanden von uns der Gedanke kommt, da gibt es Ähnlichkeiten zwischen dem, was in Laodicea kritisiert wird und unserer (Kirche/n-)Gemeinde, dann hätte er oder sie wahrscheinlich nicht ganz unrecht. Obwohl mich diese verallgemeinernde Ansage etwas stört. Immerhin habe ich in der kurzen Zeit hier Menschen kennenlernen dürfen, die wirklich ganz und gar bei der Sache sind. Ohne sie würde vieles gar nicht gehen bei uns. Trotzdem der heutige Predigttext.
Es gibt diesen Satz:
Halbe Sachen machen ganz kaputt.
Jesus selber hingegen war ganz und gar für Gottes Reich aktiv.
Warum war Jesus radikal?
Jesus war überzeugt, dass das Leben heil wird, wenn man sich ganz auf Gott verlässt.
Aus unserer eigenen Erfahrung wissen wir, dass manche Halbherzigkeit ganz überfordern kann. Kleine Alltagsbeispiele sind:
Eine Säge, die nur noch ein bisschen scharf ist, die Arbeit damit macht einen selber und das Holz kaputt.
Eine Kirchengemeinde, in der die Mitglieder Jesus vielleicht wichtig finden, aber auch nicht zu sehr von seinen hohen Ansprüchen beansprucht werden wollen, ist da und doch nicht spürbar.
Irgendwie ist das normal geworden wie Schoko-Weihnachtsmänner im Oktober und gleichzeitig wirkt es nicht stimmig.
Schokolade ist je gesünder, desto höher der Kakaoanteil.
Sie wissen schon, das Bittere. Manche Schokoladen haben einen weit über 90-prozentigen Kakaoanteil. Ich weiß nicht, wer es schon einmal probiert hat und erst recht kenne ich kaum jemanden, der*die eine solche Schokolade gerne ganz aufgegessen hat. Aber es muss sie geben, sonst wären sie längst aus dem Sortiment verschwunden.
Oder kann man sie für andere Zwecke verwenden?
Wenn wir die Evangelien lesen, dann wirkt manches so, dass bei Jesus fast keine Süße übrig bleibt, vor lauter bitterer Eindeutigkeit.
Bei ihm ist es Entweder-oder, ja oder nein, heiß oder kalt, Leben oder Tod, Wahrheit oder Lüge, Licht oder Finsternis. Bei ihm gibt es keine halben Sachen, keine Grauzonen, keine Beschönigungen. Jesus ist radikal, konsequent, hundertprozentig.
Und so soll auch jede*r sein, wer ihm nachfolgen möchte und jede der Gemeinden sein, die sich auf ihn und seine Botschaft beruft.
Hören wir einige der Aussagen Jesu, die es veranschaulichen:
Ihr sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist (Matthäus 5,48).
Ihr seid das Licht, der Erde. (Wie oft gleiche ich, gleichen wir eher einer trüben Funzel) Ihr seid Salz, und wenn das Salz seine Salzkraft verliert, kann man es nur wegwerfen. (Matthäus 5,13-16)
Ihr könnt nicht zwei Herren dienen, Gott und dem Götzen Geld (Matthäus 6,19-24).
Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert (Matthäus 10,37).
Eure Rede sei ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist von übel (Matthäus 5,37).
Das größte Gebot heißt: "Du sollst den Herren, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt (Lukas 10,27)
Und so weiter! Warum ist Jesus radikal?
Weil halbe Sachen ganz kaputt machen?
Und wo bleibt die Kunst des Kompromisses?
Von der Schokolade wissen wir:
Schokolade schmeckt nur, wenn ein bisschen hiervon und davon
darinnen ist. Nur bitterer Kakao ist ebenso unangenehm, wie nur süß.
Und immer wenn Menschen meinten, aus eigener Kraft so radikal werden zu müssen, wie Jesus es ihrem Verständnis nach forderte, dann schwand oft ihre Liebe. Und sie verstanden bzw. verstehen ihre guten Werke als Eingangsberechtigung in den Himmel.
Die Wirkungsgeschichte nicht weniger Versuche radikalen Christentums zeigen, dass es oft tragisch endete.
Aus gutgemeinten Absichten wurde lieblose Überwachung anderer und übersteigerte Selbstgerechtigkeit. Manchmal wirkt es, als ob sie sich selber an Gottes Stelle setzen würden und entscheiden könnten oder dürften, wer nun Gottes Gnade und ewige Gemeinschaft verdient hat und wer nicht.
Dass der Mensch das weder kann noch soll, wurde/wird im Eifer meistens übersehen. Groß die Selbstgerechtigkeit, klein die Liebe.
Wir können sicher beides feststellen:
Was der Gemeinde in Laodicea gesagt wurde, ist wahrscheinlich scharf beobachtet und die Kritik ist als Weckruf berechtigt.
Erreichen uns und unsere Kirchengemeinden heute diese Mahnungen zu Recht?
Sind wir zu lau, weder kalt noch warm, wollen wohltemperiert durchs Leben und auch durchs Glaubensleben gehen? Vor Jesu Radikalität, wie wir sie in den Bibelzitaten gehört haben, stehen wir wahrscheinlich eher armselig da.
Wie gehen wir mit einer solchen Erkenntnis um?
Es gibt ein Adventslied von Jochen Klepper, dass hier, so finde ich, weiterhilft. Singen wir EG16, 1.3-5, Die Nacht ist vorgedrungen
Liedtext:
1. Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern!
So sei nun Lob gesungen dem hellen Morgenstern!
Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet auch deine Angst und Pein.
3. Die Nacht ist schon im Schwinden, macht euch zum Stalle auf!
Ihr sollt das Heil dort finden, das aller Zeiten Lauf
von Anfang an verkündet, seit eure Schuld geschah.
Nun hat sich euch verbündet, den Gott selbst ausersah.
4. Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und -schuld.
Doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte, hält euch kein Dunkel mehr,
von Gottes Angesichte kam euch die Rettung her.
5. Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt.
Als wollte er belohnen, so richtet er die Welt.
Der sich den Erdkreis baute, der lässt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute, kommt dort aus dem Gericht.
Mir hilft dieses Lied sehr. Es versteht, die Augen nicht zu verschließen, vor dem, was ich falsch mache, andere sicher ebenso und
trotzdem eine Perspektive zu schenken, die über das Bittere hinaus zart und einladend ist.
Advent: Der ewige Gott kommt in unsere Welt durch Jesus Christus, natürlich wissend, dass hier Manches nicht so toll ist und vieles, was glänzt, deswegen noch lange nicht wertvoll in Gottes Sicht.
Aber die ewige Liebe wird doch gerade deswegen Mensch, teilt unser Leben, will das Süße gelingender Gemeinschaft schenken und das Bittere der vielen Begrenzungen und Sünden und Fehler einhegen.
Die ewige Liebe will unser Geschick teilen und das Schlechte überwinden, um der Menschen willen. Jesu Worte und Taten zeigen eindrucksvoll auf, wie es sein sollte.
Der heutige Predigttext überführt eine Gemeindepraxis, die selbstgewiss von sich überzeugt ist und trotzdem nicht mit Gottes Heiligen Willen übereinstimmt.
Mir geht es beim Predigttext so, dass darin zu viel „du musst dich ändern!“ steckt und zu wenig, „Die Liebe kommt in Jesus zu dir und wird dich so verwandeln, wie du es im Grunde selber willst, aber aus eigener Kraft leider nicht vollbringen kannst“.
Ich könnte auch sagen: Der Kakao-Anteil im Predigttext ist zu hoch. Es ist mir zu bitter.
Wer Schokolade isst, möchte etwas glücklicher sein.
Schokolade kann glücklich machen, das wissen alle.
Zu welchem Anteil der Kakaoanteil sein sollte, ist bei fast allen unterschiedlich. Aber wer Schokolade isst, möchte dieses kleine Glücksmoment im Leben.
Und in der Adventszeit gehört das dazu. Wir hoffen auf Gottes Segen, auf Liebe, die uns annimmt und zum Besseren verändert. So zart, auch wenn es mitunter die bittere Erkenntnis weckt, wo ich selber unzulänglich bin und der/die andere leider auch.
Und Gott selber will ja, dass uns unser Leben besser schmecke, wäre sie*er sonst Mensch geboren?
Vielleicht lassen wir uns gerade im Advent auf der Zunge zergehen, wie groß Gottes Liebe ist. Und uns anstecken, auch Liebe zu schenken. Ein bisschen so wie Gott in Jesus, nicht lau und halbherzig, sondern voller Wärme; das ist manchmal ein echtes Wagnis.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen
Lied EG 18, 1+2, Seht, die gute Zeit ist nah
Predigt für Sonntag Ewigkeitssonntag Sonntag, 26.11.23, 9: 15 Mh; 10:45 Sg;
Predigttext: 2. Pter 3, (3-7) 8 - 13
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Amen
Liebe Gemeinde,
viele Menschen habe ich auch dieses Jahr mit Gottes Wort begleitet, um Abschied nehmen zu können und sich in ein neues, ganz anderes Leben einzufinden.
Trotz der vielen eigenen Beispiele „erfinde" ich eines:
Ich denke an eine Frau, vielleicht Anfang 60. Dass sie heute zum Friedhof geht. Vor wenigen Wochen ist ihr Mann zu Tode gekommen. Das Leben hatte es bis dahin gut mit ihnen gemeint. So sehr freuten sie sich auf den Ruhestand, die gemeinsame Zeit, lang erträumte Reiseziele sollten endlich realisiert werden. Plötzlich standen die Polizei und ein Notfallseelsorger vor der Tür. „Ihr Mann hatte einen schweren Unfall„." Mit einem Schlag ist alles anders. An den Tag der Beerdigung kann sie sich kaum erinnern. Ihr ganzes gemeinsames Leben, rückblickend so kurz, viel zu kurz in der gegenwärtigen Wahrnehmung. „Es ist so ungerecht. Warum gerade er?" denkt und fragt sie. Sie hat gute Freundinnen, sie treffen sich, gehen spazieren, reden oder schweigen.
Sie wird langsam in die Aufgaben hineinwachsen, die er immer übernommen hatte. Sie wird anderen begegnen, etwas erleben, sich etwas Gutes tun. Der Boden unter den Füßen wird wieder fester werden. Und irgendwann leuchtet dann die Morgenröte eines neuen Himmels, einer neuen Erde auf...
Oder eine umgekehrte Perspektive. Es war, als träfe sie plötzlich Reisevorbereitungen. Gerade hatte sie vom Arzt die schlimme Diagnose erhalten. Es ist nichts mehr zu machen, vielleicht noch ein halbes Jahr, vielleicht weniger. Alle um sie herum brachen in Tränen aus. Das sichere Ende vor Augen wirkte bei ihr anders als bei ihren Liebsten. Plötzlich hatte sie klar vor Augen, was noch unbedingt erledigt werden musste.
Die Energie, die sie noch hatte, wollte sie nutzen, um ihr Wichtiges in die richtigen Bahnen zu leiten. Vielleicht würde sie auch den Pfarrer um ein Gespräch bitten. Das Gebet war schon immer selbstverständlich für sie. Ars moriendi nannten die Menschen die Kunst, vorbereitet die letzte Reise anzutreten. Abschiede brauchen Zeit, es gibt vieles, was vielleicht noch erledigt, angesprochen oder nur mit Gesten und Taten gezeigt werden will. Es wird Ende und Anfang zugleich sein.
Immer wieder fragen wir uns, was kommt nach dem Sterben,
wenn wir nur noch Tod feststellen
Dieser individuellen Frage, die sich wohl alle stellen, entspricht eine Glaubensaussage, die das Ende der Zeit beleuchten möchte. Wird es
ein Ende der Zeit geben, an dem Gott machtvoll wieder zurückkommt auf diese Erde und alles neu machen wird? Und wann kommt der auferstandene Herr auf diese Weise zurück?
Christinnen und Christen in der frühen Christenheit lebten in der großen Hoffnung, dass Jesus Christus noch zu ihren Lebzeiten wiederkommt, diese Welt radikal beendet und Gottes Reich errichten wird. Wie die Geburt einer neuen Schöpfung stellten sie sich diesen Tag vor. Mit Feuergluten und zerschmelzenden Elementen. Aber sie warteten schon lange. Die Hoffnung bröckelte. Hatten sie sich getäuscht? Für nicht wenige war es gleichbedeutend mit der Haltung: Ich vertraue diesem Gott oder nicht.
Ihnen antwortete der 2. Petrusbrief: Ihr braucht nicht mutlos zu werden. Gott wartet geduldig auf euch. Alle sollen die Möglichkeit haben, zu ihm*ihr umzukehren. Das heißt auch: Gott gibt Zeit.
Hören wir den für heute vorgeschlagenen Pgttxt: 2Petr3 , (3-7) 8-13
Je mehr ich Sterbende begleite und auch die Menschen, die zurückbleibend Abschied gestalten müssen, desto wichtiger werden mir Fragen, auf die ich Antworten suche und von Gott im Gebet erbitte. Wie begleitet uns Gott in der Zeit und was dürfen wir hoffen, wenn unsere Zeit und die der uns lieben Menschen vorbei ist?
Zwei Aussagen im Predigttext werden mir bei dieser Frage besonders wichtig. Die eine heißt:
Es ist Gottes Wunsch, dass alle Menschen zu ihm*ihr finden. Daraus schließe ich auch die gegenteilige Bewegung: Gott ist auf dem Weg zu uns, zu allen von uns. Mit seinem Wort, mit den Psalmen, die wir lesen, den christlichen Liedern, die wir singen, den Predigten, die wir hören, aber darüber hinaus eben auch mit den Taten der Liebe, mit denen wir uns helfen, oft und gerade dann, wenn Krankheiten oder Schicksalsschläge hilflos, ganz abhängig davon machen, dass andere liebevoll und fürsorglich sind. Und gerade wenn Lebenszeit zu Ende geht, erlebe ich, nicht immer, aber wirklich erstaunlich häufig eine solche Fülle dieser selbstlosen, liebevoll zugewandten Taten, das kann ich oft nur bewundern und frage mich, wo nehmen Menschen diese Kraft der Nächstenliebe her.
Und im Staunen darüber merke ich, wie auch ein 2. Teil des Predigttextes besonders lebendig wird:
Gerade der nahende oder der eingetretene Tod befreit viele Menschen zu einem Denken und Tun, das sich um das Wesentliche dreht. Und dann wird Gottes Wort plötzlich so wichtig, seine Verheißungen ermutigen, wecken Hoffnung, wo Verzweiflung droht, Trost in aller Trauer leuchtet auf, das Sterben verbittert nicht, Neuanfänge im Leben
der Weiterlebenden langsam und leise oder auch mal schnell und fast zu kraftvoll. Und eben die große Erwartung und Hoffnung, dass Gott ihre*seine Verheißung wahrmacht, auch für die Verstorbenen neues Leben zu schöpfen - Neuschöpfung.
Ist das Vertrauen darauf nicht an sich bereits ein bedeutender Teil von der verheißenen neuen Erde und dem versprochenen neuen Himmel? Mitten im Leid neues Leben; es vergeht etwas, was immer ganz wichtig war, aber damit hören nicht alle Möglichkeiten auf, auch wenn es manchmal scheint, als wären die Uhren stehen geblieben.
Jesus hat den Seinen für die Zeit nach seinem Tod beides zugesagt: Ich bleibe bei euch, mein Heiliger Geist gibt euch Kraft und Glaubensmut in der Zeit und: Nach der Zeit werde ich euch auferwecken, wie mich mein Vater auferweckt hat. Ihr sollt mit mir leben in Ewigkeit.
Wenn ich die Namen unserer Verstorbenen gleich lese, die im heute zu Ende gehenden Kirchenjahr verstorben sind, dann hoffe ich genau darauf: Einen neuen Himmel und eine neue Erde, weil Gottes Liebe alle(s) verwandelt. Und in der Hoffnung möchte bereits hier und jetzt spürbar und wirklich werden, worauf wir vertrauen, nämlich: Dass wir alle, so wir leben oder gestorben sind, geborgen sind in Gottes Liebe durch Jesus Christus unsern Heiland.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen
Lied EG 153, 1-5, Der Himmel, der ist
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Predigt: Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres 19.11.2023 Matthäus 25, 31- 46
der Text aus dem Matthäus-Evangelium, den wir heute betrachten, erzählt uns von einem der eindrucksvollsten und herausforderndsten Bilder, die uns Jesus gegeben hat - das Bild bietet uns einen Blick auf „die Letzten Dinge", auf die endgültige Begegnung des Menschen mit Gott.
Das Evangelium zeigt das „Jüngste Gericht" als persönliches Gespräch zwischen Gott und jedem Menschen mit dem Blick auf sein Leben.
Jesus spricht von einem künftigen Gerichtstag, an dem der Menschensohn in seiner Herrlichkeit erscheinen wird. Die Menschen werden vor ihm versammelt, und er wird sie in zwei Gruppen einteilen, wie ein Hirte die Schafe von den Böcken trennt.
Die Schafe repräsentieren diejenigen, die in ihrem Leben Barmherzigkeit geübt haben, die Hungrigen gespeist, Durstigen zu trinken gegeben, Fremde aufgenommen, Nackte gekleidet und Kranke besucht haben.
Und Jesus sagt: "Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan."
Die Böcke hingegen repräsentieren diejenigen, die die Bedürfnisse der Bedürftigen ignoriert haben. Sie haben nicht geholfen, wenn sie gebraucht wurden, und Jesus sagt zu ihnen: "Was ihr nicht getan habt einem dieser Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan."
Jesus stellt uns vor sich hinund fragt: Was tust du?
In seiner letzten Rede vor seinem Leiden, Sterben und Auferstehen zeigt Jesus, dass es nicht egal ist, was wir als Einzelne tun und wie wir leben.
Viele Menschen leben heute mit dem Gefühl: Was kann ich schon tun? Was ich tue, ist doch eher unbedeutend, nicht so wichtig, egal.
Und so ziehen sich viele bequem oder resigniert auf ihr Privatleben zurück. Sie leben nach dem Motto: „Die da oben müssen, aber ich denke an mich."
Jesus macht hier deutlich: Wir sind bedeutend und unser persönliches Handeln hat Bedeutung.
Was wir tun, mag vor Menschen nicht so wichtig erscheinen, aber es hat Bedeutung vor Gott, im Gericht, für die Ewigkeit und für dieses Leben.
Jesus will nicht sagen: Strengt euch an, damit ihr euch die Ewigkeit verdient, sondern: Unser Verhalten, unser Handeln ist ein Prüfstein dafür, wie es in unserem Innern aussieht.
Denken wir zuallererst an uns, unser privates Wohlergehen, oder können wir in der Nachfolge Jesu von uns absehen und in dem anderen das geliebte Kind Gottes sehen?
Wer braucht unsere Hilfe?
Jesus gebraucht hier Beispiele, die in seiner Zeit und Umgebung wichtig waren: gefangen, nackt, hungrig, durstig, Fremder, krank.
Viele denken hier schnell an Menschen unserer Zeit,
die von den Medien in den Vordergrund gestellt werden, aber vielleicht geht es für uns um ganz andere Menschen, die einsam, orientierungslos, innerlich leer, seelisch arm oder auf andere Weise hilflos sind.
Es kommt nicht auf die Beispiele an, sondern ob wir mit einer inneren Selbstverständlichkeit den Menschen sehen, das geliebte Kind Gottes und bereit sind, zu helfen.
Die Art der Hilfe kann sehr unterschiedlich sein, als materielle oder seelische Hilfe, als Reden oder Zeit zum Zuhören, als Zuwendung oder freundliches Lächeln. Helfen heißt nicht, dass wir immer tun müssen, worum man uns bittet oder nur lieb und soft sein;
es kann auch bedeuten, dass wir mal jemand aufrütteln, ausschimpfen oder deutlich „Nein" sagen, damit der andere aufwacht und sich ändert.
Es geht nicht darum, wie man am besten hilft, das ist immer unterschiedlich.
Es heißt aber, dass wir diese Menschen nicht einfach abschreiben, links liegen lassen, verächtlich über sie reden oder sagen: Da müssen sich die anderen drum kümmern.
Manchmal kann man nicht helfen, weil wir die Mittel und Möglichkeiten nicht haben, und wir können auch nicht der ganzen Welt helfen.
Das will Jesus auch nicht von uns, sondern es kommt darauf an, ob wir um Jesu willen helfen wollen oder nicht. Jesus macht hier deutlich: Du bist nicht egal,
Dein Handeln ist nicht egal.
Es hat sogar so viel Bedeutung, dass Gott uns am jüngsten Tag danach fragt: Wie bist du mit den Menschen umgegangen, die in Not sind und deine Hilfe gebrauchen, egal ob Nachbarn, Freunde, Feinde, Leute, die du gut, weniger gut oder die du gar nicht kennst?
Es sollte uns nicht gleichgültig sein und das wir denken, wir müssen niemanden Rechenschaft geben und müssen nur darauf achten, dass wir einigermaßen gut durchkommen.
Wir denken an diesem Tag an die Opfer der beiden Weltkriege und an viele Opfer anderer Kriege bis in unsere Zeit.
Der Volkstrauertag ist eine Gelegenheit, innezuhalten und über die Bedeutung von Frieden und Versöhnung nachzudenken. Die Erinnerung an die schrecklichen Konflikte der Vergangenheit sollte uns mahnen, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um einen dauerhaften Frieden in der Welt zu bewahren. Wir dürfen nie vergessen, dass Krieg und Gewalt unermessliches Leid über unschuldige Menschen bringen.
Auch heute gibt es noch viele Regionen auf der Welt, wir denken da besonders an die Ukraine und Israel, in denen Menschen unter Kriegen und Konflikten leiden. Wir dürfen nicht gleichgültig bleiben gegenüber dem Schmerz und der Not, die diese Konflikte verursachen. Unser Mitgefühl und unsere Unterstützung sollten denjenigen gelten, die von diesen Tragödien betroffen sind, und wir sollten uns weiterhin für Diplomatie und Konfliktlösung einsetzen.
All dieses Leid entstand und entsteht immer wieder, weil Menschen sich selbst zu Herren machen ohne Respekt vor Gott und vor anderen Menschen.
Sie wollen ihre Vorstellungen mit Gewalt durchsetzen, einige vielleicht sogar mit guten Zielen, aber mit verheerenden Folgen.
Ganz schlimm wird es, wenn Menschen das auch noch im Namen Gottes tun und damit Gott für ihre eigenen Ziele missbrauchen.
Das ist gottlos!
Es ist aber gefährlich, wenn in unserer Zeit Menschen nicht mehr aus innerem Antrieb und Überzeugung fair, respektvoll, gerecht, freundlich und ehrlich miteinander umgehen, sondern nur weil sie sich davon Vorteile erhoffen oder weil sie Angst vor Strafe oder anderen Nachteilen haben.
Wenn das überhandnimmt in unserem Miteinander vor Ort, in der Politik, in der Wirtschaft oder in anderen Bereichen, dann ist unsere Gesellschaft krank,
dann fehlt ihr die innere Substanz. Aber was wundern wir uns?
Wenn viele Menschen in unserem Land meinen,
dass sie Jesus nicht mehr brauchen, dann stellt sich jeder selbst in den Mittelpunkt und das ist die Wurzel für den Werteverfall in unserer Gesellschaft und dass der Respekt im Miteinander verloren geht.
