Predigt für Sonntag Ewigkeitssonntag Sonntag, 26.11.23, 9: 15 Mh; 10:45 Sg;
Predigttext: 2. Pter 3, (3-7) 8 - 13
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Amen
Liebe Gemeinde,
viele Menschen habe ich auch dieses Jahr mit Gottes Wort begleitet, um Abschied nehmen zu können und sich in ein neues, ganz anderes Leben einzufinden.
Trotz der vielen eigenen Beispiele „erfinde" ich eines:
Ich denke an eine Frau, vielleicht Anfang 60. Dass sie heute zum Friedhof geht. Vor wenigen Wochen ist ihr Mann zu Tode gekommen. Das Leben hatte es bis dahin gut mit ihnen gemeint. So sehr freuten sie sich auf den Ruhestand, die gemeinsame Zeit, lang erträumte Reiseziele sollten endlich realisiert werden. Plötzlich standen die Polizei und ein Notfallseelsorger vor der Tür. „Ihr Mann hatte einen schweren Unfall„." Mit einem Schlag ist alles anders. An den Tag der Beerdigung kann sie sich kaum erinnern. Ihr ganzes gemeinsames Leben, rückblickend so kurz, viel zu kurz in der gegenwärtigen Wahrnehmung. „Es ist so ungerecht. Warum gerade er?" denkt und fragt sie. Sie hat gute Freundinnen, sie treffen sich, gehen spazieren, reden oder schweigen.
Sie wird langsam in die Aufgaben hineinwachsen, die er immer übernommen hatte. Sie wird anderen begegnen, etwas erleben, sich etwas Gutes tun. Der Boden unter den Füßen wird wieder fester werden. Und irgendwann leuchtet dann die Morgenröte eines neuen Himmels, einer neuen Erde auf...
Oder eine umgekehrte Perspektive. Es war, als träfe sie plötzlich Reisevorbereitungen. Gerade hatte sie vom Arzt die schlimme Diagnose erhalten. Es ist nichts mehr zu machen, vielleicht noch ein halbes Jahr, vielleicht weniger. Alle um sie herum brachen in Tränen aus. Das sichere Ende vor Augen wirkte bei ihr anders als bei ihren Liebsten. Plötzlich hatte sie klar vor Augen, was noch unbedingt erledigt werden musste.
Die Energie, die sie noch hatte, wollte sie nutzen, um ihr Wichtiges in die richtigen Bahnen zu leiten. Vielleicht würde sie auch den Pfarrer um ein Gespräch bitten. Das Gebet war schon immer selbstverständlich für sie. Ars moriendi nannten die Menschen die Kunst, vorbereitet die letzte Reise anzutreten. Abschiede brauchen Zeit, es gibt vieles, was vielleicht noch erledigt, angesprochen oder nur mit Gesten und Taten gezeigt werden will. Es wird Ende und Anfang zugleich sein.
Immer wieder fragen wir uns, was kommt nach dem Sterben,
wenn wir nur noch Tod feststellen
Dieser individuellen Frage, die sich wohl alle stellen, entspricht eine Glaubensaussage, die das Ende der Zeit beleuchten möchte. Wird es
ein Ende der Zeit geben, an dem Gott machtvoll wieder zurückkommt auf diese Erde und alles neu machen wird? Und wann kommt der auferstandene Herr auf diese Weise zurück?
Christinnen und Christen in der frühen Christenheit lebten in der großen Hoffnung, dass Jesus Christus noch zu ihren Lebzeiten wiederkommt, diese Welt radikal beendet und Gottes Reich errichten wird. Wie die Geburt einer neuen Schöpfung stellten sie sich diesen Tag vor. Mit Feuergluten und zerschmelzenden Elementen. Aber sie warteten schon lange. Die Hoffnung bröckelte. Hatten sie sich getäuscht? Für nicht wenige war es gleichbedeutend mit der Haltung: Ich vertraue diesem Gott oder nicht.
Ihnen antwortete der 2. Petrusbrief: Ihr braucht nicht mutlos zu werden. Gott wartet geduldig auf euch. Alle sollen die Möglichkeit haben, zu ihm*ihr umzukehren. Das heißt auch: Gott gibt Zeit.
Hören wir den für heute vorgeschlagenen Pgttxt: 2Petr3 , (3-7) 8-13
Je mehr ich Sterbende begleite und auch die Menschen, die zurückbleibend Abschied gestalten müssen, desto wichtiger werden mir Fragen, auf die ich Antworten suche und von Gott im Gebet erbitte. Wie begleitet uns Gott in der Zeit und was dürfen wir hoffen, wenn unsere Zeit und die der uns lieben Menschen vorbei ist?