Um gesund zu werden, brauchen wir eine Umkehr, nicht zu Ideologien oder mehr Wirtschaftswachstum, sondern zu unserem Schöpfer und Richter, den wir in Jesus kennen, dass wir bei ihm um Gnade und Vergebung bitten; dass Gott uns und unserem Volk die Möglichkeit gibt, neu anzufangen; dass er uns von Grund auf erneuert, uns befreit von unserer Ich-Bezogenheit und Sucht nach mehr, und wir lernen in seinem Sinn, in seinem Geist zu leben, damit wir zu Menschen werden, die in Verantwortung vor Gott sich an den Werten Gottes orientieren wie Wahrheit, Ehrlichkeit, Fairness, Respekt, Hilfsbereitschaft, etc.; damit wir uns mit Mut, Courage und Verantwortungsbewusstsein für unser Miteinander einsetzen und besonders für die, die unsere Hilfe am meisten brauchen, und wir in der Erziehung das den Kindern und Jugendlichen vermitteln.
Jesus stellt uns in dieser Geschichte vor Gott, unserem Herrn und Richter, um uns den Weg zu zeigen, wie wir als Einzelne und als Volk im Innern wieder gesund werden können.
Was antwortest du deinem Schöpfer, Herrn und Richter, wenn er dich fragt? Amen!
Predigt für Tag der Reformation
Dienstag, 31.10.23, 18:30 Bacharach
Predigttext: Mt 5, 2 – 12
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Gemeinde: Amen.
Liebe Gemeinde,
für den heutigen Reformationstag ist ein Bibeltext vorgeschlagen, der, so meine ich, zu den ganz großen Texten der Menschheitsgeschichte gehört.
Hören wir diesen Bibeltext:
Und wer möchte, kann ihn im EG unter der Nr. 767 auf der Seite 1194 mitlesen:
Mt 5,2-10 (11-12)
Die Seligpreisungen
2 Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach:
3 Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.
4 Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
5 Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
6 Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.
7 Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
8 Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.
9 Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
10 Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.
11 Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und allerlei Böses gegen euch reden und dabei lügen.
12 Seid fröhlich und jubelt; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden. Denn ebenso haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.
Große, großartige, erhabene Worte.
Achtmal derselbe Beginn „Selig sind…“
Und dann kommen Beschreibungen, die manchmal einleuchten, manchmal in der Tiefe der Seele berühren und manchmal ärgern.
Die erste und die letzte Seligsprechung enden mit demselben Schluss:
denn ihrer ist das Himmelreich
Das ist sicherlich kein Zufall oder weil andere Ideen fehlten.
Diese Doppelung macht deutlich, um was es im Kern geht:
Um das Himmelreich.
Das Reich Gottes. Und das mitten auf der Erde. Es ist Jesu zentrale Botschaft. Die richtet sich an seine Jüngerinnen und Jünger und genauso an das Volk Israel, das bei ihm war.
Selig ist, wer…
Himmel auf Erden lässt werden, wer…
Himmel auf Erden erfährt, wer…
Das griechische Verb, das wir mit „selig“ übersetzen, würde eigentlich eher mit „glücklich“ wiedergegeben werden. Einzelne Bibelübersetzungen machen das auch.
Und ich freue mich, dass der gute Martin Luther eine andere Wortwahl für die Übersetzung wählte, bis heute lesen wir in den auf Luthers Text zurückgehenden revidierten Ausgaben: selig.
Das ist mit Blick auf unser Verständnis von Glück und glücklich sein, die treffendere Aussage.
Denn in den Seligpreisungen geht es nicht um übergroßes glücklich sein, nach unserem allgemeinen Verständnis von Glück und es ist auch nicht vorrangig Hinweis für die himmlischen Freuden, die den Frommen nach dem Tod verheißen werden.
Selig sind, laut Jesus:
Die geistlich arm sind, die Leid tragen, die Sanftmütigen, die Barmherzigen, die Gerechtigkeit ersehnen, die Leid tragen, die Frieden stiften, die reinen Herzens sind.
„Selig“ umschreibt ein Leben in der Nachfolge Jesu Christi. Und wer nach Jesu Zuspruch und Anspruch lebt, wird immer neu erfahren, dass Bestimmtes dazu gehört, und manchmal gar nicht mit unserer Überzeugung von Glück in Übereinstimmung zu bringen ist.
Wer selig ist, ist nicht einfach glücklich, aber tief davon überzeugt, dass Gottes Himmelreich wichtiger als alles andere ist und deswegen motiviert, nach Jesu Liebesgebot zu handeln – auch wenn das manchmal wirklich schwer ist. Johannes Calvin, der andere große Reformator hielt fest, dass „Christus leugnet, dass man unglücklich sein muss, wenn man durch die Ungerechtigkeiten der Gottlosen bedrückt wird oder sonst Trübsalen unterworfen ist.“
(Nach Reformation erinnern, predigen…S. 539)
Mir gefällt an Calvins Aussage, dass unser Verständnis von Glück fehlleiten kann. Auch wenn vieles fehlt, was wir eigentlich meinen oder was uns eingeredet wird, was wir brauchen müssten, um glücklich zu sein, ist in Jesu Nähe anders.
Wem also gehört das Himmelreich? Wer ist selig/glücklich?
An populärster, an erster Stelle steht: Den geistlich Armen.
Wie sehr habe ich mich immer an dieser Formulierung gestoßen!
Wie sehr hat sie kabarettistischen und kirchenkritischen Regungen
Nahrung gegeben…
Ich möchte nicht arm sein. Nicht materiell, also in meiner Beziehung zu
den Dingen, nicht intellektuell, also in meiner Beziehung zu den geistigen
Erkenntnissen und auch nicht geistlich, also in meiner Beziehung zu Gott!
Und jetzt wird mein Empfinden an diesem einen, für mich als Christen wichtigen Punkt, meine Beziehung zu Gott, auf den Kopf gestellt.
Es geht nicht um Reichtum und gutes Ansehen vor Gott, darum dass ich in geistlicher und frommer Hinsicht besonders gut dastehe, es geht um eine Armut, die mich auf den ersten Blick abstößt. Denn irgendwie möchte ich Gott schon gefallen, schließlich ist er*sie mir sehr wichtig.
Nun muss ich mir trotzdem eine Einsicht gefallen lassen: Ich stehe vor Gott arm da. Und wenn ich das einsehe und zulasse, dann ist das Himmelreich zumindest näher. Mmh…
In welcher Art und Weise stehe ich vor Gott arm da?
Insofern, als dass ich Gottes Ansprüche nie ganz erfüllen kann. Und auch darin, dass ich mich selber nicht von der Schuld befreien kann. Weder von meiner grundsätzlichen Fehlerhaftigkeit, ich kann mich noch so bemühen, Sünde haftet mir an – da ist wirklich keine Willensfreiheit, so gern ich sie auch hätte. Ich brauche Gottes Vergebung, Gottes Gnade, allein sie hilft mir, vor Gott bestehen zu können.
Und damit sind wir bei einem der Zentren des heutigen Tages, an dem wir der Reformation gedenken, angekommen.
Sola Gratia – so sagte es Luther.
Allein aus Gnade. Darauf zu vertrauen, bin ich herzlich eingeladen: sola fide, allein aus Glauben, ohne Zeichen oder Beweise dafür zu haben. Glauben/vertrauen: Gott überwindet, was mich von ihm*ihr trennt.
Allein durch Gottes Gnade bin ich/sind wir gerecht. Das muss ich erst einmal geistig und geistlich verdauen, verarbeiten, es geht gegen mein Verständnis von eigener Verantwortung und Selbständigkeit.
Allein aus Gottes Gnade heißt ja nichts anderes als: ohne mein eigenes Zutun und Können, ohne meine eigene moralische, intellektuelle und geistliche Leistung – allein aus Gottes Gnade. Puh…
Gnade Gottes heißt dann konkret: Gottes Gnade für mich.
Geistlich arm, ich soll mich ganz und gar auf Gott verlassen. Das ist Himmelreich. Damit beginnen die Seligpreisungen.
Auch wenn ich es besser verstehe, auch wenn ich das gut und richtig finde, es fällt mir schwer, so ganz das Zepter aus der Hand zu geben. Diese Seligpreisung bleibt für mich zuerst Zumutung. Und ist trotzdem Geschenk.
Gerade in unserer Zeit stolpere ich über eine 2. Seligpreisung. Ich finde sie unendlich wichtig, aber wie soll man sie bloß umsetzen? Das Himmelreich erscheint so weit weg, es ist bedrückend:
Selig sind, die Frieden stiften.
Frieden stiften, also dort aktiv Frieden herbei führen wollen, wo Streit, Hass, Krieg, Menschenverachtung toben.
Wer denkt nicht sofort an die Ukraine, an Israel, Gaza-Streifen, die
Hamas.
Und alle, die wissen, dass die Seligpreisungen die sogenannte Bergpredigt einleiten, die erinnern vielleicht auch die so bekannten wie strittigen Worte Jesu, uns allen gesagt:
Vom Vergelten
38 Ihr habt gehört, dass gesagt ist (2.Mose 21,24): "Auge um Auge, Zahn um Zahn."
39 Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Bösen, sondern: Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.
Von der Feindesliebe
43 Ihr habt gehört, dass gesagt ist: "Du sollst deinen Nächsten lieben" (3.Mose 19,18) und deinen Feind hassen.
44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen,
45 auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. (Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.)
Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen
Es leuchtet sofort ein, wie nah bei Jesus beides zusammengehört. Frieden stiften, sogar Feinde zu lieben, um des himmlischen Vaters Kind zu sein.
Und ich merke: Ich bin dem Himmelreich so fern…Kind dieses Vaters? Oder wessen Geistes Kind schon eher?
Könnte ich Jesu Forderung, dem, der mich schlägt, die andere Wange hinzuhalten, für mich selber erfüllen? Ich lasse es einmal offen, fürchte aber nein.
Könnte ich Jesu Forderung erfüllen in meinen Beziehungen zu den Menschen, die ich liebe? Wenn also insbesondere meine Kinder bedroht würden von Terroristen und angestifteten Soldaten? Also wenn sie schon eins meiner Kinder getötet haben, das zweite direkt nachzureichen? Gewiss nicht!
Kann ich von Menschen in Israel oder in der Ukraine erwarten, dass sie Jesu Forderung umsetzen und sich nicht mit Waffengewalt wehren?
Das Himmelreich ist so weit weg…
Ich werde nicht aus eigener Kraft selig. Und wer kann es von sich sagen? Als sich Dietrich Bonhoeffer entschloss, das Attentat auf Hitler mit zu planen und mit durchzuführen, da wusste er, was er auch macht oder lässt, er bleibt nicht unschuldig. Wird er schuldig an denen, die von dem Massenmörder regelrecht abgeschlachtet werden, weil ihn niemand aufhält oder wird er schuldig, weil er diesen Menschenvernichter zu eliminieren hilft. Gegen Gottes ausdrückliches Gebot, nicht zu töten, den Feind zu lieben.
Zuletzt bleibt er zurück in Schuld. Dietrich Bonhoeffer wählte den Weg
des Attentats – tragischerweise gescheitert.
Selig sind…
Ja, wer eigentlich?
Und wenn ich merke, ich schaffe es nicht, wie gehe ich damit um?
Resignieren? Ganz oder gar nicht, also gar nicht erst versuchen, die
hehren Forderungen Jesu zu berücksichtigen?
Das hieße ja, dem Bösen komplett Tor und Tür zu öffnen.
Und wie sieht es mit den anderen Seligpreisungen aus?
Es klingt machbarer „Selig sind die Sanftmütigen“ oder „Selig sind, die Barmherzigen“ oder auch die anderen. Aber sind sie wirklich aus eigener Kraft so machbar, dass wir sie mit Willenskraft und aus freier Entscheidung konsequent leben könnten? Ich will niemanden zu nahe treten. Aber ich sehe hier keine Heilige, keinen Heiligen und heute Morgen war im Spiegel auch nur ein faltiger Wuschelkopf, der überhaupt nicht heilig wirkte und ist.
So sperrig die 1. Seligpreisung für mich ist, ich komme doch wieder auf sie zurück.
Geistlich arm stehe ich da. Unfähig nach Gottes Willen zu denken und zu handeln. Klar würde ich wie Petrus immer wieder felsenfest behaupten: Jesus, ich werde dich nie verraten. Und genauso würde ich, wie der gute alte Namenspatron unserer Kirche, Jesus bei der ersten ernsten Herausforderung im Stich lassen, wie oft habe ich den Hahn schon im eigenen Leben krähen gehört. Es ist zum Heulen.
Wie komme ich aus diesem meinem Elend heraus? Aus eigener Kraft gar nicht. Ich muss meine Blickrichtung ändern.
Wenn ich den Blick auf das lenke, was Gott durch Jesus für mich getan hat, dann staune ich, werde innerlich ruhiger, dankbar, kann Gott leise oder laut loben: Vergebung meiner Mittelmäßigkeit und Schuld; unzählige Male die Gewissheit, mit dem Tod ist nicht alles aus; einen moralischen und ethischen Kompass; großartige Menschen, mit denen ich zusammen unterwegs sein darf in seinem Namen; immer neu den Blick für den/die Nächste; eine nachsehende Milde in mein Wesen, weil ich weiß, wie Christus mir so ich dir; nicht zuletzt auch die wunderbare Natur; die unzähligen Lebensmöglichkeiten; es hört gar nicht auf, wofür ich alles danken will und kann.
Bin ich deswegen selig? Werde ich jemals selig sein?
Das Urteil überlasse ich getrost Jesus.
Aber versuchen will ich´s trotzdem.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen
Lied EG 670, 1-6, Hört, wen Jesus glücklich preist
Predigt für Sonntag 21.nTr
Sonntag, 29.10.23, 9:15 Henschhausen, 10:45 Uhr Steeg,
Predigttext: 1Mo13, 1 - 12
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Amen
Liebe Gemeinde,
dieser Sonntag hat ein großes Thema, die Nächstenliebe, die auch den Feind einschließt; dass Friede werde sogar mit Feinden, aber auch mit Nächsten.
Für die himmelstürmenden Ideale der Feindesliebe sind wir Christen und Christinnen bekannt. Und es gibt zahlreiche Vorbilder im Laufe der Geschichte, die diesen Worten beeindruckende Taten folgen ließen. Zu Recht orientieren wir uns daran.
Nicht zuletzt weisen sie andere und uns selber immer wieder auf Jesus Christus hin, der Nächsten- und Feindesliebe nicht nur predigte, sondern mit dem eigenen Leben beglaubigte.
Heute sind die biblischen Predigttöne etwas verhaltener.
Es geht nicht direkt um diese radikale Form der Liebe, die Feindesliebe, die nicht umsonst für viele (alle?) eine Überforderung bleibt.
Es geht um alltägliche Begebenheiten, darum wie verwandte Menschen miteinander konfliktreiche Situationen entschärfen können. Eher Kleinkram im Alltag, könnte man meinen, aber wer weiß nicht, wie schnell übersichtlich wirkende Konflikte ausufern und einen Streit heraufbeschwören, der zu tief geht, den im Grunde alle nicht wollten, wo eine vernünftige Lösung trotzdem ausbleibt.
Unsere 2018 erneuerte Reihe der zu predigenden Bibeltexte hat ein Augenmerk auch auf diese Dinge des Lebens gerichtet. Friede ist nicht nur in den großen Schlaglichtern der Feindesliebe anzudenken. Friede und die Suche nach, der Einsatz für Friede gehört zum Einmaleins unser aller Leben. Der Friede fängt ganz konkret vor der eigenen Haustüre an, am Esstisch zu Hause, in der Nachbarschaft oder endet bereits dort, ohne schon an den großen Rädern der Weltgeschichte mit heroischen Taten der Feindesliebe gedreht zu haben. Man könnte auch sagen, damit aus Freunden keine Feinde, aus Verwandten keine heillos Zerstrittenen werden, für sowas ist der heutige Predigttext gedacht.
1. Mose 13, 1-12:
Abram und Lot trennen sich
13 1 So zog Abram herauf aus Ägypten mit seiner Frau und mit allem, was er hatte, und Lot mit ihm ins Südland.
2 Abram aber war sehr reich an Vieh, Silber und Gold.
3 Und er zog immer weiter vom Südland bis nach Bethel, an die Stätte, wo zuerst sein Zelt war, zwischen Bethel und Ai,
4 eben an den Ort, wo er früher den Altar errichtet hatte. Dort rief er den Namen des HERRN an.
5 Lot aber, der mit Abram zog, hatte auch Schafe und Rinder und Zelte.
6 Und das Land konnte es nicht ertragen, dass sie beieinander wohnten; denn ihre Habe war groß und sie konnten nicht beieinander wohnen.
7 Und es war immer Zank zwischen den Hirten von Abrams Vieh und den Hirten von Lots Vieh. Es wohnten auch zu der Zeit die Kanaaniter und Perisiter im Lande.
8 Da sprach Abram zu Lot: Es soll kein Zank sein zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten; denn wir sind Brüder.
9 Steht dir nicht alles Land offen? Trenne dich doch von mir! Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten, oder willst du zur Rechten, so will ich zur Linken.
10 Da hob Lot seine Augen auf und sah die ganze Gegend am Jordan, dass sie wasserreich war. Denn bevor der HERR Sodom und Gomorra vernichtete, war sie bis nach Zoar hin wie der Garten des HERRN, gleichwie Ägyptenland.
11 Da erwählte sich Lot die ganze Gegend am Jordan und zog nach Osten. Also trennte sich ein Bruder von dem andern,
12 sodass Abram wohnte im Lande Kanaan und Lot in den Städten jener Gegend. Und Lot zog mit seinen Zelten bis nach Sodom.
Ein bisschen möchte ich den geschichtlichen Hintergrund beleuchten.
Abram, später Abraham genannt, und Lot waren bedeutende Mitglieder einer Sippe, Lot ein Neffe Abrams (1Mo11, 27), in unserem Text ist von Bruder die Rede, so wie in Sippschaften Verwandte sich bis heute oft bezeichnen.
Beide werden vermögend geschildert und als Kleinviehnomaden bestand ihr Wohlstand besonders aus Schafen, Ziegen, auch Rinder und so. Mit ihren Tieren suchten sie regelmäßig das Kulturland auf, um ihre Herden auf den abgeernteten Feldern mit Erlaubnis der sesshaften Bevölkerung weiden zu lassen. Eine Weidewechsel zwischen Steppe und Kulturland, üblich damals und ohne kriegerische Absichten.
Dass ihr Tierreichtum so groß war, war bald auch Quelle für Streit, nicht aus Neid, sondern schlicht, weil für zwei so große Viehbestände das Land einfach nicht ausreichte. Es wurde zu eng.
Was macht man dann?
Setzt sich der Stärkere durch? Schmiedet man Bündnisse? Verbreitet
man Gerüchte? Lässt man die einfachen Arbeiter den Streit vor Ort austragen?
Es gibt so viele unselige Möglichkeiten, dass aus einem solchen Konflikt tiefe Verwerfungen werden.
Abram hatte eine Idee. Sie wirkt so pragmatisch wie überraschend:
Man trenne sich.
Das schwächt einerseits die Sippe, weil man zusammen besser gegen Bedrohungen geschützt ist. Andererseits war es aber angesichts der zugespitzten Lage der Weg, miteinander friedlich zu bleiben.
Lieber Trennung als permanenter Streit.
Ich würde das nicht als Vorbild für jede Art von Konfliktbewältigung sehen. Aber es fallen mir viele Konstellationen ein, ob in Familien, in Vereinen, im Beruf, da scheint es manchmal geraten zu sein, lieber getrennte Wege zu gehen, als immer neu in Streit zu geraten über Dinge, die irgendwie keinen Kompromiss finden lassen. Und der Friede zwischen Menschen ist dann ein höheres Gut, als auf Gedeih und Verderb zusammen zu bleiben und sehenden Auges in die große Not eines ständigen Streits zu geraten.
Zu Abrams Idee gehörte aber auch ein überraschender Großmut. Eigentlich war er der Ältere, gerade nach damaligen Sozial-Strukturen wäre er deswegen berechtigt gewesen, das Land auszusuchen, wo seine Herden Futterplätze finden, Lot hätte sich fügen müssen. Es wird auf schlichte aber deutliche Weise betont, dass Abram Lot die Wahl lässt. Und da offenkundig diese Wahl zwischen besser und schlechter wirkenden Weidegründen stattfindet, ist es doppelt großzügig von Abram. Vielleicht hat es erst diese Großzügigkeit Lot ermöglicht, sich auf den Vorschlag einzulassen, wir wissen es nicht. Jedenfalls wählte er, o Wunder, das bessere Land.
Und vielleicht gehört das dazu, was uns der heutige Text lehren will.
Streitvermeidung kann einen Preis haben.
Bin ich bereit, diesen zu zahlen? Was machte Abram innerlich bereit?
Wie konnte Abram so frei sein, auf das Bessere, was ihm auch eigentlich zugestanden hätte, zu verzichten?
Und wie oft geht es uns doch so, dass gerade aus dem subjektiven oder objektiven Gefühl heraus, übervorteilt zu werden, mancher Streit ausbricht und ungeahnte Dimensionen bekommt. Klassische Beispiele sind oft Erbstreitereien, aber auch anderes. Das kommt in den besten Familien leider genauso vor wie in der Kirche. Für uns Kirche wird es zukünftig möglicherweise dadurch verschärft, dass wir immer weniger Mittel haben werden, aber manche finanzielle Last trotzdem eher größer als kleiner wird. Wer soll dann bezahlen? Oft heißt es jetzt schon, die da oben haben ja reichlich Geld. Haben sie? Auch auf Kirchenkreisebene oder Landeskirchenebene hat man überwiegend, was man durch Umlagen von allen Gemeinden bezieht…
Wie hat Abram geschafft, so großzügig Lot gegenüber zu sein? War es nicht nach bis heute gängigen Vorstellungen dumm, sich so zu verhalten?
Wie wäre es im Nahen Osten, könnte es eine Lösung zwischen Palästinensern und Israel sein, Friede gegen Land einzutauschen? Aber welche der beiden Parteien ist bereit für das Große des Friedens auf etwas anderes zu verzichten? Und aus Israels Perspektive gedacht, kommt für mich erschwerend hinzu, wie kann man überhaupt mit einem Nachbarn leben, der die Vernichtung der eigenen Existenz will? Müssen hier Dritte mit umfassenden Schutzgarantien ins Spiel kommen?
Es schmerzt, diesen Terrorüberfall der Hamas zu sehen und selber wirklich nicht zu wissen, wie aus solchen Verhältnissen Frieden werden kann. Ebenso in der Ukraine. Streit, Krieg um Land, Lebensraum, Lebensgrundlagen. Weit und breit niemand in Sicht, wer, so wie damals Abram, mit einer gleichzeitig genialen und einfachen Idee und der eigenen Bereitschaft kürzer zu treten, Streit und Krieg verhindert.
Mir fällt ein Text von HDHüsch ein, „Wir“ (Das Schwere…S. 13ff)
Auszüge möchte ich vorlesen aus Wir:
„Die wir hier versammelt sind
In Friede und Freude
An diesem Tag mit unserem Herrn über alle Welten
Unserem Herrn der alles berührt und bewegt
Der uns Lachen und Weinen geschenkt hat
Hoffnung und Heimat
Wir wollen versuchen von dem heutigen Tage an
Mit seiner Hilfe wieder aufs Neue
Unsere Gewohnheitsgedanken abzulegen
Und unsere üblichen Redensarten aufzugeben
Und abzusagen alle gestrigen Bemühungen und Erklärungen
Die da lauten:
„Ich seh das gar nicht ein
Warum denn immer ich
Da müßt ich ja schön blöd sein
Soll erstmal der Andere
Ich denke gar nicht dran
Der denkt denn schon an mich“
Und so weiter
…
Ganz abgesehen davon dass die Hoffnung sich dünne macht
Und jeglicher Trost an Wahrheitsgehalt verliert
Wir wollen doch nicht so tun
Als hätten wir alles und jedes im Griff
Als wären wir rundum glücklich
Als wären wir wirklich zufrieden an Leib und Seele
Als hätten wir alles bewältigt
Aus dem FF
Wir wollen doch nicht so tun
…
Wie oft sind wir ratlos und ohne Sprache
In unseren Köpfen kreisen Konflikte
Und jeder Stein wird zum Mühlstein
Und jeder Mühlstein zum Grabstein
Darum Herr
Nimm unsere Hände und führe uns auf den Weg der Versöhnung
…Erlöse uns von unserer Blindheit
Und führe uns immer wieder an den Anfang aller Versöhnung
Nämlich: Schenke uns ein Segelschiff voller Liebe…
Soweit HDHüsch.
„Ein Segelschiff voller Liebe“, es liegt etwas Adventliches in der Luft; das Lied „Es kommt ein Schiff, geladen…“ (EG8), wer kennt es nicht, wie es die Geburt Jesu Christi beschreibt. „Das Segel ist die Liebe“, Liebe lässt werden, ganz Neues werden, „geistlich auferstehen“ heißt es in der letzten Strophe.
Ist das der Grund, warum Abram es konnte? Lot Wahl und Möglichkeit zum Attraktiveren zu geben, weil er Gottvertrauen wie eine „geistliche Auferstehung“ hatte, dass Gott ihn weiterhin begleiten, behüten und beschützen werde, auch wenn er nach menschlichen Maßstäben weder verhandlungsgeschickt, noch gewinnmaximierend, noch statusgerecht auftrat…
Immer wieder wird Abrams großes Gottvertrauen geschildert. Hier im Grunde nur eine konkrete Folge davon im sozialen Leben geschildert.
Wie oft sind wir Menschen leider überfordert, aus eigenem Vermögen Frieden zu wahren. Alle wissen, wie wichtig er ist. Viele bemühen sich. Trotzdem…
Gottvertrauen, Gottes Hilfe, das haben wir so bitter nötig, in unseren kleinen Kreisen genauso wie auf der Bühne der Weltgeschichte.
Vielleicht ist der ehrliche Herzenswunsch, „Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen“ viel mehr als nur ein Anfang, eine geistliche Auferstehung mitten am Alltag, am Esstisch, in der Nachbarschaft...
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen
Lied EG 669, 1-3, Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen
Predigt für Sonntag 20. bzw. 23. n Tr
Sonntag, 22.10.23, 9:15 Manubach; 10:45 Oberdiebach
Predigttext: Mt5, 33 - 37
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes seien mit uns allen.
Amen
Liebe Gemeinde,
hören wir den Predigttext für den 23. Sonntag nach Trinitatis, Mt5, 33 – 37:
Vom Schwören
33 Ihr habt weiter gehört, dass zu den Alten gesagt ist (3.Mose 19,12; 4.Mose 30,3): »Du sollst keinen falschen Eid schwören und sollst dem Herrn deinen Eid halten.«
34 Ich aber sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt, weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Thron;
35 noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße; noch bei Jerusalem, denn sie ist die Stadt des großen Königs.
36 Auch sollst du nicht bei deinem Haupt schwören; denn du vermagst nicht ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen.
37 Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.
Früher, als Kind, wenn ich wirklich etwas beteuern wollte, was keiner so richtig glauben konnte, dann sagte ich manchmal: Ich schwöre es. Dann mussten es die anderen glauben. Und wenn sie es nicht taten, dann hatten sie eine elementare Regel des Miteinanders gebrochen.
Aber noch schlimmer war, wenn, trotz Schwur, die Aussage falsch war und es auch noch herauskam…
Umgekehrt war es uns Kindern auch vertraut: Sagte jemand etwas, was besonders wichtig war oder nicht glaubwürdig wirkte, dann kam schnell die Aufforderung: Schwöre! Man konnte das immer noch erweitern: Schwöre bei Gott. Schwöre beim Leben deiner Mutter …, es gab da immer noch besonders intensivierende Zusätze. Fast wie magische Zauberformeln.
So soll die Macht des Wortes die Ohnmacht derer beenden, die auf die Wahrheit vertrauen müssen.
Wahre Worte wirken Segen, Lüge dagegen Fluch.
Und wer falsch schwört, bringt dadurch nicht allein Fluchwirkung über
die, die der Unwahrheit vertrauen oder ihr hilflos ausgesetzt sind, sondern der setzt sich selber dem Fluch aus, so die Vorstellung.
Deswegen kontrollieren bei schwörenden Kindern immer andere, ob
der/die Schwörende irgendeine fluchableitende Geste beim Schwören macht, z. B. die gekreuzten Finger, die auf den Boden weisen, quasi als Fluchableiter. Wenn diese Geste gesehen wird, weiß man sofort, es liegt eine hochunmoralische Situation vor.
Solange es eher spaßhaft ist, man noch über die Folgen lachen oder schmunzeln kann… niemand wird damit richtige Schwierigkeiten haben. Aber wenn es um wirklich große und wichtige Dinge geht, und die gibt es im Kinderleben auch schon, dann darf man absolut nicht mehr falsch Schwören oder im rechtlichen Rahmen einen Eid brechen, Meineid ist zutiefst verwerflich.
Wir üben es im Kindergarten schon ein, wir spielen und praktizieren es in Kindheit und Jugend, wir haben es fast perfektioniert im gesamten gesellschaftlichen Leben: Es gibt Bundeswehrgelöbnisse, eidesstattliche Verpflichtungen, hippokratischen Eid, bzw. Genfer Gelöbnis, Aussagen unter Eid, Beamteneid, Fahneneid, Zeugeneid, Amtseid z. B. bei Bundeskanzler*in oder amerikanische Präsident.
Diese vielen Formen, den Worten besonderes Gewicht zu verleihen, sei es in der Wahrheitsfindung oder in dem, was für die Zukunft fest zugesagt wird (promissorische Eid) z. B. für die Amtsführung, sind im Grunde selbstverständlich in unserem Leben geworden.
Das hat eine sehr lebensnahe Ursache. Wir wissen alle, wie schnell mal etwas daher gesagt wird, ob wahr, halbwahr oder eher erfunden, auch Dinge versprochen, die man so gar nicht halten möchte - Wahl-versprechen etc…. Diese gewisse Leichtfertigkeit oder auch Leichtigkeit des Alltags ist in vielen Alltäglichkeiten irgendwie allen hilfreich. Aber es gibt Lebenslagen, da ist es absolut nicht tragbar, da für betroffene Menschen untragbare Lebenszumutungen entstehen. Dann braucht man unbedingt verlässliche Aussagen, dann kann Unwahrheit oder Halbwahrheit zum Fluch werden für die, die davon zu ihrem Nachteil betroffen sind. Beispiele kennen wir alle – und auch das fängt schon im Sandkasten an.
Und hört noch lange nicht auf, wenn ein russischer Despot zusichert, die Ukraine nicht zu überfallen, um wenige Tage später in das Land einzumarschieren.
Macht es vor einem solchen Hintergrund überhaupt noch Sinn, Eide schwören und Gelöbnisse durchführen zu lassen?
Muss man nicht tatsächlich mit Jesus sagen:
Hört mit allem diesem Geschwöre auf, letztlich wird doch nur eine noch tiefere Verletzung der Wahrheit und eine Beschmutzung der Person bewirkt, bei der geschworen wird. Eure Rede sei: Ja, ja oder nein, nein. Was darüber ist, ist vom Übel. (s. JZink, Neue 10 Gebote, S. 75f)
Denn, so kann man die Radikalität von Jesu Worten vielleicht besser verstehen: Wenn man schwört, bestätigt man im Grunde das ganze
System der Lüge, die unser Menschenleben viel tiefer durchzieht, als
uns lieb ist und wir offiziell zugeben.
In der Geschichte hat es verschiedene Weisen gegeben, sich mit diesem Verbot des Eidesschwures, den Jesus forderte, auseinanderzusetzen. Da gab es die Überzeugung, Jesus überfordere die einfachen Menschen mit solchen Ansprüchen, deswegen müsste für die schwächeren Menschen die Möglichkeit erhalten bleiben, selber zu schwören, bzw. einen Eid zu verlangen.
Aus solchen Ansichten entwickelte sich eine 2-Stufen-Ethik, nach der bestimmte Menschen, Mönche, Priester, nicht schwören oder einen Eid leisten durften, Otto Normalo aber doch musste.
Martin Luther teilte die Welt in 2 Reiche auf, ein weltliches, das durch menschliche Herrschaft regiert wird und ein geistliches, in dem Jesus Christus herrscht.
Im weltlichen Reich kann dann der Staat den Eid befehlen. Das Verbot von Jesus bleibt davon unberührt. Im Reich Christi, und nur dort, darf nicht geschworen werden.
Ich glaube, alle diese Gedanken bleiben uns heute einigermaßen fremd. Die einen von uns werden den radikalen Jesu so nicht relativieren lassen wollen, die anderen hinterfragen, ob zu Recht auf diese Weise Menschen in zwei Stufen unterteilt werden und ihrem moralischen Gewissen unterschieden werden können. Sind uns nicht allen unzählige Beispiele bekannt, wo gerade Menschen in hohen und angesehenen Ämtern gerade nicht die Pflicht zur Wahrheit so genau genommen haben. Und wenn wir uns zu Recht darüber empören, heißt es dann nicht umso mehr im Umkehrschluss, dass man es selber besser machen möchte?!
Und eine 2-Reiche-Lehre, die Jesu Ansprüche so sehr aus dem einen Reich, dem weltlichen, entfernt, überzeugt uns heute auch nicht mehr.
Wir alle wissen:
Wahre Worte wirken Segen, Lüge entfaltet oft zersetzende Kräfte.
Wahre Worte ebnen den Weg zur Gerechtigkeit, sie helfen richtig ein- und zuzuordnen, ermöglichen ggfls. Umkehr.
Deswegen wird wahrscheinlich der kurze Satz „Du sollst nicht lügen“ von ganz vielen Menschen als eines der 10 Gebote angesehen.
Aber dieses Gebot finden wir nicht. Aber vieles, was sehr ähnlich klingt, z. B.
Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein.
Wenn Jesus uns also auffordert, keine Eide zu schwören, sondern
schlicht die Wahrheit zu sagen, dann höre ich in erster Linie daraus, dass er möchte, dass unsere Worte Segen und nicht Fluch wirken.
Und die positive Kraft wahrer Worte kennen wir alle. Nur, eine Frage muss noch geklärt werden: Was ist Wahrheit?
Wenn eine*r eine Dummheit begeht, dann ist es manchmal besser, den Mantel des Schweigens darüber zu breiten, als alles weiter zu sagen, auch wenn es der Wahrheit entsprechen würde. Und manche Wahrheitsverbreitung ist im Kern eben doch nicht mehr als Klatsch und Tratsch, heischen nach Aufmerksamkeit und Sensation. Oft genug der Beginn der Gerüchteküche. Alles andere als eine segensvolle Wirkung.
Kann man Wahrheit so umschreiben: „Wahrheit ist die Offenheit des Daseins auf Gott hin“? (JZink, Neue 10 Gebote, S. 78ff, 78)
Dann würde zu der Wahrheit Barmherzigkeit und Liebe hinzukommen. Im Epheserbrief heißt es treffend: „Lasst uns in der Wahrheit leben in Liebe“ (ebd. S.79)
Worte können Segen sein oder Fluch – Leben wertvoll oder wertlos machen. Zuletzt geht es um die Liebe zu den Menschen, zu Gott und umgekehrt der Liebe Gottes zu uns.
Falsche Eide, womöglich noch in Gottes Namen, sind abgrundtiefe Lebensfeindlichkeit. Das will Gott auf keinen Fall.
Deswegen greift Jesus in unserem Predigttext nach einem radikalen Rezept: Gar keine Eide, Schwüre, Gelöbnisse etc. Jesu Klarheit leuchtet mir ein und schön wäre es, wenn möglichst alle so leben könnten.
Allein unsere Lebenswelt zeigt, dass wir es nicht richtig können. Ich bin geneigt zu sagen, wenn der Eid dazu dient, wirklich Segen zu wirken und Unheil abzuwenden, dann wird Jesus ein gewisses Verständnis haben. Umgekehrt: Jesu Radikalität offenbart, wie heillos verlogen vieles in unserem Leben ist. Wo nun, mit Eid oder mit einfachen Worten, unser Dasein nicht auf Gott ausgerichtet ist, da werden wir die Wahrheit verfehlen.
Wo wir hingegen Jesu Menschenliebe und Barmherzigkeit unser Reden mehr und mehr bestimmen lassen, da werden wir (und auch andere) schnell merken, es braucht keinen Schwur oder Eid.
Im Grunde reicht ein einfaches Ja oder Nein.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen
Predigt für Sonntag 18.nTr
Sonntag, 08.10.23, 9:15 Neurath und 10:45 Bacharach
Predigttext: 2Mo20, 1-17
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Amen
Liebe Gemeinde,
als wir neulich im kirchlichen Unterricht die 10 Gebote besprochen haben, fragten wir die Jugendlichen, woran sie beim Stichwort „10 Gebote“ denken.
Einige der Antworten möchte ich kurz nennen:
(Grund-) Regeln, Nachricht von Gott, aber auch diese drei Inhalte:
Freiheit, Sicherheit und Gleichgewicht.
Deutlicher kann es kaum werden, dass Gebote nicht vorrangig als Verbote eingeordnet werden, sondern als An-Gebote, das Leben individuell und trotzdem in Gemeinschaftsgerechtigkeit führen zu können.
Die 10 Gebote – eine Chance zu erfülltem Leben.
Wer sich etwas in der Bibel auskennt, weiß wo er/sie die Gebote finden kann. Im Grunde direkt an zwei Stellen in den 5 Büchern Mose, aber es geht mir jetzt weniger um eine Stellenangebe, vielmehr darum, in welchem Zusammenhang sie stehen. Wir hören davon, dass das Volk versklavt war in Ägypten, dass es mit Gottes Hilfe fliehen konnte und nun auf der Flucht durch die Wüste auf sich allein gestellt und ganz auf Gottes Hilfe angewiesen war.
Äußere Freiheit war durch die Flucht als zerbrechliches Gut gewonnen.
Äußere Freiheit ist elementar. Aber wie sorgt man dafür, dass der Freiheit von Unterjochung durch ein fremdes Volk, eine Freiheit folgt, die innerhalb des eigenen Volkes alle Individuen schützt, aber nicht so, dass Unverbindlichkeit und Chaos letztlich diese Freiheit doch wieder gefährdet oder ein zu starres Gesetz einer erneuten Versklavung gleichkäme.
Freiheit, Sicherheit und Gleichgewicht.
So waren einige der Gedanken unserer Jungend zu den 10 Geboten.
In der Bibel sind die Gebote eine Art göttliche Spielregeln für die Menschen, die aus Versklavung kommend die eigene Freiheit gestalten wollten.
In unserer Kirchengemeinde ist der Heidelberger Katechismus im Gebrauch.
Katechismus…
Ein Wort, zu dem sich manchmal noch Gefühle regen. Die einen stöhnen, weil sie eine stumpfe Auswendig-Lernerei mit Schrecken
erinnern. Andere erinnern sich an brillante Inhalte, die ihnen mehr als einmal im Leben geholfen haben. Und wieder andere haben so gar keine Ahnung… Katechismus? Häh, kann man das essen?
Nun, in unserer Kirchengemeinde ist der Heidelberger Katechismus eine verbindliche Schrift. Zumindest gab es eine Zeit, in der die Mütter und Väter unseres Gemeindegebiets tief überzeugt waren, darin finden sich Worte, die im Leben und im Sterben so sehr helfen, dass auch die kommenden Generationen diese kennen und verstehen sollen.
Der Katechismus ist in drei Teile gegliedert: Von des Menschen Elend, von des Menschen Erlösung und Schlussteil ist: Von der Dankbarkeit.
Elend, Erlösung, Dankbarkeit… wo würden wir die 10 Gebote einordnen?
Der Katechismus sagt, nachdem der Mensch von Jesus Christus erlöst worden ist, wird er aus Dankbarkeit Gottes Willen erfüllen wollen. Und dann werden die 10 Gebote so aufgelistet, wie wir sie aus der Bibel kennen. Und neben dem fortlaufenden Text ist ein breiter Rand gelassen, auf dem vermerkt wird 1. Gebot, 2. Gebot usw. Das hilft sehr, denn der Text der Bibel ließe auch durchaus eine andere Zählung denken. Aber es sollen ja 10 werden. Warum? Nun ja, die Lösung ist leichter und pädagogischer als die meisten vermuten. 10 als Zahl ist besonders und zudem haben wir alle 10 Finger, man kann auf diese Weise die Gebote leichter mit Hilfe der eigenen Hände lernen und immer wieder zwischendurch wiederholen.
Besonders aber ist: Die Dankbarkeit darüber, dass Gott für uns da ist, so wie wir es durch Jesus erkennen durften, führt zur inneren Haltung, ich will diese Gebote als Lebensangebote Gottes beachten.
Sie helfen, dass werden kann, was ich wichtig finde, u. a.:
Freiheit, Sicherheit und Gleichgewicht.
Der Predigttext für diesen Sonntag ist, alle werden es nun erwarten, die 10 Gebote, wie sie im 2. Mo20, 1 – 17 überliefert sind:
Die Zehn Gebote
20 1 Und Gott redete alle diese Worte:
2 Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe.
3 Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.
4 Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist:
5 Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen,
6 aber Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten.
7 Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.
8 Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligst.
9 Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun.
10 Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt.
11 Denn in sechs Tagen hat der HERR Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der HERR den Sabbattag und heiligte ihn.
12 Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass du lange lebest in dem Lande, das dir der HERR, dein Gott, geben wird.
13 Du sollst nicht töten.
14 Du sollst nicht ehebrechen.
15 Du sollst nicht stehlen.
16 Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.
17 Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles, was dein Nächster hat.
Ein erhabener Text.
Großartig – aber zeitlos gültig?
Manchen fällt vielleicht sofort eine gewisse Widersprüchlichkeit auf. Da hören wir, wie das versklavte Volk mitten in der Wüste ist, gerade der Sklaverei entkommen, da werden schon Besitzverhältnisse vorausgesetzt, die es gar nicht geben kann: „Du sollst nicht begehren deines nächsten Haus“. Noch in der Wüste, die Versklavung in den Knochen, da schon Hauseigentümer*innen? Offenkundig setzen die Gebote eine ganz andere Lebenssituation voraus, mit Besitztum, patriarchalisch strukturiert, offenkundig in Konfrontation zu anderen Gottheiten von Menschen in der Nachbarschaft, als es in der Wüste möglich wäre, wie es die biblische Erzählung nahelegt anzunehmen wo, wie und wann Israel die Gebote erhielt.
Trotzdem haben die 10 Gebote wichtige Inhalte. Aber eben keine zeitlosen Wahrheiten. Auch Martin Luther setzte das voraus. In den Herausforderungen seiner Gegenwart formulierte er die 10 Gebote etwas um. Das uns geläufige und wichtige Gebot „Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen“ ließ er sozusagen unter den Tisch fallen.
In unserem EG steht der Kleine Katechismus Martin Luthers, EG 855, auf der S. 1312f die Gebote.
Ebenfalls in unserem EG, EG 856, stehen Auszüge aus dem
Heidelberger Katechismus. Dabei die 10 Gebote, S. 1346f, und: Das
Gebot „Du sollst dir kein Bildnis machen“ ist wieder da.
Was macht ein*e wackere*r Christ*in nun?
Wahrscheinlich erst einmal schlucken. Da hat uns der Prediger aber einen eingeschenkt.
„Der Pastor einer Landgemeinde sitzt vor seinem Glas Rotwein. „Merkwürdig“, sinniert er vor sich hin, „wenn die Leute einen guten Wein trinken, dann sagen sie: „Teufel, ist der gut!“ Ist der Wein aber sauer, dann stöhnen sie: „Herrgott, ist der sauer!““ (Selig sind die Humorvollen, S. 36)
Hoffentlich stößt es niemanden zu sauer auf, was ich da über Gebote und EG zu Bewusstsein bringe.
Bleibt am Ball, möchte ich alle ermutigen.
Die Gebote sind erhabene Spielregeln. Und als solche nicht zeitlos.
Martin Luther erkannte das und nutzte es. Uns heute zur Verwirrung.
Und zur Herausforderung.
Selbst die so ehern wirkenden 10 Gebote sind kein Allheilmittel auf alle unsere Probleme. Wir müssen sie verstehen, einordnen, möglicherweise neu formulieren.
Mit den Jugendlichen im Kirchlichen Unterricht haben wir eine Aktualisierung der 10 Gebote mit der Frage „Welche Regeln/Gruppengebote sollen die Teamer einhalten?“ bewirkt.
Dass wir niemanden töten werden, setzen sie alle berechtigterweise voraus. Aber da blieb eine Unsicherheit, wir sollen niemanden mit Sachen abwerfen. Und so oft und vielfältig wie das folgende Gebot, wurde nichts anderes gesagt: Die Teamer sollen nicht lästern, auslachen, schlecht über Teilnehmer*innen reden, nicht urteilen, ihr sollt uns nicht mobben. Man kann nun sagen, steht doch im Gebot, Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten aber das trifft es eben nicht genau. Und wenn man den geschichtlichen Hintergrund des biblischen Gebots kennt, dann weiß man, wie grundverschieden Gebot und Gruppenregel sind.
Was will ich nun sagen?
Einerseits, die 10 Gebote sind ein Klassiker. Jede Christin, jeder Christ sollte sie kennen und auch zumindest die eine Bibelstelle finden können, aus der ich sie heute vorgelesen habe – 2Mo20, 1-17. In unserem nach wie vor christlich geprägten Land sollten sie auch zur Allgemeinbildung gehören, finde ich.
Andererseits, die 10 Gebote kann man nicht einfach auswendig lernen, möglichst nach besten Kräften auf Punkt und Komma genau befolgen und dann erwarten, alles wird gut.
Es gibt hochanständige Menschen, Christen, die niemals eins der Gebote brechen würden und trotzdem befremden mit ihrer Lebensführung.
Jesus wusste das aufzudecken. Auf die Frage des reichen Jünglings
„Was soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe?“ (Mk10, 17ff, parr) deckte Jesus auf, dass man zwar jedes der 10 Gebote halten kann, aber trotzdem vor Gott wie ein Bettler dasteht.
Wenn wir die 10 Gebote befragen, wie geht das mit Klimaschutz, Flüchtlingsbewegungen/Zuwanderung, regelbasierter Welthandel, Digitalisierung, KI, Ehrenamt, Freundschaft und zu vielen anderen Fragen, die uns heute brennend heiß beschäftigen, dann werden wir spüren, wir kommen gar nicht daran vorbei, aktuelle Regeln und Gebote mit eigenem Nachdenken und im Austausch mit anderen zu finden.
Als Jesus nach dem höchsten Gebot gefragt wurde, konnte er geistesgegenwärtig auf das Doppelgebot der Liebe, Gott lieben über alles und den Nächsten wie sich selber, verweisen. (Mk12, 28ff parr)
Was uns die 10 Gebote immer lehren werden?