Zwei Aussagen im Predigttext werden mir bei dieser Frage besonders wichtig. Die eine heißt:
Es ist Gottes Wunsch, dass alle Menschen zu ihm*ihr finden. Daraus schließe ich auch die gegenteilige Bewegung: Gott ist auf dem Weg zu uns, zu allen von uns. Mit seinem Wort, mit den Psalmen, die wir lesen, den christlichen Liedern, die wir singen, den Predigten, die wir hören, aber darüber hinaus eben auch mit den Taten der Liebe, mit denen wir uns helfen, oft und gerade dann, wenn Krankheiten oder Schicksalsschläge hilflos, ganz abhängig davon machen, dass andere liebevoll und fürsorglich sind. Und gerade wenn Lebenszeit zu Ende geht, erlebe ich, nicht immer, aber wirklich erstaunlich häufig eine solche Fülle dieser selbstlosen, liebevoll zugewandten Taten, das kann ich oft nur bewundern und frage mich, wo nehmen Menschen diese Kraft der Nächstenliebe her.
Und im Staunen darüber merke ich, wie auch ein 2. Teil des Predigttextes besonders lebendig wird:
Gerade der nahende oder der eingetretene Tod befreit viele Menschen zu einem Denken und Tun, das sich um das Wesentliche dreht. Und dann wird Gottes Wort plötzlich so wichtig, seine Verheißungen ermutigen, wecken Hoffnung, wo Verzweiflung droht, Trost in aller Trauer leuchtet auf, das Sterben verbittert nicht, Neuanfänge im Leben
der Weiterlebenden langsam und leise oder auch mal schnell und fast zu kraftvoll. Und eben die große Erwartung und Hoffnung, dass Gott ihre*seine Verheißung wahrmacht, auch für die Verstorbenen neues Leben zu schöpfen - Neuschöpfung.
Ist das Vertrauen darauf nicht an sich bereits ein bedeutender Teil von der verheißenen neuen Erde und dem versprochenen neuen Himmel? Mitten im Leid neues Leben; es vergeht etwas, was immer ganz wichtig war, aber damit hören nicht alle Möglichkeiten auf, auch wenn es manchmal scheint, als wären die Uhren stehen geblieben.
Jesus hat den Seinen für die Zeit nach seinem Tod beides zugesagt: Ich bleibe bei euch, mein Heiliger Geist gibt euch Kraft und Glaubensmut in der Zeit und: Nach der Zeit werde ich euch auferwecken, wie mich mein Vater auferweckt hat. Ihr sollt mit mir leben in Ewigkeit.
Wenn ich die Namen unserer Verstorbenen gleich lese, die im heute zu Ende gehenden Kirchenjahr verstorben sind, dann hoffe ich genau darauf: Einen neuen Himmel und eine neue Erde, weil Gottes Liebe alle(s) verwandelt. Und in der Hoffnung möchte bereits hier und jetzt spürbar und wirklich werden, worauf wir vertrauen, nämlich: Dass wir alle, so wir leben oder gestorben sind, geborgen sind in Gottes Liebe durch Jesus Christus unsern Heiland.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen
Lied EG 153, 1-5, Der Himmel, der ist
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Predigt: Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres 19.11.2023 Matthäus 25, 31- 46
der Text aus dem Matthäus-Evangelium, den wir heute betrachten, erzählt uns von einem der eindrucksvollsten und herausforderndsten Bilder, die uns Jesus gegeben hat - das Bild bietet uns einen Blick auf „die Letzten Dinge", auf die endgültige Begegnung des Menschen mit Gott.
Das Evangelium zeigt das „Jüngste Gericht" als persönliches Gespräch zwischen Gott und jedem Menschen mit dem Blick auf sein Leben.
Jesus spricht von einem künftigen Gerichtstag, an dem der Menschensohn in seiner Herrlichkeit erscheinen wird. Die Menschen werden vor ihm versammelt, und er wird sie in zwei Gruppen einteilen, wie ein Hirte die Schafe von den Böcken trennt.
Die Schafe repräsentieren diejenigen, die in ihrem Leben Barmherzigkeit geübt haben, die Hungrigen gespeist, Durstigen zu trinken gegeben, Fremde aufgenommen, Nackte gekleidet und Kranke besucht haben.
Und Jesus sagt: "Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan."
Die Böcke hingegen repräsentieren diejenigen, die die Bedürfnisse der Bedürftigen ignoriert haben. Sie haben nicht geholfen, wenn sie gebraucht wurden, und Jesus sagt zu ihnen: "Was ihr nicht getan habt einem dieser Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan."
Jesus stellt uns vor sich hinund fragt: Was tust du?
In seiner letzten Rede vor seinem Leiden, Sterben und Auferstehen zeigt Jesus, dass es nicht egal ist, was wir als Einzelne tun und wie wir leben.
Viele Menschen leben heute mit dem Gefühl: Was kann ich schon tun? Was ich tue, ist doch eher unbedeutend, nicht so wichtig, egal.
Und so ziehen sich viele bequem oder resigniert auf ihr Privatleben zurück. Sie leben nach dem Motto: „Die da oben müssen, aber ich denke an mich."
Jesus macht hier deutlich: Wir sind bedeutend und unser persönliches Handeln hat Bedeutung.
Was wir tun, mag vor Menschen nicht so wichtig erscheinen, aber es hat Bedeutung vor Gott, im Gericht, für die Ewigkeit und für dieses Leben.
Jesus will nicht sagen: Strengt euch an, damit ihr euch die Ewigkeit verdient, sondern: Unser Verhalten, unser Handeln ist ein Prüfstein dafür, wie es in unserem Innern aussieht.