Wir brauchen Regeln, um persönliche Freiheit und gelingende Beziehungen zu gestalten. Wolfgang Huber spricht von kommunikativer Freiheit und er betont, dass wir Menschen endlich und fehlbar sind und deswegen einen Gottesbezug unbedingt brauchen. (WHuber, Ethik, S. 11ff, 15) Unsere Freiheit wird nicht einfach von Menschen gemacht, sondern wird uns von Gott anvertraut. So stehen wir mit Israel bis heute am Fuß des Berges, von dem Moses mit zwei Tafeln und 10 Geboten herabsteigt, damit wir ein Leben in Freiheit erlernen. Wir werden an dieser Herausforderung oft genug scheitern, wir bleiben auf Gott als Kraftquelle für einen immer neuen Anfang und für eine stete Aktualisierung der Regeln und Gebote angewiesen.
Im KU sagten einige Jugendliche, bei den 10 Geboten denken sie an Freiheit, Sicherheit und Gleichgewicht. Wunderbar, besonders wenn wir hinzudenken: Gott gebe zum Wollen das Gelingen. Ohne Gott können selbst hehre Werte wie Freiheit, Sicherheit und Gleichgewicht zum Goldenen Kalb werden. Oder wie es eine kleine Anekdote ausdrückt:
„Mein Gott, ich glaube, du kannst stolz auf mich sein. Bis jetzt habe ich heute nicht geflucht, niemanden verletzt, keine unsittlichen Gedanken und Begierden gehabt. Dafür bin ich sehr dankbar. Doch in ein paar Minuten muss ich aufstehen, und da brauche ich wirklich ausreichend Hilfe von dir!“ (Selig sind die Humorvollen, S. 5)
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen
Lied EG 494, 1-4, In Gottes Namen fang ich an
Predigt für Sonntag 15.nTr
Sonntag, 17.09.23, 10:45 Uhr Bh,
anschl. Gemeindeversammlung und Kirchkaffee
Predigttext: 1Mo15, 1 - 6
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Amen
Liebe Gemeinde,
vielleicht ist es etwas zu privat, aber aus gewisser Hinsicht doch passend:
Als ich ein junger Mann war, im Studium und voller Zukunft, da war mir merkwürdigerweise klar, eigene Kinder will ich nicht. Warum? So richtig weiß ich es nicht, es war ein Bauchgefühl. Zuviel Unsicherheit, atomare Bedrohung, Nato-Doppelbeschluss, Kalter Krieg oder Scheu vor der damit verbundenen Verantwortung oder Lifestyle oder was auch immer…
Anfang 30 dann, zu meiner eigenen Überraschung, eine völlige Kehrtwende, plötzlich konnte ich mir gar nicht mehr vorstellen, irgendwann von dieser schönen Erde zu gehen ohne Nachkommen zu haben. Nun ja, die Ergebnisse heißen heute Mirjam und Daniel, studieren und betonen auf Nachfrage immer wieder: Eigene Kinder wollen sie nicht. Ich lächele in mich hinein… Und danke dem lieben Gott aus tiefem Herzen für diese wunderbaren Kinder.
Manchmal sind solche Gedanken von nationalem Interesse. Meistens bei uns mit Blick auf Bevölkerungszahl, mögliche Arbeitskräfte und Wohlstandsentwicklung. Dann wird geklagt, wenn zu wenig Kinder geboren werden, eine Überalterung als Schreckgespenst gemalt, um Anreize gerungen, wie man junge Menschen unterstützen kann, dem natürlichsten Vorgang keine Riegel vorzuschieben.
Manchmal sind solche Überlegungen viel existentieller. Wenn ein Wahnsinniger sich vornimmt ein ganzes Volk auszulöschen und unzählige Helfershelfer findet, dieses Unsägliche durchzuführen. Und wie nach dem 2. Weltkrieg geborene Jüdinnen und Juden allein schon ihre Geburt als Triumph über diesen Unmenschen verstehen.
Und wir mit ihnen darin die fortwährende Erfüllung einer göttlichen Verheißung feiern dürfen.
Im Predigttext für diesen Sonntag hören wir davon: 1. Mose 15, 1-6:
Gott verheißt Abram einen Sohn und gewährt ihm den Bund
15 1 Nach diesen Geschichten begab sich's, dass zu Abram das Wort des HERRN kam in einer Erscheinung: Fürchte dich nicht, Abram! Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn.
2 Abram sprach aber: Herr HERR, was willst du mir geben? Ich gehe dahin ohne Kinder und mein Knecht Eliëser von Damaskus wird mein Haus besitzen.
3 Und Abram sprach: Mir hast du keine Nachkommen gegeben; und siehe, einer aus meinem Haus wird mein Erbe sein.
4 Und siehe, der HERR sprach zu ihm: Er soll nicht dein Erbe sein, sondern der von deinem Leibe kommen wird, der soll dein Erbe sein.
5 Und er hieß ihn hinausgehen und sprach: Sieh gen Himmel und zähle die Sterne; kannst du sie zählen? Und sprach zu ihm: So zahlreich sollen deine Nachkommen sein!
6 Abram glaubte dem HERRN, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit.
Ich weiß nicht, ob man die bittere Klage des kleinen Bibeltextes heraushören kann, wenn ich den Text vorlese. Ich wollte, ich könnte so lesen, dass…, aber ich befürchte, ich sollte es besser wiederholen.
Abram klagt Gott seine Kinderlosigkeit.
Abram erlebt mit Gott ein Gespräch und darin wird ihm gesagt, Gott ist Abrams Schutzschild und sehr großer Lohn. Freut sich Abram darüber?
Nein.
Mich erinnert es an einen Satz „Warum weint man manchmal erst, wenn man getröstet wird“.
Und was ist der große Kummer Abrams?
Ganz schlicht, dass er keine Nachkommen hat. Dass er auch damit abgeschlossen hat, noch eigene Kinder zeugen zu können; vielleicht zu alt, vielleicht seine Frau schon über die Wechseljahre, vielleicht zu viele erfolglose Jahre und Jahrzehnte.
Es klingt schon bitter, wenn er auf Gottes große Zusage rückfragend antwortet: „Herr, was willst du mir geben?“ Irgendwie spürt man förmlich, wie tief der Schmerz in Abram über die Kinderlosigkeit ist. Der allertiefste Wunsch ist nicht erfüllt, alles andere wirkt nun eher wie Vertröstung, nicht wie Erfüllung.
Abram hat sich damit abgefunden, dass seine Linie enden wird, dass sein Haus-Bediensteter, Elieser, sein Erbe sein wird. Nicht wirklich das, was Abram als Lebenserfüllung versteht…
Mit Blick auf meine eigene Wendung Anfang 30 kann ich Abram mehr als verstehen.
Aber es geht ja weit über solche individuellen Befindlichkeiten hinaus. Abram, dessen Name etwas weiter in der Bibel zu Abraham (Vater einer großen Menge) wird, Gen17, 5, erfährt eine Verheißung, die ihm eigentlich unglaublich erscheinen muss:
Was für eine Dramaturgie in wenigen Versen!
Unfassbar Großes wird von Gott verheißen.
Fast genauso unfassbar ist die überlieferte Reaktion Abrams: Er glaubte es.
Er stellt all seine Enttäuschung, vielleicht sogar Verbitterung zurück. Und alle logischen Einwände auch.
„Auf dein Wort hin…“ Lukas 5, 5, so klingt es im Evangelium nach Lukas später, als Jesus die Fischer, seine späteren Jünger auffordert, nach erfolgloser Nacht die Netze am hellichten Tag erneut auszuwerfen. Völlig unlogisch am Tag nach einer erfolglosen Nacht etwas fangen zu wollen, und doch…!
Wir kennen die Überlieferung, die Netze waren zum Reißen voll und die Fischer zu Jüngern geworden. Auf dein Wort hin…
Abram glaubte dem Herrn, so einfach erzählt es die Bibel.
Dieses Vertrauen in den erwählenden Gott, ist die richtige Haltung zu diesem Gott. Das wird Gerechtigkeit genannt im Denken und in der Sprache des Alten Testaments.
Vertrauen in Gott und seine Verheißungen, das größer ist als alle Bedenken, Sorgen, Enttäuschungen, sogar logische Schlussfolgerungen.
Ein Vertrauen, das kindlich wirkt, im besten Sinne naiv. (Markus 10, 15)
Eine Grundhaltung zu Gott, die mich immer wieder neu herausfordert.
Wenn ich an die Zukunft der Kirche denke, an die vielen Prognosen der vergangenen Jahre, die Hochrechnungen von 2004/5 für die 2030er Jahre, die in gewisser Weise Weiterführung dieser Prognosen in der sogenannten Freiburger Studie, die 2019 veröffentlicht wurde, die für 2060 eine deutliche Mitgliederrückentwicklung und entsprechenden Finanzeinbruch der beiden großen Kirchen in Deutschland prognostiziert. Die Ergebnisse sind besorgniserregend. Die Kirchen werden kleiner, älter und ärmer. Da kann man ziemlich kleinmütig werden. Lohnt sich der ganze Aufwand überhaupt noch, den wir z. B. betreiben, um Kirchen und andere wichtige Gemeindegebäude zu erhalten? Um das Gemeindeleben vielfältig und attraktiv zu machen?
Und mit Blick auf die kommenden Presbyteriumswahlen: Wenn bewährte tatkräftige Menschen ausscheiden werden, kann dann die ganze Arbeit noch erfolgreich bewältigt werden? Werden wir überhaupt ausreichend viele Menschen finden, die dieses verantwortungsvolle Ehrenamt
überhaupt noch bekleiden wollen?
Manchmal könnte man wirklich verzagen.
Gott, warum mutest du uns das alles zu?
Muss das wirklich sein?
Und jede*r könnte weitere größere oder kleinere persönliche Dinge hinzufügen, die uns fragen und sorgen lassen, ob Gott bei uns und für uns da ist.
Im heutigen Predigttext heißt es schlicht:
Abram glaubte das Unglaubliche. Auf das Wort des*der Ewigen hin. Und wie wurde diese Verheißung erfüllt… über Jahrtausende, Nachkommen so zahlreich wie die Sterne am Himmel – zu viele, um sie zählen zu können.
Dietrich Bonhoeffer, ebenfalls ein großer Vater des Glaubens, formulierte ein Glaubenszeugnis „Ich glaube, daß Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen.“ (Nach EG 813)
Dass wir uns sorgen, dass sich vielleicht sogar tiefe Sorgenfalten bilden vor lauter Unsicherheiten, die wir bedrohlich wahrnehmen, kann uns nicht erspart bleiben.
Aber wir dürfen und sollen uns immer wieder mit kindlichem Vertrauen Gottes Verheißungen zuwenden. Dass Gott ihrer*seiner Schöpfung Zukunft nicht Untergang sondern Leben zusagt, dass sein*ihr Wort nicht verstummen wird, selbst wenn wir manches Gebäude nicht halten können, dass arbeitsfähige Presbyterien entstehen, auch wenn uns manchmal die Bedenken um den Schlaf bringen wollen, dass Frieden werde zwischen den Völkern und nicht Krieg zum Dauerzustand wird.
Manche gegenwärtige Entwicklung kann zu Stress und übergroßer Sorge führen. Aber dagegen stehen das Wort und die Verheißungen Gottes durch Jesus Christus, unserem auferstandenen Herrn und Bruder. Gott will, dass wir uns allein darauf verlassen. Und was uns dann wie ein Wunder vorkommen mag, das ist Teil seines*ihres Reiches inmitten unserer Welt. Das ist Leben, das ist Gegenwart und Zukunft, das sind Nachkommen und neue Generationen im festen Glauben und in Kirchenämtern; wo wir kleinmütig sein mögen, aber: Gott wird es wirken.
Lasst uns fest darauf vertrauen, auf sein/auf ihr Wort hin. Und die Netze am helllichten Tag einfach noch einmal auswerfen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen
Lied EG 659, 1-3, Ins Wasser fällt ein Stein
Predigt für Sonntag 13. n Tr, Oh, 14:00 Uhr, 03.09.23
Einführung Kirchengemeinde Vierthäler
Predigttext: 1Joh4, 7-12
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Amen
Liebe Gemeinde,
Übergänge begleiten uns ein ganzes Leben.
Übermorgen werden der katholische Kollege und ich die Kinder beim Wechsel vom Kindergarten in die Schulzeit mit Gottes Wort und Segen stärken.
Heute stehe ich selber mittendrin in einem großen Übergang.
Und wie liebevoll werde ich dabei begleitet und unterstützt! Die neue Kirchengemeinde Vierthäler mit wunderbaren Menschen und auch der neue Kirchenkreis, dem ich schon einmal zu Vikariatszeiten angehörte, plant umsichtig und einfühlsam diese Einführung. Aus meinen alten Kirchengemeinden sind Mitglieder da, die tiefe Verbundenheit leben und neben der Trauer über den Abschied viel mehr noch ihren Segen zu diesem Schritt geben.
So viele andere sind heute dabei, ihr alle helft, dass dieser Übergang gelingt und besonders wird. Ich spüre die aufmerksame Begleitung, die Hoffnungen und Erwartungen, die frohe Vorfreude, die Liebe, die sich vielfältig ausdrückt.
Und: Es ist mehr als das.
Es ist ein wenig Himmel auf Erden, Gottes Geist mitten unter uns.
Gott selber in unserer Mitte?!
Solange wir solche Ereignisse in unseren Gemeinden haben, dürfen wir gewiss sein, dass etwas von dem wirklich ist, was der heutige Predigttext uns so nahelegt, 1Joh4, 7-12:
Die Liebe Gottes und die Liebe untereinander
7 Ihr Lieben, lasst uns einander lieb haben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist aus Gott geboren und kennt Gott.
8 Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist Liebe.
9 Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen.
10 Darin besteht die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden.
11 Ihr Lieben, hat uns Gott so geliebt, so sollen wir uns auch untereinander lieben.
12 Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollkommen.
Klingt fast zu schön, um wahr zu sein.
Wer hat nicht im Hinterkopf, was eine Anekdote mit einem Kindermund so ausdrückt, Karin betet:
„Lieber Jesus, ich wette, dass es für dich sehr schwer ist, alle Menschen auf der Welt gern zu haben. In unserer Familie sind wir zu viert, aber ich schaffe das nie.“ Karin In: Selig sind die Humorvollen, S. 3
Kindermund tut Wahrheit kund… einerseits.
Andererseits:
Da ist diese große, tiefe Sehnsucht nach dem, was wir mit Liebe versuchen auf einen Nenner zu bringen.
Wir können die Liebe eher psychologisch umschreiben und damit das meinen, was ein stabiles Selbstwertgefühl als Voraussetzung für ein glückliches, ausgeglichenes Leben schenkt.
Vielleicht nehmen wir sie philosophisch/soziologisch und verstehen mit ihr die Kraft, die den Grundstein für unser Sozialleben und damit für unser Denken, Sprechen und Fühlen legen kann.
Und auch die biologische Form der Liebe kennen und schätzen wir, immerhin bewirkt sie, dass wir auf Partnersuche gehen und uns fortpflanzen.
Liebe – nur ein Wort. Aber…
Schon als man das Verb für „lieben“ aus dem Hebräischen, Ursprache des Alten Testaments, ins Griechische übersetzte, wurden drei Wörter daraus. Einige denken nun zurecht an die Tätigkeitswörter agapao, phileo, erao; meint einmal die Barmherzigkeit und das Mitgefühl, phileo betont mehr die persönliche, freundschaftliche Zuneigung und Zärtlichkeit und erao erinnert nicht nur zufällig an eros, die erotische und sinnliche Liebe.
Liebe ist mehr als ein Wort. „Liebe ist nicht nur ein Wort“ (EG665), es erklingt eine Melodie.
Eine Lebensmelodie.
Wir sehnen uns nach Liebe. So umfänglich, so sehr, dass es manchmal weh tut. Nicht nur weil Wünsche unerfüllt bleiben. Auch weil wir immer wieder, in den unterschiedlichsten Zusammenhängen den schmerzhaften Unterschied spüren zwischen dem, von dem wir hingerissen sind, von der Schönheit des Guten, und der erlittenen Gewissheit, wir hinken immer hinterher. Liebe, das sind Worte und Taten, so singen wir fröhlich (EG665), aber ein ehrlicher Blick auf unsere Worte und Taten reicht aus zu spüren, was Karin so aufrichtig zu Jesus sagte:
„In unserer Familie sind wir zu viert, aber ich schaffe das nie.“
Und trotzdem bleibt es ein Grundton der Seele, da ist ein Sehnen in mir -
„Da wohnt ein Sehnen tief in uns“. (Beiheft zum EG 24)
Die Sehnsucht nach der Schönheit des Guten, die Begeisterung für die frohen Farbe der Liebe bleibt in uns. Gott sei Dank.
Im Predigttext höre ich einen großen Realismus, der genau mit dieser Spannung des Mensch-seins umgeht.
Darin besteht die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden.
Gottes Liebe umfängt uns.
Gottes Liebe ist vielfach im Schöpfungsgeschehen nachvollziehbar, in den guten Grundlagen dieser Erde, die uns so satt und reich mit allem Lebensnotwendigen und manchem Überschwänglichem versorgt.
Gottes Liebe ist darüber hinaus Begegnung. In Jesus ist er*sie zu uns gekommen. Hat Worte gesagt, Dinge getan, gelebt was wir besingen: Liebe, das sind Worte und Taten. (EG665)
In Jesu Worten und Taten ist Gottes Liebe.
Und diese Liebe erweist ihre äußerste Wahrhaftigkeit darin, dass Jesus selbst Hass ertragen hat, Abweisung und Ablehnung bis heute erfährt, aber barmherzig und gütig zugewandt bleibt.
Zu dieser Liebe, die das Kreuz im Vertrauen auf Gott erträgt, gehört Gottes Zusage, dass er*sie zuletzt die Liebe als stärkste Macht erweisen wird. Selbst der Tod muss weichen. Jesu Auferweckung ist der äußerste Selbsterweis der Schönheit der Liebe.
Diese Liebe werden wir nie selber machen können.
Deswegen: Gott hat uns geliebt. Und diese Liebe will und kann verwandeln: Versöhnung der Sünden, Auferstehung der Toten und im täglichen Leben dich und mich.
Und das brauchen wir so selbstverständlich wie das tägliche Brot.
Ein kleiner Witz mag es verdeutlichen, also ich finde ihn lustig und treffend, weiß aber, dass mein Humor nicht jedermanns Sache ist - die nicht schmunzeln, gar lachen können, bitte ich um Nachsicht:
„Was hat die Kirche mit einem Schiff gemeinsam? Beide werden von Nieten zusammengehalten.“ Fromme und unfromme Witze, S. 34
Und ich, der Nieten eine, kann nur sagen, wenn ich die Herausforderungen in der neuen Gemeinde sehe, dann werde ich ganz schön unsicher. Vier historisch äußerst wertvolle Kirchen, vier weitere dazu, 14 Orte in der Mischung zwischen lieblichem Rheintal und eher rauem Hunsrück, viele Grenzlagen im kirchlichen und weltlichen Bereich. Reizvolle Aufgaben, aber: Kann ich das und dazu in der geforderten Liebe?
Im Vorstellungsgespräch sagte eine Presbyterin: Was hier bewältigt werden muss, schafft niemand allein, aber wir sind ein tolles Team.
Und gelernt habe ich, dass zu diesem Team natürlich Presbyterium und Gemeinde gehört, aber genauso der Kirchenkreis, der gezielt die Wiederbesetzung der Pfarrstelle unterstützt hat, und auch Bundesland und Bund spürbar bei historischen Bauwerken helfen.
In diesen vielen Beziehungen wird oftmals deutlich, dass Liebe lebt, gelebt wird. Liebe in der Kirche und Liebe zur Kirche.
Ja, darauf will ich mich gerne einlassen.
Und wenn ich mich dann doch überfordert fühle, dann werde ich mich von einer der bekannteren Nieten des Neuen Testaments ermutigen lassen. Der Apostel Paulus fand sich überfordert mit seiner Situation, klagte es dem Herrn und erhielt diese göttliche Antwort:
„Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft vollendet sich in Schwachheit.“ 2Kor12, 9
Auch darin zeigt sich tiefe Liebe.
Schwach sein dürfen, auf ein Team bauen können und gemeinsam das Mögliche erreichen – weil Gott in seiner*ihrer Liebe Segen darauf legt.
Und wie sehr und wie viel dadurch immer wieder erreicht wird, zeigt uns dieser Übergang, den heute in einem Kraftfeld der Liebe Presbyteriums- und Gemeindemitglieder von Vierthäler, aber auch darüber hinaus viele weitere zu einem frohen Fest der Begegnung machen. Das schafft Vertrauen und Gewissheit für die Zukunft.
Und alle, die Übergänge vor sich haben, dürfen wissen, Gott will und wird sie voller Liebe und Fürsorge begleiten. Wenn meine alten Kirchengemeinden einen neuen Pfarrer, eine neue Pfarrerin hoffentlich bald finden werden, wenn Menschen Neues bewältigen müssen, Kindergartenkinder werden Schulkinder, Singles werden Familie, älter und alt werdenden eröffnen sich neue Lebenshorizonte und, und, und…
Hermann Hesse sagte so treffend: Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben. (HHesse, Stufen)
Klingt wunderschön, und das Zauberhafte hat einen Namen und viele Gesichter: Jesus Christus und alle, die seiner Liebe vertrauen, sich im Leben und im Sterben anvertrauen. (Heidelberger Katechismus, Frage 1)
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen
(Predigt) Impuls für Sonntag 27.08.23,
Rheinanlagen Bacharach, 10:30 Uhr
Ökumenischer Gottesdienst
Impuls vorgetragen von Frau Wessling und Herr Kreutz
(Predigttext) Impuls, biblische Grundlage: Jes25, 6ff, Mt6, 25ff
Liebe Festgemeinde,
auf Gottes Güte und Schöpfung ist Verlass.
Und wenn wir fleißig mitarbeiten, dann ist der Segen beinahe grenzenlos.
Dann wird aus mitunter schwerer Arbeit lieblicher Tropfen.
Dann wird aus einfachen und edlen Grundzutaten Köstlichkeiten und Gaumenschmauß.
Dann wird aus Arbeitszeit ein Fest: Korn zu Brot,
Wasser zu Wein, viele Zutaten zu harmonischen Gerichten.
Denn:
Auf Gottes Güte und Schöpfung ist Verlass.
In einem Kreislauf des Lebens versorgt er*sie uns mit allem, was wir brauchen, um zu leben, um zu feiern, ihm*ihr zum Lobe.
Ein frohes Fest dürfen und wollen wir feiern.
Heinrich Heine dichtete so treffend:
„Es wächst hienieden Brot genug
für alle Menschenkinder,
auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust,
und Zuckererbsen nicht minder,…“
HHeine, Ausgewählte Gedichte und Prosa, S. 111
Und ein Text, wie ein Gebet, aus Afrika, findet diese Worte:
„Herr,
ich bin fröhlich heute am Morgen.
Die Vögel und Engel singen und ich jubiliere auch.
Das All und unsere Herzen sind offen für deine Gnade.
Ich fühle meinen Körper und danke.
Herr,
ich freue mich an der Schöpfung.
Und dass du dahinter bist und daneben und davor und darüber
und in uns.
Herr,
ich freue mich und freue mich.
Die Psalmen singen von deiner Liebe,
und die Propheten verkündigen sie und wir erfahren sie.“
Aus: Texte für grüne Christen, S. 151
Einen Psalm haben wir vorhin gebetet. (Ps139)
Vielleicht klingen die frohen, staunenden und dankbaren Worte noch etwas nach. Vielleicht lesen wir sie später noch einmal, zuhause oder wenn uns das kleine Liedblatt noch einmal zufällig in die Hände fällt, bevor wir es endgültig entsorgen…
Ein Prophetenwort haben wir auch schon gehört, lassen wir uns noch einmal davon ansprechen:
Jes25, 6ff
Das große Freudenmahl
6 Und der HERR Zebaoth wird auf diesem Berge allen Völkern ein fettes Mahl machen, ein Mahl von reinem Wein, von Fett, von Mark, von Wein, darin keine Hefe ist.
7 Und er wird auf diesem Berge die Hülle wegnehmen, mit der alle Völker verhüllt sind, und die Decke, mit der alle Heiden zugedeckt sind.
8 Er wird den Tod verschlingen auf ewig. Und Gott der HERR wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen und wird aufheben die Schmach seines Volks in allen Landen; denn der HERR hat's gesagt.
9 Zu der Zeit wird man sagen: "Siehe, das ist unser Gott, auf den wir hofften, dass er uns helfe. Das ist der HERR, auf den wir hofften; lasst uns jubeln und fröhlich sein über sein Heil."
Ein großes Fest mit Gott persönlich als Gastgeber*in.
Da wird es von allem genug und im Überfluss geben.
Und alle Völker sollen geladen sein und teilnehmen.
Wo Gott in unserer Mitte ist, da gibt es Gemeinschaft, keine Ausgrenzung; frohe Begegnung, kein neidendes Gegeneinander.
Die Lasten der Vergangenheit und die Sorgen um das Kommende werden kleiner, größer kann die unbeschwerte Begegnung bis zu einer lockeren und fröhlichen Gelöstheit in der Gegenwart werden.
Und die Schöpfungsgaben haben ihren Platz dabei.
In der Summe wird erlebbar:
Auf Gottes Güte und Schöpfung ist Verlass.
Schmecket und sehet, riechet und fühlet – unendlich freundlich ist unser Gott, von dem Jesus Christus befreiend Zeugnis gegeben hat.
Von dem Jesus bezeugte:
„Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung?
26 Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel kostbarer als sie?“ (Mt6, 25f)
Weite und Lebensräume entstehen, Träume von einem satten und erfüllten Leben werden greifbarer. Eine dem Alltag oft anhaftende Schwere weicht für himmlische Augenblicke, wir dürfen aufatmen und leben und erleben, Gott denkt uns in großer Liebe und Güte mehr als alltägliche Last und Arbeit zu.
Vielleicht nehmen wir das als einen Hinweis darauf, was uns der*die Ewige immer neu hier und jetzt schenken will und darauf, dass wir einst von ihm*ihr erlöst werden zu einer grenzenlosen Weite in seiner*ihrer Liebe. In der ewigen Gemeinschaft mit ihm*ihr und in der Gemeinschaft mit allen Erlösten.
Und vielleicht spüren und erleben wir etwas davon auch schon bei unserem Fest.
Vielleicht gibt uns das neu Kraft, um im Alltag das Nötige treu und tapfer zu tun. Ein vernünftiges Miteinander mit der Umwelt, dass wir verantwortlichen Umgang und nicht Ausbeutung betreiben.
Für ein liebevolles Miteinander mit unseren Mitmenschen, dass wir nicht maximale eigene Vorteile auf ihre Kosten anstreben, sondern fairen Ausgleich von Nehmen und Geben.
Dass wir aus dem Fest zu der Erkenntnis finden, wie sehr Gott Gutes für alle möchte und wir uns davon anstecken lassen zum Wohle möglichst vieler.
Denn:
Auf Gottes Güte und Schöpfung ist Verlass.
Feiern wir das göttliche Ja zu unser aller Leben.
Erfreuen wir uns der reichen Schöpfungsgaben unseres Gottes.
Sind wir dankbar für die feinen Fähigkeiten, die aus dem Korn das Brot und aus der Traube den Wein werden lassen.
„Herr,
ich bin fröhlich heute am Morgen.
Die Vögel und Engel singen und ich jubiliere auch.“
Amen
Predigt für Sonntag 10. n Tr
Sonntag, 13.08.23
9:45 Breitscheid (Bd) und 10:45 Steeg (Sg)
Predigttext: 5.Mose 4, 5-20
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Amen
Liebe Gemeinde,
es gibt Texte, die für ein Volk im Laufe der Geschichte so große Bedeutung gewinnen, dass sich die Menschen damit immer mehr identifizieren. Menschen spüren durch diese Inhalte Halt im Leben, eine Perspektive, für die sich stark machen, eine Gewissheit, die sie brauchen.
Wenn ich für Deutschland nach einem solchen Dokument suche, dann fällt mir unmittelbar das Grundgesetz ein.
In der ganzen Debatte um Identität, was Deutsch-sein sein soll, wie man Menschen begegnet, die aus anderen Ländern kommen, um hier Schutz und Heimat zu finden, da hat sich für mich das Grundgesetz als eine großartige Hilfe erwiesen.
Dieser wunderbare Auftakt, diese wenigen Worte: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Und das wurde von den Müttern und Vätern des Grundgesetzes unter dem Eindruck des völligen Versagens vor und im 2. Weltkrieg kurz nach dem 2. Weltkrieg sehr bewusst so pointiert formuliert. Eine großartige Leistung, um einen Neubeginn das richtige Fundament zu geben. Und es trägt bis heute.
In Frankreich sind es die großen Worte „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“, die seit der französischen Revolution 1789 Identität stiften.
Man kann Ähnliches für andere Länder erkennen, z. B. die Unabhängigkeitserklärung für Amerika.
Und als 1989 der Ruf „Wir sind das Volk“ durch die damalige DDR erschallte, war es eine Kraft, die alle erstaunte.
Wenn wir heute, am Israel-Sonntag, für Israel einen solchen Text finden möchten, freuen und bewundern wir, dass bereits vor vielen tausend Jahren dieses besondere Volk seine Identitätsformel gefunden und bis heute beibehalten hat:
(Schma (Höre) Israel) „Höre Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr
allein. Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft“ 5Mo6, 4f
Gott lieb haben, wie geht das?
Es muss mehr als ein Gefühl sein, um von Generation zu Generation erhalten zu bleiben. Es gehört der feste Wille dazu, die Fähigkeit an diesem Bekenntnis über Jahrtausende festhalten zu können, die innere Überzeugung, die immer neu geweckt werden will, ja im Grunde der Selbsterweis der Richtigkeit dieser Worte im täglichen Leben, weil sie schützen, fördern, quasi gleichzeitig Fundament und offener Himmel gerechter und lebenswerter Verhältnisse sind.
Gott lieb haben, dazu gehört für Jüdinnen und Juden ganz selbstverständlich, seine*ihre Weisungen zu verstehen und zu beachten.
Das Kernstück dieser Weisungen ist mittlerweile überall in der Welt bekannt und geachtet: die 10 Gebote.
Und in diesem Wort verbirgt sich bereits ein mögliches Missverständnis. Gebot(e) hört sich hart an, da wird etwas gefordert, das muss man halten, aus, ende, basta. Und schnell keimt dann eine innere Regung, die sich dagegen auflehnt. Wer will mir denn Vorschriften machen?
Vielleicht reden wir Nicht-Juden anstatt von 10 Geboten von 10 Angeboten. 10 Angebote zum Leben. Ein Schatz, um in der Gemeinschaft mit anderen Menschen einander und damit Gottes heiligem Willen gerecht zu werden.
Im für heute vorgeschlagenen Predigttext wird praxisnah und vielschichtig beschrieben, wie es gehen kann, Gott lieb zu haben, wie man diese Haltung selber und über Generationen bewahrt. Was diese ausstrahlt in die weite Völkerwelt.
Der heutige Predigttext ist 5. Mose 4, 5-20:
6 So haltet sie nun und tut sie! Denn darin zeigt sich den Völkern eure Weisheit und euer Verstand. Wenn sie alle diese Gebote hören werden, dann müssen sie sagen: Was für weise und verständige Leute sind das, ein herrliches Volk!
7 Denn wo ist so ein herrliches Volk, dem Götter so nahe sind wie uns der HERR, unser Gott, sooft wir ihn anrufen?
8 Und wo ist so ein großes Volk, das so gerechte Ordnungen und Gebote hat wie dies ganze Gesetz, das ich euch heute vorlege?
9 Hüte dich nur und bewahre deine Seele gut, dass du nicht vergisst, was deine Augen gesehen haben, und dass es nicht aus deinem Herzen kommt dein ganzes Leben lang. Und du sollst deinen Kindern und Kindeskindern kundtun
10 den Tag, da du vor dem HERRN, deinem Gott, standest an dem Berge Horeb, als der HERR zu mir sagte: Versammle mir das Volk, dass ich sie meine Worte hören lasse und sie mich fürchten lernen
alle Tage ihres Lebens auf Erden und ihre Kinder lehren.
11 Da tratet ihr herzu und standet unten an dem Berge; der Berg aber stand in Flammen bis in den Himmel hinein, und da war Finsternis, Wolken und Dunkel.
12 Und der HERR redete mit euch mitten aus dem Feuer. Den Klang der Worte hörtet ihr, aber ihr saht keine Gestalt, nur eine Stimme war da.
13 Und er verkündigte euch seinen Bund, den er euch gebot zu halten, nämlich die Zehn Worte, und schrieb sie auf zwei steinerne Tafeln.
14 Und der HERR gebot mir zur selben Zeit, euch Gebote und Rechte zu lehren, dass ihr danach tun sollt in dem Lande, in das ihr zieht, es einzunehmen.
15 So hütet euch um eures Lebens willen - denn ihr habt keine Gestalt gesehen an dem Tage, da der HERR mit euch redete aus dem Feuer auf dem Berge Horeb -,
16 dass ihr euch nicht versündigt und euch irgendein Bildnis macht, das gleich sei einem Mann oder einer Frau,
17 einem Tier auf dem Land oder Vogel unter dem Himmel,
18 dem Gewürm auf der Erde oder einem Fisch im Wasser unter der Erde.
19 Hebe auch nicht deine Augen auf zum Himmel, dass du die Sonne sehest und den Mond und die Sterne, das ganze Heer des Himmels, und fallest ab und betest sie an und dienest denen, die der HERR, dein Gott, zugewiesen hat allen Völkern unter dem ganzen Himmel.
20 Euch aber hat der HERR angenommen und aus dem Schmelzofen, nämlich aus Ägypten, geführt, dass ihr sein Erbvolk sein sollt, wie ihr es jetzt seid.
Ein vielschichtiger Text.
Ich werde bei weitem nicht alle seine Facetten in dieser Predigt erfassen.
Umso wichtiger finde ich es, einen Dreh- und Angelpunkt auszumachen. Und da bin ich wieder beim großen Schma Israel: Du sollst den Herrn lieben.
Um diese Liebe zum ewigen Gott geht es vor allem. Und darum, dass dieser einmalige Gott seinen Bund mit dem Volk Israel geschlossen hat. Warum ausgerechnet mit Israel?
Ist das nicht ungerecht für alle anderen Völker?
Diese Frage mag sich uns stellen. Für Israel ist diese Frage mit dem
Auszug aus Ägypten, diese große Befreiung aus der Sklaverei,
beantwortet: Weil Gott es so gefallen hat.
Diese Erwählung durch Gott ist wie eine Berufung. Ehre und Last
zugleich. Und dass wir heute z. B. die 10 Gebote so wertschätzen, liegt
daran, dass Israel seiner Berufung oft genug gerecht geworden ist.
Die ersten Sätze im heutigen Predigttext:
Sieh, ich habe euch gelehrt Gebote und Rechte, wie mir der HERR, mein Gott, geboten hat,
6 So haltet sie nun und tut sie! Denn darin zeigt sich den Völkern eure Weisheit und euer Verstand.
Gott hat durch sein*ihr erwähltes Volk alle Völker im Blick.
Gottes großartige Gebote, diese Rechte, Weisungen und Lehre sind ja nicht nur für Israel lebenswichtig. Für alle Menschen dieser Erde, ihrer*seiner wunderbaren Schöpfung, schenken sie Grundlage, um friedlich, gerecht und mit möglichst hoher Lebensqualität möglichst vieler die Lebensspanne inmitten der Schöpfung erleben zu dürfen.
Durch Israel spricht er*sie bis zum heutigen Tag zu uns.
Hören wir hin?
Trauen sich Jüdinnen und Juden überhaupt noch ihre Lebensschätze aus dieser besonderen Gottesbeziehung anderen zu preisen?
Am heutigen Israel-Sonntag müssen wir leider die eigene Schuld eingestehen. Von der übergroßen Last, die unser Land durch die Shoah sich selber aufgebürdet hat bis zu den gegenwärtigen antisemitischen Entgleisungen, die immer noch und teilweise wieder zunehmend begangen werden. Denkmäler, gar Friedhöfe werden geschändet, Menschen mit Kippa angepöbelt und nach wie vor ist normales jüdisches Leben in Deutschland nur unter Polizeischutz möglich. Eben unnormal.
Wie kann das sein?
Ich empfinde das als eine Schande. Als unfassbar.
Genauso wie die Versuche einiger Parteien, z. Zt. macht es besonders hörbar die AfD, Shoah/Holocaust zu verharmlosen.
Oft sind es dieselben Leute, die so anständig wirken wollen und seriös, die nie z. B. die hohe Bedeutung der 10 Gebote in Frage stellen würden, die gleichzeitig untergründig oder unverschämt offen antisemitisch reden und wenn vielleicht auch nicht selber handeln, so doch schüren, was dann zur verrückten Tat wird.
Von Jesus ist ein schlichter Satz im Johannesevangelium überliefert, den mancher Religionslehrer zur Nazizeit am liebsten aus der Bibel gestrichen hätte: „Das Heil kommt von den Juden“. (Joh4, 22)
Es ist unendlich viel Wahres daran.
Warum das so ist?
Weil Gott in der eigenen Souveränität es so gefügt hat.
Letztlich stellt sich die Frage, erkenne ich Gottes Souveränität an?
Das Heil kommt von den Juden.
Wir dürfen uns nach den 10 Geboten richten und so besser leben.
Jesus, von Gott zu seinem Volk und zu allen Völkern geschickt, Jesus, das betone ich im KU gerne, weil manche diese Zusammenhänge schwer erkennen können, war selber Jude.
Und was haben wir Jesus zu verdanken…
Eigentlich müssten wir uns freuen und Gott immer neu danken, dass er*sie über sein*ihr erwähltes Volk uns allen seine Liebe und Güte, ihre Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit offenbart hat und nicht müde wird uns zu lehren, wie man selber gütig und liebevoll leben kann.
Das ist mehr als ein Gefühl.
Es gehört der feste Wille dazu. Die Fähigkeit daran festzuhalten. Die weitsichtige Vernunft, wie man solches am besten über die Generationen weitergeben kann. Zuletzt der Selbsterweis dieser Werte, die im täglichen Leben sich als das Sinnstiftende und glücklich machende erweisen.
Jüdinnen und Juden feiern am Ende des Laubhüttenfestes einen ganzen Tag lang das Fest der Tora-Freude, die Gabe Gottes dieser (An-)Gebote zum Leben. (Simchat Tora (Simhrat Tora))
Ein buntes, frohes Fest. Kinder bekommen oft Süßigkeiten, um zu zeigen, süß und voller Leben sind die Weisungen Gottes.
Vielleicht werden wir nicht so unbefangen etwas preisen können, was Gebot heißt, vielleicht hat das viel mit unserer Geschichte zu tun und unserem Verhältnis zu Autoritäten und selbstausgedachten Regeln, die oft wie ein harter Stock herabsausen und knechten.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Ob wir diesem wunderbaren Satz noch mehr Leben geben können, wenn wir mitdenken: Die Ebenbildlichkeit eines jeden Menschen mit Gott? Dass Gott selber schenkt und gibt, so unendlich viel: Die 10 Gebote, die die Würde großartig schützen; seinen*ihren Sohn Jesus Christus, der uns leben und lieben hilft.
Da ist so viel Heil und Gutes, mit dem Gott durch ihr*sein erwähltes Volk und durch Jesus Christus uns erreichen und befreien möchte.
Gottesdienst 23.7.2023 in Steeg
Gnade sei mit uns und Friede von Gott, dem Vater, und unserm Herrn
Jesus Christus.
Liebe Gemeinde,
nach dem Pfingstwunder in Jerusalem, wo so viele Menschen für Jesus Christus gewonnen wurden, kam dann der Alltag! Dazu gehört die Gemeinde-Bildung! Wie schwierig schon bestehende Gemeinden zu leiten sind, das weiß ich aus meiner Presbyterzeit. Es gibt viele Probleme und noch mehr Lösungsvorschläge dazu. Ich beneide keinen Presbyter …
Da können wir uns von den frühen Christen Rat holen. Tausende ließen sich nach der mitreißenden Predigt von Petrus zu Pfingsten taufen! Und: sie blieben in der Lehre und im Brotbrechen!
Sie bildeten eine neue Gruppe in ihrer Lebenswelt, sie hielten sichtbare Gemeinschaft untereinander! Es geschahen Zeichen und Wunder! Eine neue Lebensform bildete sich heraus: Sie teilten miteinander. Sie beteten miteinander – im Tempel. Sie feierten das Heilige Abendmahl, das Brotbrechen miteinander - in ihren Häusern. Das fiel auf! Und die Gemeinde wuchs. Wie schön.
Das alles aber verlangt auch Organisation! Es war ja eine bunt gewürfelte Schar, „die“ Gemeinde: Viele freigelassene Sklaven wandten sich den Christen zu – sie konnten ja von ihren früheren „Besitzern“ keine Entschädigung verlangen. Viele nie gekannte Pro-bleme mussten bewältigt werden. Und dabei stellte es sich heraus, dass das beste Organisations-Mittel unter Christen die Liebe ist!
Liebe weiß, was den anderen fehlt. Liebe hat besondere Augen; sie erkennt Unausgesprochenes. Liebe
ist erfinderisch, heißt es ja auch oft. Und ich kann nur sagen: Was da in der Apostelgeschichte steht, da wa-
ren viele gesegnete Erfinder und Erfinderinnen am Werk.
Und deren Tun steht ja nicht unter Erfinderschutz! Ihre Liebe will nachgeahmt werden; denn sie ist an Christi Liebe dicht dran. Sie mussten ja Gemeindeleben erst mal ausprobieren. Da hatten die frühen Christen bestimmt zuerst Jesu Jüngerkreis vor Augen: Diese 12 hatten den Herrn ja 24 Stunden am Tage begleitet. Denen musste man abgucken, was auch für mehr als ein Dutzend Menschen zum guten Christen-Leben mit vielen anderen taugt.
Es ging sicher oft auch holprig zu: Denn wie die ersten Christen alles aufzugeben, alles in den gemeinschaftlichen Topf zu werfen, das ist schwierig. Wir sind doch alle Individuen, Einzelwesen und haben alle eigene Wünsche und Vorstellungen.
Die „jungen Gemeinden“ lebten zwar in einer ganz anderen Zeit, aber einige Voraussetzungen sind ja gleich geblieben: Wir haben das Wort vom Heil in Jesus Christus, wir haben die Taufe und das Heilige Mahl als handfeste Zeichen seiner Gegenwart und wir haben die Aufgabe, nicht nur uns, sondern auch den Nächsten zu lieben …
Die ersten Christen hatten einen Vorteil: Sie lebten ganz nahe beieinander! Sie kannten sich fast alle. Viele hatten den Heiland noch persönlich gesehen und gehört. Da könnte man sagen: Die haben gut glauben! Aber uns begegnet der Erlöser ja auch immer in seinem Wort, in der Gemeinde.
Es ist eine sehr schwere Aufgabe, zu glauben, aber es ist auch ein Geschenk! Es verlangt offene Herzen. In unserem Bibeltext sind 3.000 Menschen genannt, die sich taufen ließen! Da wird uns ja regelrecht schwindlig! Mir sind dann die Schwimm-bäder vor Augen, wo andere Glaubensgemeinschaften ihre neu geworbenen Mitglieder in Massen taufen!
Das ist sicher nicht Jesu Auftrag für uns. Seine eigene Taufe durch Johannes im Jordan ist für uns aber sehr wichtig: Der Sohn Gottes, der Schuldlose, lässt sich zum Vorbild für uns taufen. Er will uns Vorbild sein – das ganze Leben über. Und beim Geld fängt alles an, heißt es doch.
Viele der ersten Christen waren arm wie die sogenannte Kirchenmaus! Für sie war der „arme“ Jesus
von Nazareth aber alles: Er schenkte ihnen den Him-
mel. Sie waren nicht mehr die Letzten, sondern die Ersten! Und das fiel auf. Das brachte ihnen zunächst nur Freunde ein. Die Feinde kamen später.
Ich würde diese Lebensform nicht nur „sozial“ nennen. Sie war familiär, geschwis-terlich. Man hatte die Bedürftigen im Blick. Es ist ja von den Diakonen die Rede
(der erste war Stephanus!), die ausgewählt wurden, um die Ärmsten zu versorgen. Erfindung der Christen!!!
Sie waren eine ideenreiche Test-Gruppe Jesu, die frühen Christen! War der Herr ihnen näher als uns? Ich denke, sie haben ihn viel mehr herbeigerufen! Herbei gebetet! Sie waren sich ihrer eigenen Schwächen mehr bewusst als wir heute – wir geben keine Schwachstelle mehr zu, das ist nicht mehr „in“. Wir leben in anderen Verhältnissen, aber dafür gibt es viele andere Nöte bei uns, für die noch keine Helfer
und erst recht keine Heilmittel gefunden sind. Heute müssen schon Schulkinder von Psychologen und Therapeuten behandelt werden, damit sie „mitkommen“. Da läuft etwas falsch, denke ich oft. Großeltern, Weiterträger des Glaubens, leben heutzutage meist entfernt von ihren Enkeln. Vieles in Sachen Glauben wird nicht weiter tradiert, weitergetragen, weil die Eltern beide berufstätig sein müssen, um den gewünschten Lebensstandard aufrecht zu erhalten.
Viele Sitten und Gebräuche gehen dadurch verloren. Deshalb ist ein Rückblick auf die ersten Gemeinden glaubenswichtig! Das jüdische Land war in römischer Gewalt, die allerdings den Glauben nicht an-tasten sollten. Aber sie waren ja besonders steuerlich sehr bedrückt, die Juden! Und das, seitdem das Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde.
Und jetzt ist für uns der Zeitpunkt gekommen, wo wir besonders aufmerken können: Christus ist gerade da geboren, wo alle Welt von anderen „Herren“ abhängig war! Christus hat den Menschen eine Lebensform gebracht, die nichts mit einer Staatsform und deren Zwängen zu tun hat.
Wir haben einen Arzt der Seelen, der einfach nicht zu übertreffen ist: Jesus Christus. Christus will Gemeinschaft, ohne den Einzelnen zu bedrücken. Das ist das Beson-
dere am Christentum. Die christliche Gemeinschaft bietet weiten Raum; das Denken ist nicht verboten, es gibt nur wenige Vorschriften, die man einhalten sollte. Unser Herr Jesus hat der „ersten“ Gemeinde ja keine neuen Gebote aufgehalst: Es sind die bekannten 10 Gebote vom Berg Gottes. Und die hat unser Herr zusammengefasst in: Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen und mit all deiner Kraft und deinen Nächsten wie dich selbst.
Dafür waren die ersten Christen wirklich Vorbilder! Und es ist gut, sich das einmal nicht nur durch den Kopf, sondern durchs Herz gehen zu lassen. Gründe, in der christlichen Gemeinschaft, der Gemeinde, zu bleiben, gibt es genug!
Der wichtigste Grund ist unser HERR Jesus Christus, der sein eigenes Leben für unsere feste Verbindung zu Gott hergegeben hat!
Amen
Predigt zum Gottesdienst am Sonntag, den 2. Juli 2023
Gnade sei mit uns und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt.
„Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.“ So sagt es Jesus Christus selbst, so wie wir es auch eben im Evangelium gehört haben. Wenn wir Kinder beobachten, wie stark sie an etwas glauben können, wie offen sie mit ihren Augen und ihren Herzen durch die Welt gehen, wie sie beobachten und durch scheinbar banale Fragen das Verhalten und Denken der Erwachsenen vorführen, dann ist das schon sehr beeindruckend. Kinder sehen die Welt einfach anders: Ihnen fehlt das Erfahrungsspektrum der Erwachsenen, das diese zunächst immer erst einmal Bedenken anmelden lässt, wo durch wissenschaftliche Ergebnisse vermeintlich Dinge endgültig geklärt scheinen, die so manche Phantasie, so manche Hoffnung und so manchen Glauben Keim ersticken können.
Kinder sind so viel mutiger als wir, und das können die Mitglieder des Wintersportvereins Rabenkopf bestimmt bestätigen. Kinder stellen sich auf die Skier und fahren einfach los, sie lernen das so schnell. Und die Erwachsenen müssen es mühsam lernen. Auch ich kann es bis heute nicht und habe Angst davor und würde mich unter Garantie ganz furchtbar ungeschickt und schwerfällig dabei anstellen. Aber auch sonst sind Kinder so viel mutiger, auch auf Klettergerüsten am Spielplatz. Manch einer könnte auch sagen, sie sind leichtsinnig. Ja, aber vielleicht ist es gerade der leichtere Sinn im Gegensatz zu den schweren Bedenken der Erwachsenen.
Kinder sind viel emotionaler, können mit der Zuneigung und Liebe, die sie für etwas entwickeln können, in ihrer Gedankenwelt wirklich Berge versetzen: Da ist die Puppe oder das Stofftier einfach lebendig und man kann mit ihr oder ihm reden. Und selbstverständlich ist auf den Plastik-Spielzeugtellern etwas zu essen und in den Bechern etwas zu trinken, die man auf dem Fußboden für alle gedeckt hat. Die dazugehörige Kanne ist endlos gefüllt.
Die Tochter einer Bekannten hatte sich noch im Alter von 8/9 Jahren einen Plan gemacht, auf dem genau festgelegt war, an welchem Tag welches Kuscheltier in ihrem Arm einschlafen darf: Damit eben keines traurig ist oder sich benachteiligt fühlt.
Kinder durchdringen mit ihrer Liebe etwas, das scheinbar Lebloses zum Leben erweckt. Vielleicht kennen Sie diese Stelle aus dem „Kleinen Prinzen“, wo dieser in der Wüste auf den dort gestrandeten Piloten trifft und den er bittet: „Zeichne mir ein Schaf!“ Und der Pilot zeichnet ihm ein Schaf nach dem anderen: „Nein, das ist zu dick!“ „Nein, das ist zu alt.“ „Nein, das ist zu müde!“ – keines der vielen Schafe, die der eigentlich zeichnungsbegabte Pilot malt, ist so, wie der Kleine Prinz es haben möchte. Dem Piloten reißt der Geduldsfaden und er zeichnet energisch eine Holzkiste mit drei Löchern und drückt sie dem Prinzen in die Hände mit den barschen Worten: „Das ist die Kiste – das Schaf, das du willst, es ist da drin.“ Und er ist erstaunt, als der Kleine Prinz voller Freude die Zeichnung nimmt, vermeintlich durch die Löcher in die Kiste sieht und begeistert spricht: „Das ist genau so, wie ich es mir gewünscht habe! Aber sieh nur: Es ist eingeschlafen!“, und ganz leise und vorsichtig legt er das Blatt auf die Erde.
So etwas würde dem sogenannten ungläubigen Thomas beispielsweise niemals passieren. Der glaubt eben nur, was er sieht.
Und wir selbst stehen dann bei den Kindern, die mit so einer Phantasie denken und spielen, und sagen dann oft einfach nur: „Ooo, wie süüüüß“, aber wir kämen nie auf
die Idee, uns an dieser Phantasie, an diesem Glauben der Kinder an das für uns Menschen scheinbar Unmögliche ein Beispiel zu nehmen.
Ich mag in diesem Zusammenhang - auch im Hinblick auf die Kinder – die Worte aus dem 1. Petrusbrief (1,8), die wir auch vorhin hörten:
„Ihn habt ihr nicht gesehen und habt ihn doch lieb; und nun glaubt ihr an ihn, obwohl ihr ihn nicht seht; ihr werdet euch aber freuen mit unaussprechlicher und herrlicher Freude, 9 wenn ihr das Ziel eures Glaubens erlangt, nämlich der Seelen Seligkeit.“
Aber in Jesus Augen sind halt doch vor allem die selig, die nicht sehen und doch glauben. Und wir haben diesen Glauben, der uns wider alle sog. Vernunft und Einsicht in dieser Welt Hoffnung und Zuversicht schenkt im Vertrauen auf Gottes Güte und Beistand auch bei allem, was uns Menschen total überfordert.
Und es macht mich persönlich so traurig, dass viele Kinder, auch die großen, nicht mehr zu Jesus kommen können. Sie werden heute ohne Glauben groß; die klugen und aufgeklärten Erwachsenen vermitteln - trotz aller Versuche, dies kindgerecht zu tun – aber unterm Strich dennoch schonungslos, dass die Welt quasi untergeht. Sie ziehen die Kinder auf dem Grund ihrer eigenen Angst und Überforderung in einen Strudel der Hoffnungslosigkeit. Die Kinderseelen haben Corona mit allen Konsequenzen überstehen müssen und konnten sich da vielleicht wenigstens in ihre Fantasiewelt flüchten und hatten ihre Kuscheltiere als Ansprechpartner, die sie wenigstens anfassen durften. Heute erzählen ihnen junge Erwachsene - für meine Begriffe mit einer gehörigen Portion Arroganz und Anmaßung von sich als der „letzten Generation“, als ob sie den Umweltschutz erfunden hätten, der mich angesichts saurer Wälder und Atomkraftwerken vor knapp 40 Jahren in der Oberstufe auch schon umgetrieben hat. Die Mahnung in dieser Bezeichnung „Letzte Generation“, die den Erwachsenen gelten soll, kommt bei den Kindern im Zweifel als Todesurteil an. Vielen Dank auch für dieses wunderbare Signal an die ganz Kleinen: Für euch ist es eh gelaufen.
Woher nehmen Kinder von heute Hoffnung? Die Kinder- und Jugendpsychologen können sich kaum retten vor dem Ansturm auf Termine in ihren Praxen; bei den Erwachsenen sieht es nicht viel anders aus: – woher schöpfen auch Erwachsene Hoffnung und Zuversicht, wo ihnen jeden Tag auf allen Kanälen und Medien statistisch veritabel alles ganz sicher erklärt wird mit dem Scheitern der Welt.
Hoffnung wird verschlungen durch das, was auf dieser Welt geschieht und wie die Menschen es einzuordnen. Da ist kein Gottvertrauen, sondern nur noch Vertrauen in sich selbst. Es gibt so vieles, was wir nicht erklären können, so vieles, was wir nicht ergründen können und das, was Menschen sich erklären können, das wird aber als das absolute Wissen transportiert. Vermutlich wissen wir nur wenig, aber das aus voller Überzeugung.
Gaube ist uncool, weil wir ihn in keine Horrorszenario-Statistik stecken können, und für die Kinder auch nicht gut in die Checker-Tobi, logo-Nachrichten oder purplus- formate quetschen können.
Lasset die Kinder zu mir kommen! Warum erzählen wir den Kindern so wenig von der Hoffnung? Warum erzählen wir ihnen nicht mehr vom Glauben? Warum lassen Erwachsene Kinder nicht in Kontakt mit dem Glauben kommen, auch wenn sie vielleicht
selbst damit wenig anfangen können? Sie sollten doch froh sein, wenn wenigstens den Kindern damit eine Welt eröffnet wird, die ihnen Trost und Zuversicht schenken kann im Glauben an einen allmächtigen, barmherzigen und liebenden Gott, der das Leiden und den Tod in dieser Welt überwunden hat.
Ich möchte daher mit einem Zitat enden aus einem der großartigsten Bücher, das manche von euch vielleicht kennen: „Hallo, Mr. Gott, hier spricht Anna“. Dieses Buch basiert auf einer angeblich wahren Geschichte eines kleinen 5-jährigen Mädchens, das von zu Hause weggelaufen ist, von blauen Flecken und Striemen übersät, das Zuflucht findet bei einem jungen Mann und dessen Familie. Sie stirbt kurz vor ihrem 8. Geburtstag an einem tragischen Unfall, und sie sagt beim Sterben: „Wetten, dass mich Mister Gott dafür in seinen Himmel reinlässt?“ Dieses Kind ist geprägt von einem tiefen Glauben an Mr. Gott, wo auch immer sie ihn geschenkt bekommen hat, der sie durch ihr kleines und viel zu kurzes Leben trägt.
Anna fragt an einer vorhergehenden Stelle im Buch, als ihr großer Freund Fynn (der junge Mann der sie gefunden hat) an einem Stromkreis herumexperimentiert: „Was hast du gemacht?“, fragt sie.
„Die Stromstärke gemessen.“ „Innen drin?“ „Stärke kann man nur in einem geschlossenen Stromkreis messen.“ „Siehste, also innen. Das ist genauso wie die Leute in der Kirche, nicht?“ Als sie sieht, dass Fynn es nicht begreift, was sie meint, setzt sie nach: „Ich meine, die Leute gehen zur Kirche und glauben, sie können Mister Gott ausmessen. Aber sie tun das nur von außen. Richtig messen, ich meine, die Stärke von Mister Gott, kann man nur ausmessen, wenn man in ihm drin ist.“
Und der Friede Gottes, der sehr viel höher ist als all unsere menschliche Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus, unserem Bruder. Amen.
Kirchweihfest Steeg 2023 - Predigt 18.06.2023 in Plattdeutsch
Liebe Fest-Gemeinde,
welches Bibel-Thema passt wohl zu unserem Kirchweih- bzw. Weinblütenfest wie die sogenannte Faust aufs Auge? Es muss ein Esel drin vorkommen; er ist ja unser Wappentier! Wir identifizieren uns mit ihm! Esel gibt es reichlich in der Bibel: Im 4. Buch Mose begegnet uns schon ein Prachtexemplar. Das war garantiert ein Vorfahre vom Steeger Esel, geduldig, geländegängig, treu. Er war das Reittier des Gottesmannes Bileam. Und eine Wingertsmauer gibt’s in der Geschichte auch. Das bascht doch wie die Fauschd uffs Aab! Das mecht ich jetzt gere verziele.
Die Israelide, usem Gott sei erscht Völkche, ware met em Mose endlich aus de Sklaverei in Ägypte freikomm. Ach, was hadde se en weide Wääch ins Gelobde Land – se ware Nomaden! Noh wer woiß wieviel Johre kame se endlich am Jordan an, awwer uff de verkehrd Seit. Un grad do war die grooß Stadt Jericho. Das war Moabider-Land!!! En Stadtmauer, riiieeesich! Do hadde se schun all Herz-Klobbe! Do misse mer dorch! Es gibt koine annere Wääch niwwer! Ach das noch! Vor däne Moabider hon doch alle Leit Ängscht! (1. befestigte Stadt der Welt)
Awwer dem Zuch vun Israelide ging jo aach en Ruf voraus: Das Volk, das vun Ägypde her kimmt, das muss en starke Gott hon! Was die schun alles henner sich brocht hon!!! So hons die Ratsleit dem Moabider-Könich Balak gesaht. Awwer dem Balak is ebbes engefall: Am Euphrat lebt ein Seher mit Namen Bileam! Einer, der in die Zukunft schauen kann! Schafft mir den Bileam herbei! Hier ist ein Brief für ihn! Ich gehe ihm ein bisschen um den Bart; ich habe geschrieben: Ich weiß, wen du segnest, der ist gesegnet, und wen du verfluchst, der ist verflucht und den können wir besiegen.
Die Eilbode sein los! Un wie se bei dem Bileam aankame, hot dä den Brief geles un sich noch verziehle geloss, wie brenzlich die Sach wär. Dann saat de Bileam: Bleibt die Naacht do! Ich muss warde, ob meine Gott mer ebbes sät. Moins hon die Gesandte vum Balak schun gestiewelt un gesport do gestann, bis endlich dä Bileam aus seinem Haisje kam: Meine Gott hot mer die Naacht gesaht: Geh nicht mit den Moabitern, verfluche das Volk auch nicht; denn es ist gesegnet! Aach, was ware die geschlahn, die Moabider! Jetzt muschde se hoim zu ihrem Könich Balak, ohne de Bileam!
Awwer de Könich Balak hot nit die Fliede gestreckt (nicht „aufgegeben“ für Hochdeutsche). Er hot sofort en anner Gesandtschaft zusammegestellt aus seiner Regierung met noch wichdichere Leit (die erscht Garnidur). Nix wie ab met eich bei de Bileam, hots do gehoiß!! Un?? De Bileam hot in der Naacht widder Gottes Stimm geheert: Haben diese Männer dich gerufen, so ziehe mit ihnen, aber nur was ich dir sagen werde, sollst du tun.
Do hot de Bileam vergniecht vor sich hiengepiffelt un sei Iselche gesaddelt un is henner däne Moabider hergezockelt. Awwer Gott guckt jo in die Herze! Un was er do beim Bileam gesiehn hot (wahrscheinlich en Haafe Gold un Silwer vum Balak), das hot Gott winsch gemacht (wütend, für Nicht-Steeger). ER hot dem „Seher“ seine Engel in de Wääch gestellt, un dä hat en bloß Schwert in de Hand!!! Awwer, jetzt kimmts: Die Eselin is hordich uff de Acker! Der Seher hat nix gesiehn!!! Er hot sei Eselin sogar geschlahn! Se is uff de alde Pad zerick gang.
Nit lang, do kam en Huhlwääch in de Wingerde!! Hohe Mauere rechds un links un midde dren war dä Gottes-Engel met seinem Schwert, blank gezoh! Die Ese-lin hots gesiehn un is schwupp uff die Seit. Do debei hot sich der Herr Seher Bileam de Fuß an de Mauer gestoß und hot sei Iselche geschlahn! So en Knu-scher! Dann kam en Stell, wo koi Maus dem Engel hätt ausweiche kenne un
do ging die Eselin in die Knie!!! De Bileam hot se geschlahn.
Awwer jetzt hot die Eselin 's Maul uffgemach: Weshalb schlähschd du mich dreimol? Er: Ei, weil du nit geheert hoschd; hätt ich en Schwert in de Hand, wärschde jetzt dot! Do hot die Eselin dem Bileam gesaht: Wie weit hon ich dich schun getrahn? Hon ich jemols de Wääch verloss? Nein, sät de Bileam ganz verdutscht. Un doo, doo sein em endlich die Awe uffgang: Midde uff dem
Pädche war dä Engel met em Schwert, die Spitz uff sei Herz geriecht!!! Do iss er awwer verschrock! Un dä Himmelsbote hot dem blinde Seher gesaht: „Deine Eselin hat mich gesehen und ist ausgewichen, sonst wärst du jetzt tot, aber dei-ne Eselin hätte ich laufen lassen. Ihr verdankst du es, dass ich dich am Leben lasse! Du kannst jetzt zu dem Moabiter-König Balak ziehen, aber nichts an-deres, als was ich zu dir sagen werde, sollst du reden.“ Das war die letschd Mahnung.
De Bileam is dann met bei den Könich Balak. Un dä war ganz aussem Haisje (aufgeregt): Endlich bist du da! Ich kann dich doch hoch bezahlen und ehren für deine Mühe! Awwer do endlich hot de Bileam gesaht: Ich kann nur reden, was mein Gott mir in den Mund legt. Am annere Daach is de Könich Balak selwer met dem Bileam uff die Höh gang, vun wo aus mer das ganze Zeltlaacher vun de Israelide iwwersiehn kunnt. Das war en Haaf!!!
Un do hot de Bileam gefordert: König Balak, schaffe 7 Stiere und 7 Widder herbei zum Opfer. Hordich hon se Altäre gebaut un Bileam saht: König Balak, geh du zu den Brandopfern. Ich gehe zur Seite und warte, ob mein Gott mir begegnet. Gott hot den Bileam nit lang warde losse. Bileam sät, dass die Altäre met de Opfer schun ferdich wäre. Awwer Gott sät nor: Geh zurück zu König Balak. Ich lege dir die Worte in den Mund, die du reden sollst!
Beim Könich Balak hon se all schun uff hoiße Kuhle gehockt un dem Bileam entgähn geruf: Was hat dein Gott gesagt? Do druff Bileam: Wie soll ich fluchen, dem Gott nicht flucht? Wie soll ich verwünschen, den der HERR nicht verwünscht? Do hots dem Könich Balak die Sprooch verschlahn, er kunnt koi Wort meh rauskriehe! Awwer er hot den Bileam noch emol an de Hand genumm bis uff de Berch Peor. Schau hinunter, Bileam! Nur Israeliten siehst du, nach 12 Stämmen, wie eine Armee geordnet. Un doo gehn dem Bileam endlich die Aawe uff und er hot en Lobred uff das Gottesvolk gehall, großardich!
Do awwer is dem Könich Balak de Krache geplatzscht: Du solltest meine Feinde verfluchen, dass sie schwach würden und wir sie besiegen könnten! Aber was hat du gemacht: Du hast sie dreimal gesegnet!!! Bileam hot noch mo in sich gehorcht und dann gesaht: Ich sehe ihn, aber nicht jetzt; ich schaue ihn, aber nicht von nahem. Es wird ein Stern aus Jakobs Stamm auf-
gehen und ein Zepter aus Israel aufkommen und wird zerschmettern die Schläfen der Moabiter … Do war de Moabider-Könich schun „angeziehlt“, wie en Boxer! Was mah die Eselin an dem Omend dehoim in ehrem Stall verziehlt hon? Leider wisse mer das nit.
Aber, liebe Gemeinde, was würden wir uns von Bileam wünschen, Segen oder Fluch? Feinde gibt es ja weltweit viele. Wenn wir die Esels-Sprache verstehen könnten, hieße die Antwort sicher: Fragt nach dem Willen Gottes, ihr Menschen! Ihr habt ihn ja schriftlich in eurer Bibel! Da kommen auch wir Esel viele Male vor. Sehr stolz war ich an einem Tag, als der Jesus von Nazareth auf einem meiner vielen Eselsnachkommen in die Stadt Jerusalem eingezogen ist! Der wurde aber verleumdet und getötet. Doch der ist auferstanden von den Toten und herrscht über alle Welt!
ER ist der HERR auch der Annakirche, deren Weihe vor langer Zeit Ihr heute wieder feiert! Und wenn man Euch, liebe Steeger Leute, auch mal Steeger Esel nennt, dann seid stolz darauf! Ich als biblische Eselin kann nur sagen: Feiert eure Kirchweih und zugleich das Weinblütenfest feste und vergesst nicht, euch immer mal wieder, besonders in der Kirche einen SEGEN zusprechen zu lassen, nicht von meinem Reiter Bileam, sondern von dem Dreieinigen Gott selber!
Amen
Gottesdienste am 11.6.23 Breitscheid und Bacharach (1. Johannesbrief 4, 16b-21)
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Liebe Gemeinde,
Gott ist die Liebe, darum geht es in der heutigen Predigt. Den Text dazu haben wir in der 1. Lesung gehört. Sie werden jetzt denken, was wurde schon alles über die Liebe gesagt, gedichtet, gesungen gespielt und Filme gedreht.
Und nun komme ich heute Morgen und meine auch noch etwas über die Liebe sagen zu müssen. Doch was der Apostel Johannes über die Liebe schreibt, steht himmelhoch über dem, was an Banalitäten und Abgedroschenem zu diesem Thema täglich zu hören und zu lesen ist.
Gott ist die Liebe! Das ist wohl die zentralste Aussage, die wir über das Wesen Gottes machen können.
Sie werden jetzt denken, ja, das habe ich auch schon einmal gehört oder das weiß ich auch. Hast du heute Morgen auf der Kanzel nichts Neues oder sonst Spannendes zu sagen? Nein, das habe ich nicht. Mehr habe ich nicht zu bieten, als was Johannes schreibt: Gott ist Liebe!
Das heißt ja nicht, Gott liebt so, wie wir Menschen lieben. Wir machen unsere Liebe vom Charakter des Gegenüber, von Äußerlichkeiten, vom Vermögen usw. abhängig. Gott aber stellt keine Bedingungen an seine Liebe. Denn Gott ist die Liebe! Das ist sein Wesen, seine Art uns Menschen nahe zu sein. Von Ewigkeit her ist Gott darauf bedacht, seine Liebe an die Menschen, seine geliebten Geschöpfe, weiterzugeben. Es liegt an uns, diese Liebe anzunehmen und weiterzugeben.
Man kann viele Fragen an die Kirche haben, an die Menschen, die in ihr Dienst tun, die habe ich persönlich auch. Aber wer sonst sagt uns, dass wir geliebt werden, dass wir einen Wert unabhängig von unserer Stellung haben? Nur Gott, unser himmlischer Vater! Und zwar ohne Vorleistungen, bedingungslos. Egal, wer oder was du bist, denn Gottes Liebe gilt allen Menschen, ausnahmslos.
Dass es auf unserer Erde so aussieht und so zugeht, wie wir es derzeit erleben, liegt nicht an Gottes mangelnder Liebe. Es liegt an uns Menschen, weil wir nicht auf Gottes Weisungen hören und danach leben.
Die wirklich von Herzen kommende Liebe fehlt nicht nur in den schrecklichen Kriegsgebieten der Ukraine oder im Süd-Jemen, die fehlt auch weithin in unserem so modernen und oft gerühmten liberalen Deutschland. Die wirklich menschenfreundliche Liebe, abgeleitet von Gottes Liebe, ist in Vielen erkaltet.
Konsum und Profit, immer mehr, immer höher immer weiter –auch auf Kosten der Menschen, die nicht mehr mithalten können- ist leider eine häufige Einstellung der Gegenwart. Jeder Mensch möchte gerne besser dastehen als sein Nachbar.
Ich frage mich, was hat man davon? Macht das glücklicher? Macht das fröhlicher? Gibt das Halt und Hoffnung in auch schwierigen Lebenssituationen? Wenn die wirkliche Liebe unter den Menschen, die in Gottes Liebe ihren Ursprung hat, auf der Strecke bleibt, dann wird es immer kälter und dunkler auf der Welt.
Der Apostel schreibt: Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die völlige Liebe treibt die Furcht aus. Das bedeutet, wenn unser Herz wirklich in der Liebe Gottes gegründet ist, fürchten wir uns auch nicht, wenn wir einmal vor Gott Rechenschaft über unser Leben ablegen müssen.
Dann ist das so, als wenn ein Kind bei seinen Eltern sagt, dass es etwas Unrechtes getan hat. Durch die bedingungslose Liebe seiner Eltern ihm gegenüber weiß es, die Strafe, die die Eltern aussprechen, wird zu ertragen sein.
So ist es auch bei Gott, unserem himmlischen Vater. Er vergibt uns, wenn wir Fehler gemacht haben. Wir brauchen keine peinliche Angst oder Furcht vor Strafe zu haben, wenn Gottes Liebe in uns lebendig ist.
Ein wichtiger Satz in unserem Predigttext lautet: Lasst uns ihn, also Gott, lieben, denn er hat uns zuerst geliebt. Wie ich schon erwähnte, Gott hat keine Bedingungen die vorschreiben: Mensch, wenn du so oder so lebst, wenn du das oder das machst, werde ich für dich da sein, dich lieben. Nein: Er liebt uns ohne Wenn und Aber. Egal ob du reich oder arm bist, jung oder alt, gesund oder krank, groß oder klein.
Wir alle sind Gottes Geschöpfe und seine Liebe schließt Niemanden aus! Das liebe Gemeinde ist mehr, als wir verdient haben! Egal wie es uns derzeit geht, ob wir fröhlich oder traurig sind, ob wir Sorgen haben oder uns des Lebens freuen dürfen, über allem steht Gottes Liebe zu uns.
Ja, es stimmt, Gott schenkt uns seine Liebe bedingungslos, wer wir auch sind. Wir können zu ihm kommen, wie wir sind, aber mit seiner Liebe sollen wir unser Wesen prüfen und gegebenenfalls ändern.
Gott möchte nämlich, dass wir seine Liebe mit anderen Menschen teilen. Denn es heißt: So jemand spricht: Ich liebe Gott und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, wie kann er Gott lieben, den er nicht sieht?
Mit der Liebe zu Gott, der Antwort auf Gottes Liebe zu uns, ist die brüderliche Liebe zu den Mitmenschen unzertrennlich verbunden. Es ist uns nicht möglich, Gott äußerliche Gaben für seine bedingungslose Liebe zu uns zu geben.
Wenn aber Gottes Liebe in unserem Herzen verwurzelt ist, drängt es uns, die Liebe, von der wir leben, liebend an andere Menschen weiterzugeben.
Hier gibt es genügend Möglichkeiten tätig zu werden. Es gibt derzeit auf unserer Erde unzählige Menschen, die unter Hunger und Krankheit, Krieg und Verfolgung, Naturkatastrophen und Klimawandel leiden. Wem es wirtschaftlich gut geht, hat hier ein großes Betätigungsfeld, wo er helfen kann.
Wem das nicht möglich ist, kann auch in seinem persönlichen Umfeld Menschen helfen. Durch Übernahme von Tätigkeiten, die diese Menschen nicht mehr selbst ausführen können, durch Besuche in Kranken und Seniorenheimen. Oder einfach mal etwas Kuchen oder Obst schenken, Freude bereiten. Kleine einfache Dinge können auch Gottes Liebe widerspiegeln.
Und wenn wir das alles nicht können, weil es uns körperlich oder wirtschaftlich nicht möglich ist, dann können wir unsere Hände falten und alles vor Gott bringen. Alle Not unserer Welt, die Angst und Sorgen unserer Mitmenschen. Auch auf der Fürbitte ruht ein großer Segen. Aber, liebe Gemeinde, auch unseren Dank, für alles, was wir sind und haben. Nicht nur Klagen vor Gott bringen, sondern ihm auch für seine Liebe zu uns allen von Herzen danken.
Wenn wir ehrlich sind, uns geht es doch oft mehr als gut. Wir haben uns alle so sehr an unseren Wohlstand gewöhnt, dass wir glauben, es sei alles selbstverständlich. Wenn wir uns aber in der Welt umschauen, sehen wir, dass es nicht selbstverständlich ist.
Auch als Christen müssen wir uns immer wieder fragen, lebe ich so, dass andere Menschen spüren, zu wem ich gehöre? Spürt man uns ab, dass wir Gottes Liebe wahrhaftig und ehrlich leben? Dass wir es mit unserem Glauben ernst meinen.
Spiegelt unser Leben wirklich Gottes Liebe wider? Oder wollen wir mit Gottes Liebe uns nur ein Mäntelchen umhängen, das verdeckt, wie wir wirklich ticken? Vor den Menschen können wir eventuell unser wahres Wesen verstecken, nicht aber vor dem lebendigen Gott.
Hand auf’s Herz: Macht es nicht Freude Gottes Liebe weiterzugeben? Dabei sollten wir bedenken, wir Menschen sind ja nicht die Quelle, aus der alles Gute kommt. Wir, liebe Gemeinde, sind wie der Brunnen, der von der Quelle gespeist wird. Wenn wir nichts an Liebe, Güte und Barmherzigkeit weitergeben, wird –um im Bild zu bleiben- das Wasser des Brunnens schal und verdirbt
.
Wenn wir aber ständig Wasser aus dem Brunnen schöpfen, kann die Quelle weiter Wasser abgeben, das wir verteilen können, an alle, die es nötig brauchen.
Darum lasst uns stets darauf achten, dass die Quelle der Liebe Gottes in uns nicht versiegt, um von Herzen Gutes tun zu können.
Wie können wir von Gottes großer Liebe zu uns allen sprechen, wenn wir unbarmherzig und lieblos wären? Dann wären wir ein gefundenes Fressen für alle, die meinen, ohne Gott auszukommen.
Die Liebe zu Gott und zu unseren Mitgeschöpfen entspringt nicht zuletzt aus einem lebendigen Glauben an Jesus Christus. Er, Gottes Sohn, ist die Mensch gewordene Liebe seines Vaters. Jesus selbst gibt uns die Kraft, die wir brauchen, um Gottes Liebe in unsere Welt zu tragen.
Amen.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Predigt über Johannes 10, 11-16 und 27-30
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gotte und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Liebe Gemeinde,
am heutigen Sonntag des guten Hirten geht es um den Hirten Jesus Christus und um uns, seine Schafe. Ich erinnere mich noch gut, als ich noch ein Kind war, habe ich einmal in einem Schlafzimmer ein Bild von einer Schafherde mit einem Hirten gesehen. Solche Bilder haben eine gewisse Geborgenheit und Sicherheit ausgestrahlt. Also, mir hat das damals gefallen.
Vielleicht mag das einige unter uns nicht gerade erfreuen, dass Jesus uns seine Schafe nennt. Schafe gelten allgemein als eher etwas dumm, einfältig und nicht sehr gelehrig. Wogegen wir Menschen uns doch eher etwas cleverer einschätzen. Aber das Bild vom guten Hirten mit seiner Herde hat noch eine viel tiefere Bedeutung, als wir es vielleicht im Moment einschätzen.
Liebe Gemeinde,
als Prädikant ist man berechtigt, neben Gottesdiensten und Andachten auch Amtshandlungen vorzunehmen. Wenn das nicht so wäre, könnte ich heute die kleine Isabell Schäfer nicht taufen. So darf man auch Gemeindeglieder beerdigen. Und ich staune, denn nicht selten wird gerade bei Trauerfeiern dieser Text vom guten Hirten und den Schafen als Evangeliums-Lesung gewünscht. Und natürlich auch Psalm 23, den wir in der Eingangsliturgie im Wechsel miteinander gebetet haben. Selbst wenn der christliche Glaube im Laufe des Lebens etwas verschüttet gegangen ist, der gute Hirte mit seiner Herde ist ein vertrautes und friedliches Bild. Und was viel wichtiger ist: Die Aussagen des Textes sind verständlich und geben uns Halt, Hoffnung und Zuversicht. Um diese Sätze zu verstehen, muss man nicht unbedingt studiert haben.
Schon der erste Vers des heutigen Predigttextes macht viele Menschen sprachlos. Wenn man nämlich auf den christlichen Glauben zu sprechen kommt heißt es oft, ja wenn man glaubt, darf man so Vieles nicht mehr tun. Man hat Angst, vor allzu-viel Einschränkungen.
Wenn man als aktiver Christ lebt, braucht man manches nicht mehr, was einem früher eventuell einmal sehr wichtig war. Dabei hat man aber keine Bedenken, etwa zu kurz zu kommen. Und Jesus sagt doch: Ich bin gekommen, dass sie das Leben und volle Genüge haben. Volles, zufriedenes, erfülltes Leben schenkt er uns.
Und nach dieser Klarstellung, liebe Gemeinde, stellt sich Jesus quasi vor. Ich bin der gute Hirte. Ja, jemand der uns behütet, beschützt und begleitet, Jemand, dem wir 100% vertrauen können, davon sind auch wir modernen Menschen nicht abgeneigt. Gerade in einer Zeit wie der Unsrigen, ist beschützt und behütet sein etwas ganz wunderbares. Wissen zu dürfen, ich kann es allein nicht richten, aber da ist jemand, der hat die Fäden auch meines Lebens in der Hand. Das ist auch bei der Taufe so. Ihr, die Eltern könnt euer Kind nicht bis ans Ende des Lebens versorgen, behüten und beaufsichtigen.
Da ist es gut, wenn wir einen kennen, dem man zunächst das kleine Kind, später aber auch den jungen erwachsenen Menschen anvertrauen kann.
Ich denke, dass Jesus uns seine Schafe nennt, hängt nicht damit zusammen, dass er uns für einfältig und dumm hält. Es ist einfach ein Bild, das es schon zur Zeit Jesus gab. Und das halt leicht verständlich ist. Große Schafherden mit einem Hirten. Vereinzelt gibt es auch heute noch große Wanderschäfereien. Und immer ist mindestens ein Hund dabei.
Folgende kleine Anekdote habe ich einmal dazu gelesen: Fragt der Pfarrer im Konfirmanden Unterricht die Jugendlichen nach unserem heutigen Predigttext. Er wollte erklärt haben, wer ist der Hirte, wer sind die Schafe? Was bedeutet das?
Zu Antwort bekam er: Der Hirte ist der Herr Jesus, die Schafe sind wir Menschen, und der Hund der auch immer dabei ist, ist der Herr Pfarrer, der muss die Herde zusammenhalten. Ja man schmunzelt, es ist aber etwas Wahres dran.
Der Mietling, also ein Mensch der nur für Geld die Schafe hütet, kümmert sich wenig um die Tiere. Die Hauptsache, die Kasse stimmt. In abgewandelter Form gibt es diese Menschen auch heute noch, oft auch in gehobener wirtschaftlicher oder politischer Position. Man schaut nur auf seine eigene Kariere, man will Kasse machen und kümmert sich wenig um die Menschen, für die man Verantwortung trägt.
Jesus aber betont, dass er sein Leben sogar zum Wohl der ihm anvertrauten Schafe lässt. Darüber haben wir erst vor wenigen Wochen an Karfreitag nachgedacht. Aus Liebe zu uns Menschen, zu dir und zu mir, ist Jesus ans Kreuz gegangen. Wer macht das außer Jesus noch? Kennen Sie da Jemanden. Ich nicht. Niemand macht das, außer dem guten Hirten. So groß ist seine bedingungslose und aufopfernde Liebe zu uns Menschen. Das kann einen doch nicht kalt lassen, wenn man mit so viel Liebe überschüttet wird. Das sollte doch Konsequenzen für unser Leben haben.
Jesus schenkt uns alles, was wir für ein sinnerfülltes Leben benötigen. Wenn auch heute viele Zeitgenossen darüber lächeln, wenn sie merken, dass einem der christliche Glaube wichtig ist. Der Glaube an einen liebenden Gott ist nach wie vor lebensnotwenig, wenn wir in Zeit und Ewigkeit geborgen sein möchten. Durch Jesu Tod und Auferstehung ist zum Ziel gekommen, was vor rund 2000 Jahren begann, als Jesus einige Fischer in seine Nachfolge rief.
Und so, liebe Gemeinde, ruft er auch uns heute in seine Nachfolge. Das wir das Evangelium weitersagen sollen, dort, wo unser Leben sich abspielt. Wichtiger noch, dass wir es auch authentisch leben. Die Welt um uns herum braucht unseren Zeugendienst.
Jesus sprach ja damals zu den Juden. Wenn er sagt, er habe noch andere Schafe, dann meint er damit die Völkerwelt, alle die Menschen, die ihn als Hirten anerkennen und akzeptieren. Dazu dürfen auch wir uns zählen. Dann gibt es nicht gute Herden, oder schlechte Herden, hier ein Hirte dort ein Hirte. Nein, er sagt: Dann wird ein Hirte und eine Herde sein. Alle bisherigen Unterschiede sind nicht mehr wichtig, sind gegenstandslos geworden. Denn Jesus ist Herr über alle Menschen, gleich welcher Nation oder Hautfarbe.
Wer zu Jesus gehört, kennt seine Stimme und folgt ihm. Auch wenn man sich verirrt, schuldig wird, gleichgültig lebt, er, der gute Hirte geht uns nach. Liebe, Güte und Barmherzigkeit, das sind die Markenzeichen seines Wesens. Wenn man zur Herde Jesu gehört, ist man trotzdem kein fehlerfreier Mensch. Wir Christen sind nicht besser als Menschen, die Jesus noch nicht kennen oder nicht kennen lernen möchten, aber wir haben es besser. Wenn wir unsere Fehler bereuen, wird uns aus Gnaden ein Neuanfang geschenkt.
Mit solch einem Hirten, der uns in Liebe nachgeht und uns immer wieder aufhilft, lässt es sich gut leben.
Nur über eines müssen wir uns auch im Klaren sein. Alle Wünsche die wir haben, gehen, auch wenn wir bewusst als Christen leben, nicht in Erfüllung. Denn der gute Hirte erfüllt uns nicht jeden Wunsch. Dabei sollten wir einmal darüber nachdenken, dass es manchmal gar nicht gut ist, was wir uns alles wünschen. Denn wir sehen nur bis zum Horizont. Der gute Hirte aber sieht weiter. Manchmal erkennen wir erst im Nachhinein, dass es gut war, so wie es kam, und nicht, wie wir es uns wünschten.
Jesus möchte für Jede und Jeden als guter Hirte da sein. Wir brauchen Jemanden, der unsere Hand hält, wenn wir nicht mehr weiterwissen. Was macht unser Herz stiller und getroster wie die vier Worte aus dem 23. Psalm: „Du bist bei mir“. Es ist aber auch gut, eine Adresse für unseren Dank zu haben. Denn wenn wir ehrlich sind, das Danken, wird leider allzu oft vergessen.
Liebe Gemeinde, der frühere Essener Jugendpfarrer des Weigle Hauses, Wilhelm Busch, hat einmal gesagt: Wir können es in unserem Leben nicht weiterbringen, -und sagen sie das ihren Kindern und Enkeln,- als dass wir zur Herde Jesu Christ gehören und einen guten Hirten haben.
Ja, mit Jesus Christus, dem guten Hirten, will ich meine Lebensstraße weitergehen. Meine persönlichen Wünsche sind auch nicht alle in Erfüllung gegangen. Trotz allem dürfen wir zufrieden sein, denn wir werden niemals aus der Hand des guten Hirten gerissen. Wer sollte das können? Wo selbst der Tod seit Ostern auf ewig entmachtet worden ist.
Gerade im Johannes – Evangelium betont Jesus immer wieder, die enge Verbundenheit mit seinem Vater. Auch heute hören wir, das Jesus sagt: Ich und der Vater sind eins. Und niemand kann die Menschen, die zu mir gehören, die mir nachfolgen, aus meines Vaters Hand reißen. Denn er ist der Schöpfer des Himmels und der Erde. Und er hält unser kleines Leben in seiner barmherzigen Hand und lässt es nicht verderben.
Liebe Gemeinde, mit dieser frohen Zuversicht und dieser getrosten Hoffnung können wir auch heute gut leben. Ihm, unserem Herrn sei Ehre in Ewigkeit. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne, in Christus Jesus, unserm Herrn.
Amen.
Predigt zum Karfreitag 2023 in Oberdiebach über Johannes 19, 16-30
Sie nahmen ihn aber, und er trug sein Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte, auf hebräisch Golgatha. Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, Jesus aber in der Mitte. Pilatus aber schrieb eine Aufschrift und setzte sie auf das Kreuz; und es war geschrieben in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache. Da sprachen die Hohenpriester der Juden zu Pilatus: Schreib nicht: Der König der Juden, sondern, dass er gesagt hat: Ich bin der König der Juden. Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben. Als aber die Soldaten Jesus gekreuzigt hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile, für jeden Soldaten einen Teil, dazu auch das Gewand. Das war aber ungenäht, von oben an gewebt in einem Stück. Da sprachen sie untereinander: Lasst uns das nicht zerteilen, sondern darum losen, wem es gehören soll. So sollte die Schrift erfüllt werden, die sagt (Psalm 22,19): „Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über mein Gewand das Los geworfen.“ Das taten die Soldaten. Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebhatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe das ist dein Sohn! Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich. Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet. Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und steckten ihn auf ein Ysoprohr und hielten es ihm an den Mund. Als nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! Und neigte das Haupt und verschied. VVV
Die Gnade des gekreuzigten Heilandes sei mit uns.
Liebe Gemeinde,
„sie nahmen ihn aber“, so fängt das Tagesevangelium an. Nach dem Urteil des Pilatus hatte unser Herr keine Menschenrechte mehr! Sie packten ihn wie einen Gegenstand. Da war kein Funke Gefühl. Das Kreuzigungskommando bestand ja aus harten Legionären aus aller Welt. Sie konnten ein Urteil aus religiösen Gründen sowieso nicht nachvollziehen.
Sie führten einen Befehl aus. An diesem Tag waren es sogar drei Verurteilte. Nur einer hatte einen Namen, der in der Mitte: dreisprachig stand es auf dem Schild, das Pilatus an seinem Kreuz hatte anbringen lassen. Hebräisch, lateinisch, griechisch. Alle, die zum nahen Passahfest nach Jerusalem kamen, sollten es lesen können! Pilatus hat sich damit auch für das erzwungene Urteil rächen wollen. Den Protest seitens der Tempelpriester zu der Formel „König der Juden“ beantwortete der römische Statthalter mit dem weltbekannten Wort: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben.
Was hat Gott geschrieben, liebe Karfreitagsgemeinde? Vielleicht: Dies ist meine Antwort auf alle menschlichen Gräueltaten, auf die kleinen und großen Sünden, auf alle Verderbtheit der Menschen seit Adam und Eva! Mein Sohn trägt all das ans Kreuz! Der Schuldlose büßt die Sünden der ganzen Welt! Und ER soll den Lohn haben. Aber kein Mensch kann lesen, was Gott „schreibt“.
Die Frauen um Maria und der Jünger Johannes, klammerten sich sozusagen „am Kreuz Jesu fest“, sie sahen hin. Sie verließen Jesus nicht in seiner Kreuzesnot. Ich weiß nicht, wie lange der Todeskampf bei Gekreuzigten meistens dauerte. Hier hat Gott eingegriffen; er ließ seinen gehorsamen Sohn nicht endlos leiden. Die Gekreuzigten sollten auch so schnell wie möglich tot sein und abgenommen werden wegen des nahenden Passahfestes. Deswegen brachen die Soldaten den Mitgekreuzigten die Beine, damit sie sich nicht mehr aufstützen konnten, um noch einmal zu atmen. Aber als sie zu Jesus kamen, sahen sie, dass er bereits gestorben war. Sie stachen ihm in die Seite – er war tot. Da pulsierte kein Leben mehr. Das Schlachtfeld von Tod und Teufel wurde geräumt. Der Leichnam Jesu aber wurde durch Josef von Arimathäa und Nikodemus geborgen. Die beiden anderen Toten warf man ein-fach den Golgatha-Berg hinunter. Befehl ausgeführt. Abmarsch des Kreuzigungskommandos.
Es ist so unbegreiflich, dass der Sünderheiland eines Verbrechens bezichtigt werden konnte, das den Kreuzestod verdient! Gott musste regelrecht die Richter zum Fehlurteil drängen! Warum? Für uns, liebe Gemeinde. Wir sind gar nicht in der Lage, für alle unsere kleinen und großen Sünden vor Gott aufzukommen. Wir haben nicht das „Löse-Geld“. Als Sühn-Opfer vor Gott reichten die sonst üblichen Tier-Opfer nicht mehr aus. Es musste ein unermesslicher anderer Wert sein: Der Gottessohn selber. So hoch ist die Rechnung von Tod und Teufel für alle Menschenschuld.
Aber uns darf ein Stein vom Herzen fallen: EINER IST UNSER SÜHNER: Der Gottessohn selber. Unsere Entschuldung vor Gott hat Gott selbst geleistet: Das muss man sich einmal bildlich vorstellen: Der Herr der Welt nimmt uns unsere unbezahlbare Schuld ab und legt sie seinem eigenen schuldlosen Sohn auf. Das kann man nicht erklären, weil das einfach Gottes Liebe ist. Die ist mit menschlicher Liebe gar nicht zu vergleichen. Sie ist maßlos!
Das durchzieht ja die ganze Bibel. Aber in Jesus wurde sie vollendet! Wie vielen nahm er ihre Sünden- oder Krankheitslast ab – umsonst, vergeben und vergessen. Ich denke, dass eine Amnestie auf Erden nur ein Hauch dessen ist, was Gott schon getan hat und noch tun wird. Gott rechnet es uns nicht immer wieder vor! Aber wir sollten nicht vergessen: Gott selber wurde das Liebste genommen auf Golgatha.
Der Evangelist Johannes hat zum Schluss seines Kreuzes-Evangeliums drei Worte Jesu überliefert: Es ist vollbracht! Das Erlösungswerk des einzig Unschuldigen ist getan! Sein Kopf sank auf die Brust – Jesus war tot. Das bezeugt Johannes, der Augenzeuge. Soweit wir es den anderen Evangelien entnehmen können, wurde der Leichnam Jesu durch Freundes-hände vom Kreuz abgenommen und geborgen. Josef von Arimathäa und Nikodemus wer-den erwähnt. Wie gut muss es der trauernden Mutter getan haben, seinen wenigen Freunden, dass er jetzt wie ein geliebter Mensch behandelt wurde. Ein Garten war in der Nähe mit einem Felsengrab, wo sie ihn hineinlegen durften.
Es war ein neues Grab, notierte Johannes. Und wir können ergänzen: Neues geschah in diesem Grab!!! Nun ist der Tote ganz in Gottes, seines Vaters Hand. Im Verborgenen beginnt der Prozess von Tod und Teufel gegen Gott selber! Jesus war der Stellvertreter Gottes, den sie nun anklagen und ihn als Beute für sich erringen wollen. Aber da kommen sie nicht weit. Sie können Anklagen erfinden, die sofort als Lügen entlarvt werden. Das, was schon einige der Frommen an Jesus auszusetzen hatten, war ja nichts anderes als Gottes eigenes Handeln an seinen Sünder-Kindern. Sie finden nichts, was Jesus etwa zu seinen eigenen Gunsten getan hätte. Alles für die anderen, weil sie nicht fähig sind, sich selbst zu entschulden. Dafür gab der Gottessohn sich hin mit Leib und Seele.
Darüber sollte jeder – selbst wenn er kein Christ ist – nur staunen. Wir schwachen Menschen zwingen den Sohn Gottes dazu, uns von aller Sündenlast und Verlorenheit zu erlösen! Und er lässt sich zwingen, unser Heiland und Erlöser – aus Liebe zum Vater und zu uns!
Die Passionslieder besingen auf viele Weise das Wunder unserer Erlösung. Dabei wird das „Opfer-Lamm“ erwähnt, das der Welt Sünde trägt. Das erinnert mich an eine Predigt von Frau Pfarrerin Becker, die uns den Begriff „Sündenbock“ erklärte. Man belud sinnbildlich einen Schafbock mit den Sünden der Menschen und trieb ihn in die Wüste, wo er alleine umkommen musste. So haben sich auch die Frommen ihrer Schuld vor Gott entledigen wollen. Aber alle Menschenschuld ist viel zu groß – wir haben nicht die Mittel, sie los zu werden. Da bietet sich einer bei Gott an: Vater, leg mir die Schuld deiner Kinder auf. Ich trage sie ans Kreuz.
Vom Verräter Judas angefangen bis zu Pilatus: Alle sind in Gottes Rettungswerk nötig! Gott nutzt die Bosheit der Menschheit, um sie zu retten! Kaum zu begreifen. - Gut, dass wir das nicht begreifen müssen, sondern glauben dürfen! Denn eines wird dabei absolut klar: Gott liebt uns, seine Menschenkinder! Es hat IHM einen hohen Preis abverlangt, aber Gott gibt keinen von uns verloren. Ihm sei Ehre in Ewigkeit. Amen
Und der Friede mit Gott, der uns am Kreuz erkämpft wurde, bewahre
unsre Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen
Predigt zum Vorstellungsgottesdienst der Konfirmand*innen der Ev.
Kirchengemeinde Vierthäler 02.04.23
Job 12,12-19
Jesus kommt nach Jerusalem. Und in der Stadt herrscht Ausnahmezustand. Die Menschen strömen auf die Straßen, Soldaten drängen sie an die Seite, um wenigstens einen Teil der Wege für Wagen und andere Reisende freizuhalten. Der Lärm ist ohrenbetäubend. Eltern nehme ihre Kinder auf die Schultern, damit sie etwas sehen können. Die Sonne scheint unnachgiebig vom Himmel, es ist heiß, stickig. Die Menschen sind angespannt. Jesus! Das ist doch dieser Typ, der im ganzen Land Wunder vollbracht hat. Dieser Mann, der Blinde geheilt hat, der den Menschen zuhört und auf diejenigen zugeht, die sonst niemanden in ihrem Leben haben. Und dieser Jesus kommt hierher, in ihre Stadt! Für viele ist das kaum zu glauben.
Plötzlich wird das Getöse lauter, die Menge beginnt zu jubeln. Und dann schreitet er durch das Stadttor. Der König Israels kommt, nicht mit Posaunen und Trompetenmusik, sondern mit seinen Jüngerinnen und Jüngern, nicht auf einem Streitwagen, sondern auf einem kleinen Esel. Und dennoch ist die Menge außer sich. Sie werfen ihm Palmzweige auf den Weg. Das Hufgetrampel seines Esels soll ihn nicht stören und kein Gramm Staub soll auf seine Kleidung fallen. Hier kann man wirklich nicht von einer Baumverschwendung sprechen. Jesus und sein Gefolge gehen durch die Straßen Jerusalems. Und die Menschen rufen ihm zu: „Hosianna, Hosianna in der Höhe!" „Da ist Jesus!", ruft ein kleines Kind auf den Schultern seines Vaters. „Jesus, mein Löwe, mein Bär, hör mich an", ruft eine Frau aus den hinteren Reihen. Die Menschen sind glücklich, die Stimmung ist ausgelassen. „Da kommt der, der uns retten wird!"
Jesus zieht durch Jerusalem. Und der Evangelist Johannes malt uns dieses Ereignis in bunten Farben aus. Er erzählt die Geschichte eines Königs, der unter dem Jubel seins Volkes einen Triumphzug abhält. Und das nicht an irgendeinem Ort, sondern in Jerusalem. Inder Hauptstadt.
Aber so ganz kann ich diese Geschichte nicht glauben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wirklich alle Menschen von diesem Mann begeistert gewesen sind. Das deutet selbst Johannes an. Im Publikum stehen Pharisäer, Schriftgelehrte, die mit dem, was Jesus sagt, gar nichts anfangen können. Für sie ist Jesus eine Bedrohung. Und ich bin mir sicher, dass sich auch viele Menschen auf den Straßen getummelt haben, die Jesus voller Sorge hinterhergeschaut haben.
Jesus bedeutet Ärger. Was er sagt, wühlt die Menschen auf. „Da kommt er, das wird nicht gut ausgehen!", könnte jemand gesagt haben. „Die Römer haben ihn schon im Visier", ein anderer. Oder: „Was, wenn er mich anspricht?"
Denn dort zieht ein Mann durch die Straßen, der die Menschen fordert und vor große Herausforderungen stellt. Vor die Herausforderung, über sich selbst und das eigene Leben nachzudenken. Und wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich mit vielen Dingen, die Jesus sagt, meine Probleme. So erinnere ich mich oft eine Stelle, ebenfalls aus dem Johannesevangelium, zeitlich wenige Tage vor Jesu Einzug in Jerusalem. Dort berichtet Jesus ausgiebig über seine Liebe zu den Menschen. „Haltet meine Gebote, dann bleibt ihr in meiner Liebe!" Mit dieser Aussage kann ich erstmal gar nichts anfangen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Liebe Jesu auf diese Art an Bedingungen geknüpft sein soll. Und überhaupt, was sollen diese Gebote überhaupt sein? Liebt Jesus mich nur, wenn ich sonntagsmorgens in aller Herrgottsfrühe in Bacharach stehe und über Gott und die Welt predige? Und verwirft er mich in dem Moment, in dem ich in Mainz im Pub sitze und nach dem fünften Bier der attraktiven Freundin des Barmannes hinterherschaue, und das nur, weil irgendwo in einem 2000 Jahre alten Text aus dem Alten Testament steht ,,Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau?" So scheint Jesus zu urteilen, oder? Mist - das wäre schlecht.
Ich kenne mich doch selbst ganz genau. Und noch genauer weiß ich, wie gerne ich Regeln zum meinem Vorteil umdeute. Und dann kommt mein potenzieller Retter und sagt mir ins Gesicht. „Ich rette dich! Wenn du das tust, was ich möchte!"
Damit hadere ich sehr. Ich fühle mich nicht ernst genommen. Ich bräuchte doch niemanden, der mir zuhört, wenn alles in meinem Leben perfekt wäre, wenn ich alles auf Anhieb hinbekäme. Vor allem aber: wenn ich alles immer fehlerfrei umsetzen könnte, was andere mir auftragen. Wenn Jesus von Geboten redet, denke ich zuerst an die 10 Gebote. Gut, ich habe noch nie jemanden umgebracht. Und ich habe auch noch nie eine Ehe gebrochen - gut, weil ich noch nie die Möglichkeit dazu hatte. Aber wie oft war ich schon neidisch auf andere. Wie oft hatte ich schon Streit mit meinen Eltern und meinen Freundinnen und Freunden? Bin ich jetzt raus?
Ich bin mir sicher, dass viele Menschen, die Jesus damals in Jerusalem gesehen haben, ähnlich dachten. Jesus zieht durch die Straßen der Stadt und einige senken ihren Blick. Was macht man denn, wenn Jesus von seinem Esel herunterschaut, einen vielleicht anspricht. „Na, heute schon meine Gebote gehalten?" Warum sollte man vor so einem Palmwedel auf die Straße werfen, so einem Mann zujubeln. Ich wüsste nicht, was ich sagen sollte. Außer vielleicht:
„Ich habe keine Ahnung, was du von mir möchtest!"
Jesus ist das gewohnt. Im Markusevangelium kommt ein Mann zu Jesus, der eine wichtige Frage stellt: „Was ist das höchste Gebot?" Jesus antwortet dem Mann deutlich: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen. Und deinen Nächsten wie dich selbst."
Das meint Jesus also, wenn er von seinen Geboten spricht. Wenn ich mich, meinen Nächsten und Gott liebe, bin ich zu allen fair. Damit kann ich schon mehr anfangen als mit einem plumpen: „Mach, was ich dir sage!" Wenn ich aber genauer darüber nachdenke, stellt mich auch diese Antwort nicht zufrieden.
Wie oft erlebe ich in meinem Alltag, dass mich nahestehende Menschen enttäuschen. Und wie oft habe ich schon erlebt, dass Menschen mir eine Freundschaft vorgegaukelt haben, um meine Gutmütigkeit auszunutzen? Manchmal habe auch ich dies getan. Ich kann nicht jeden Menschen lieben. Und außerdem gibt es doch auch Situationen, in denen ich mit mir selbst hadere. Ganz oft liebe ich mich nicht selbst. Und manchmal kann ich mich überhaupt nicht ausstehen, wenn ich wieder einmal träge vor mich hindöse und nichts auf die Reihe kriege. Wie oft verfluche ich mich selbst, wenn wieder eine Rechnung im Briefkasten liegt und ich mich nicht traue, diese zu öffnen. Oft erinnere ich mich an Rückschläge in meinem Leben: schlechte Noten, eine verpasste Abgabefrist, Streit im Freundeskreis. Alle diese Dinge können einen ganz schön runterziehen. Und wie oft habe ich mich schon über einen anderen Menschen lustig gemacht, nur um danach mit einem schlechten Gewissen zuhause zu sitzen und mir zu denken: „Hättest du das mal lieber nicht getan." Ganz oft habe ich auch Angst zu versagen, mein Selbstbewusstsein liegt am Boden und ich igele mich zuhause ein. Und ich soll meinen Nächsten lieben, wie mich selbst. Wie kann das eine Basis sein?
Und da zieht er nun auf seinem Esel vorbei, der Mann, der das alles von mir verlangt, der mich überfordert, der Mann, der aber nicht gekommen ist, um mir Vorwürfe zu machen.
Johannes erzählt die Geschichte weiter. Jesus kommt nicht nach Jerusalem, um die Menschen vorzuführen, er kommt nicht, um zu prahlen. Ich glaube fest daran, dass einige Menschen Angst vor einem genau solchen Jesus hatten. Aber diese Angst ist unbegründet. Er kommt für die Menschen. Er kommt, Antworten auf alle Zweifel zu geben.
Jesus ist der König Israels. Aber er ist kein König, der Prunk und Luxus liebt. Welcher König kommt auf einem einfachen Esel geritten, anstelle eines prächtigen Pferdes? Die Antwort ist klar: ein König, der die Menschen liebt.
Dieser König ist anders. Er isst und schläft mit den Ausgestoßenen der Gesellschaft. Er lässt sich verhaften, schlagen, demütigen und am Kreuz hinrichten. Er geht für die Menschen in den Tod. Aber er steht wieder auf, entkommt allen Qualen. Er tritt für uns ein.
Und das lässt mich Jesu Worte aus einer anderen Perspektive erkennen. Was er sagt soll niemanden ermahnen, sondern ermutigen.
Gottes Gebote zu halten, heißt für mich, Gott zu lieben und meine Nächsten zu achten. Und Gott zu lieben bedeutet, an ihn zu glauben. Dabei muss ich nicht ununterbrochen Halleluja-schreiend durch die Straße rennen und alle Menschen herzlich umarmen. Ich darf an ihm zweifeln, ich darf mit mir selbst hadern und ich darf auch einen anderen Menschen richtig doof finden. Weil Gott mich liebt, kann ich immer zu ihm zurückkommen, egal, wie oft ich mich von ihm abgewendet habe. Der Weg mit Gott ist keine Einbahnstraße. Gott trennt nicht nach Kategorien wie schlecht und gut. Wenn wir an ihn glauben, dürfen wir mit allem, was uns ausmacht, vor ihn treten. Und wir müssen uns keine Sorgen machen, dass wir nicht genügen könnten.
Das haben wir auch auf der Konfifreizeit am vergangenen Wochenende besprochen. Gott kennt uns genau, er kennt unsere Stärken und unsere Schwächen. Weil wir gewollt sind, so wie wir sind. Gott verspricht uns nicht, dass alles, was wir angehen, gelingen wird. Aber er verspricht uns, an unserer Seite zu sein, egal was passieren wird. Gott liebt uns, weil wir so sind, wie wir sind und manchmal auch, obwohl wir so sind, wie wir sind.
Das zu glauben tut mir gut. Denn es gibt mir die Möglichkeit, weiterzumachen, zu verstehen, dass Fehler und Rückschläge im Leben nicht das Ende bedeuten. Und dieser Glaube gibt mir die Möglichkeit, mein Leben selbstbewusst zu leben und immer wieder neu aufzustehen. Nach schlechten Noten kommen bessere, wer sich streitet, kann sich versöhnen. Rückschläge sind oft auch der Aufbruch für Neues, wie auch mit Jesu Einzug in Jerusalem der Beginn von etwas ganz Großem ist.
Und dieser Glaube lässt mich meine Mitmenschen ebenfalls als gottgewollte Menschen zu sehen. Auch wenn ich das bei vielen nicht nachvollziehen kann. Ich verstehe aber, dass Gott jeden Menschen begleitet und sich bei jedem etwas gedacht hat. Und das lässt mich einen anderen Menschen als Mensch erkennen, der vielleicht die gleichen Sorgen und Probleme hat, die auch ich kenne.
Gott ist da.
Und um dies zu verkünden, kommt Jesus nach Jerusalem. Nicht erhaben, sondern behütet auf einem Esel. Er sieht die Menschen an, nicht um sie zu prüfen, sondern um sie beruhigen. Jesus nimmt den Weg zum Kreuz auf sich, trotz aller Zweifel und trotz allem Spott in der Welt.
Daran denken wir heute. Wir erinnern uns an diesen Mann, der so viel auf sich genommen hat, der einen so oft zweifeln lässt. Wir erinnern uns an diesen Mann, der der Welt so viel Kraft und Hoffnung gebracht hat.
Daran dürfen sich alle freuen. Die, die vollends überzeugt sind und den größten Palmzweig in die Höhe halten, aber auch die, die vielleicht noch zweifeln, ihren Blick aber schon etwas heben. Und auch ich reihe mich gerne in diese Reihe ein.
Gelobt sei, der da kommt im Namen des HERRN. AMEN.
Predigt ü/ Jesaja 54, 7-10 19.3.2023
Jubiläumskonfirmation in Oberdiebach
Zeig uns dein königliches walten, bring Angst und Sorgen selbst zur Ruh, du wirst am Ende recht behalten, Herr, mach uns still und rede du.
Amen.
Liebe Festgemeinde,
nichts ist so sicher wie die der ständige Wandel. Laufend hört und sieht man Neues, vor allen Dingen in den verschiedenen Medien. Und auch im ganz privaten Bereich gibt es immer wieder Neuerungen, Umstellungen und Neuanpassungen, in einem Ausmaß, wie es frühere Generationen niemals erfahren haben. Wenn man nicht auf der Strecke bleiben will, muss man ständig flexibel und offen sein. Besonders, wenn schon älter ist- und zu diesen Menschen gehöre ich ja auch- fragt man sich manchmal, wo will das alles enden? Vieles entwickelt sich ganz anders, und vor allen Dingen rasend schnell, als wir uns das zunächst einmal vorgestellt haben.
Hand aufs Herz, bei wem unter uns ist denn das wirklich eingetreten, was man sich zum Beispiel bei der Konfirmation, bei der Heirat oder auch im Beruf vorgenommen oder vorgestellt hat? Einiges kam bestimmt so, wie wir uns das wünschten. Vieles aber, auf das wir persönlich keinen Einfluss haben, müssen wir so nehmen, wie es kommt. Wir haben ja auch gar keine andere Möglichkeit.
Dazu kommt die total schwierige gesamte Weltsituation. Krieg in der Ukraine, schwere Erdbeben in der Türkei und Syrien und eine Klimaveränderung die wir meines Erachtens nicht mehr alleine in den Griff bekommen. Man ist schlicht nicht bereit, sich total umzustellen.
Dann fragt man sich, gibt es denn nichts 100%ig zuverlässiges? Kann man sich auf rein gar nichts mehr verlassen. Gibt es denn nichts, was ewig dauert? Etwas, was alles bisher Dagewesene unbeschadet übersteht? Doch, wir können und dürfen uns 100% auf unseren Gott verlassen. Wer ihm vertraut, steht wie auf einem Felsen in der Brandung. Und dieser Felsen ist unerschütterlich. Das darf man glauben und das darf man getrost leben. Und damit kann man auch gute Erfahrungen machen.
Im für heute vorgeschlagenen Predigttext geht es um Gottes Gnade. Die steht immer felsenfest für uns Menschen und wankt nie. Gott lässt durch den Propheten Jesaja verkünden, dass er sich wieder gerne dem Volk Israel annimmt und für sie sorgt. Er sichert uns seine ewige Gnade zu. Und da wir durch Jesus Christus auch zum Volk Gottes gehören dürfen, gelten diese Mut machenden Worte auch uns, auch hier und heute.
Ich lese einige Verse aus dem 54. Kapitel des Propheten Jesaja.
Gott spricht:
Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln.
Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich dein Erbarmen, spricht der Herr, dein Erlöser.
Denn solches soll mir sein wie das Wasser Noahs, da ich schwur, dass die Wasser Noahs nicht mehr über den Erdboden gehen. Also habe ich geschworen, dass ich nicht über dich zürnen noch dich schelten will.
Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.
Liebe Gemeinde,
das sind Worte, besonders der letzte Vers, die Trost spenden, die Hoffnung geben und uns voller Vertrauen in die Zukunft gehen lassen. An der Güte und Gnade Gottes soll niemand zweifeln oder gar verzweifeln. Der Prophet Jesaja macht uns Mut und möchte, dass alle Menschen auf Gottes Gnade vertrauen.
Ich gehe einmal davon aus, dass von den heutigen Jubilaren oder sonstigen Gottesdienstbesuchern jemand dabei ist, der den letzten Vers des Predigttextes als Konfirmationsspruch hat. Es ist ein Wort der Hoffnung und Zuversicht.
Wenn wir jedoch ehrlich sind, liebe Gemeinde, Gott hat auch seine dunklen Seiten. Und die erleben wir auch je und dann. Diese Tatsache wird ja auch nicht verschwiegen. Und die müssen wir Menschen auch manchmal tragen und ertragen. Denn unser Leben ist nicht immer ein Spaziergang am sonnigen Sandstrand oder über eine blühende Frühlingswiese.
Ihr, die ihr vor 50, 60, 65, 70 oder sogar 75 Jahren konfirmiert worden seid, habt auch eure Päckchen zu tragen. Und bei manchen Menschen sind es gar Pakete, die sie mitzuschleppen haben. Dann an Gottes Güte, an seiner Gnade und seiner Freundlichkeit nicht zu verzweifeln, ist kein leichtes Unterfangen.
In der Zeit, als der Prophet Jesaja lebte, waren die Juden, zu denen zunächst unser Text gerichtet ist, in babylonischer Gefangenschaft. Ja, da stimmt das Wort: Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen.
Und trotzdem sind Güte, Gnade und Barmherzigkeit die ewigen und unerschütterlichen Wesensmerkmale unseres Gottes.
Die Juden haben sehr unter der Fremdherrschaft gelitten und nach und nach bröckelte das Vertrauen zu Gott. Wenn wir ehrlich sind, können wir das gut nachvollziehen. Je länger sie in babylonischer Gefangenschaft waren, desto mehr schwand ihr Gaube an den barmherzigen und gnädigen Gott.
In der Fremde ist alles ungewiss geworden. Wo ist dieser Gott? Gibt es diesen Gott überhaupt noch, an den unsere Vorfahren geglaubt haben? Was ist mit ihm? Ist er ganz verstummt, hat er uns, sein Volk, total vergessen? Die Auswirkungen der Gottesferne und Gottesfinsternis waren damals so.
Und, liebe Gemeinde, wie sieht das aktuell bei uns heutzutage aus? Wir leben nicht in Gefangenschaft sondern in großer Freiheit. Bei uns gibt es nach wie vor die Möglichkeit, Gottes Wort zu hören und danach zu leben. Aber in unserer schnelllebigen und modernen Welt hat Gottes Wort es schwer, unser Herz zu erreichen.
Den meisten Menschen in unseren Breiten geht es gut, ja sehr gut. Dass auch das Gute uns von Gott geschenkt wird, vergessen wir oft. Alles Positive schreiben wir uns gerne auf die eigene Fahne. Und dann merken wir oft nicht einmal, dass wir Gott sozusagen verloren haben. Ja, dass er keinen Platz mehr in unserem Leben hat.
Wir wollen und müssen unbedingt so vieles erleben, alles mitnehmen, was das Leben nur an Möglichkeiten bietet. Und dabei bleibt der Glaube an den lebendigen Gott oft unbeabsichtigt auf der Strecke.
Das ist dann heute ähnlich wie zur Zeit des Propheten Jesaja. Zwar aus ganz anderen Gründen, aber Gottes Zuwendung zu uns Menschen wird oft nur noch ganz wage wahrgenommen.
Dabei ist die Gottesferne, sein Zorn nur einen Augenblick. Es ist nie und niemals Gottes endgültiges Urteil über uns Menschen. So wie er zur Zeit Noahs schwor, niemals mehr die Erde mit einer Sintflut zu strafen, so gilt sein Zorn über die Menschen niemals als sein endgültiges Urteil
Dass das so ist, wurde bereits ein für alle Mal festgeschrieben. Durch Jesus Christus, der als Mensch in unsere Welt gekommen ist, strahlt Gottes Liebe auch in unser kleines Leben. Jesus ist ja nicht in unsere Welt gekommen, weil hier alles so super gut läuft. Nein, heißt es doch im Weihnachtslied: Welt ging verloren, Christ ist geboren! Und zur Welt, liebe Gemeinde, gehören wir alle, Du und Ich. Jesus war und ist praktisch Gottes Liebe in Person. Er speiste Menschen, machte Menschen gesund, weckte Menschen auf.
Damit zeigte er, dass er uns Menschen in inniger Liebe und Barmherzigkeit verbunden ist. Gerade die Menschen, die auf der Schattenseite des Lebens sind, gehören zu seinen Lieblingen.
Das bedenken wir vor allen Dingen jetzt in der Passionszeit. Sein Leiden und Sterben kommt uns Menschen zugut, wir müssen es nur im Glauben annehmen und leben. Durch seinen Tod und durch seine Auferstehung dürfen wir letztendlich Gottes Gnade erfahren. Er will uns in Zeit und Ewigkeit nahe sein.
Wir sind nie zu alt, um uns Gott zuzuwenden. Er streckt uns immer eine Hand entgegen; nur einschlagen, das müssen wir schon selbst.
Unser Leben soll das von Gott gesetzte Ziel erreichen. Wir dürfen uns ohne Vorbehalte auf den Weg des Glaubens machen. Auch dann, wenn wir vielleicht Zweifel an Gottes Führung haben. Wenn wir nicht ausprobieren ob uns der Glaube trägt, auch durch schwere Zeiten, können wir niemals Mut machende Erfahrungen mit Gott machen.
Dass Gott für uns alle wie ein Felsen in der Brandung steht, soll der letzte Vers des Predigttextes bezeugen. Wenn Berge weichen und Hügel hinfallen, was ja vor einigen Wochen in der Türkei und Syrien passiert ist, und was immer mal vorkommt, versetzt das auch uns nicht Betroffene oft in Angst und Schrecken. Auch wenn das Ausmaß des Erdbebens groß und furchtbar schrecklich ist, Gottes Treue zu uns Menschen ist größer und stärker als stärkste Erdbeben.
Auch wenn sich der Sieg der Güte und Gnade Gottes oft verborgen hält, dieser Sieg macht sich unaufhörlich Bahn. Denn hinter allem und über allem steht Gottes unerschütterlicher Heilswille.
Diesen Heilswillen zu erkennen und ihn froh und dankbar anzunehmen und ihn zu leben lässt getrost und gelassen in die Zukunft blicken. Weil wir den an unserer Seite haben, der Himmel und Erde geschaffen hat und auch unser kleines Leben in seinen guten Händen hält. Er, unser himmlischer Vater, der uns niemals aus den Augen verliert, auch in den dunkelsten Stunden unseres Lebens nicht. Wenn wir an ihm unser Leben fest machen, sind wir gut gewappnet für alles, was noch auf uns zukommt.
Denn es gilt und steht unverbrüchlich über jedem einzelnen Leben:
Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.
Amen.