Denken wir zuallererst an uns, unser privates Wohlergehen, oder können wir in der Nachfolge Jesu von uns absehen und in dem anderen das geliebte Kind Gottes sehen?
Wer braucht unsere Hilfe?
Jesus gebraucht hier Beispiele, die in seiner Zeit und Umgebung wichtig waren: gefangen, nackt, hungrig, durstig, Fremder, krank.
Viele denken hier schnell an Menschen unserer Zeit,
die von den Medien in den Vordergrund gestellt werden, aber vielleicht geht es für uns um ganz andere Menschen, die einsam, orientierungslos, innerlich leer, seelisch arm oder auf andere Weise hilflos sind.
Es kommt nicht auf die Beispiele an, sondern ob wir mit einer inneren Selbstverständlichkeit den Menschen sehen, das geliebte Kind Gottes und bereit sind, zu helfen.
Die Art der Hilfe kann sehr unterschiedlich sein, als materielle oder seelische Hilfe, als Reden oder Zeit zum Zuhören, als Zuwendung oder freundliches Lächeln. Helfen heißt nicht, dass wir immer tun müssen, worum man uns bittet oder nur lieb und soft sein;
es kann auch bedeuten, dass wir mal jemand aufrütteln, ausschimpfen oder deutlich „Nein" sagen, damit der andere aufwacht und sich ändert.
Es geht nicht darum, wie man am besten hilft, das ist immer unterschiedlich.
Es heißt aber, dass wir diese Menschen nicht einfach abschreiben, links liegen lassen, verächtlich über sie reden oder sagen: Da müssen sich die anderen drum kümmern.
Manchmal kann man nicht helfen, weil wir die Mittel und Möglichkeiten nicht haben, und wir können auch nicht der ganzen Welt helfen.
Das will Jesus auch nicht von uns, sondern es kommt darauf an, ob wir um Jesu willen helfen wollen oder nicht. Jesus macht hier deutlich: Du bist nicht egal,
Dein Handeln ist nicht egal.
Es hat sogar so viel Bedeutung, dass Gott uns am jüngsten Tag danach fragt: Wie bist du mit den Menschen umgegangen, die in Not sind und deine Hilfe gebrauchen, egal ob Nachbarn, Freunde, Feinde, Leute, die du gut, weniger gut oder die du gar nicht kennst?
Es sollte uns nicht gleichgültig sein und das wir denken, wir müssen niemanden Rechenschaft geben und müssen nur darauf achten, dass wir einigermaßen gut durchkommen.
Wir denken an diesem Tag an die Opfer der beiden Weltkriege und an viele Opfer anderer Kriege bis in unsere Zeit.
Der Volkstrauertag ist eine Gelegenheit, innezuhalten und über die Bedeutung von Frieden und Versöhnung nachzudenken. Die Erinnerung an die schrecklichen Konflikte der Vergangenheit sollte uns mahnen, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um einen dauerhaften Frieden in der Welt zu bewahren. Wir dürfen nie vergessen, dass Krieg und Gewalt unermessliches Leid über unschuldige Menschen bringen.
Auch heute gibt es noch viele Regionen auf der Welt, wir denken da besonders an die Ukraine und Israel, in denen Menschen unter Kriegen und Konflikten leiden. Wir dürfen nicht gleichgültig bleiben gegenüber dem Schmerz und der Not, die diese Konflikte verursachen. Unser Mitgefühl und unsere Unterstützung sollten denjenigen gelten, die von diesen Tragödien betroffen sind, und wir sollten uns weiterhin für Diplomatie und Konfliktlösung einsetzen.
All dieses Leid entstand und entsteht immer wieder, weil Menschen sich selbst zu Herren machen ohne Respekt vor Gott und vor anderen Menschen.
Sie wollen ihre Vorstellungen mit Gewalt durchsetzen, einige vielleicht sogar mit guten Zielen, aber mit verheerenden Folgen.
Ganz schlimm wird es, wenn Menschen das auch noch im Namen Gottes tun und damit Gott für ihre eigenen Ziele missbrauchen.
Das ist gottlos!
Es ist aber gefährlich, wenn in unserer Zeit Menschen nicht mehr aus innerem Antrieb und Überzeugung fair, respektvoll, gerecht, freundlich und ehrlich miteinander umgehen, sondern nur weil sie sich davon Vorteile erhoffen oder weil sie Angst vor Strafe oder anderen Nachteilen haben.
Wenn das überhandnimmt in unserem Miteinander vor Ort, in der Politik, in der Wirtschaft oder in anderen Bereichen, dann ist unsere Gesellschaft krank,
dann fehlt ihr die innere Substanz. Aber was wundern wir uns?
Wenn viele Menschen in unserem Land meinen,
dass sie Jesus nicht mehr brauchen, dann stellt sich jeder selbst in den Mittelpunkt und das ist die Wurzel für den Werteverfall in unserer Gesellschaft und dass der Respekt im Miteinander verloren geht.
Um gesund zu werden, brauchen wir eine Umkehr, nicht zu Ideologien oder mehr Wirtschaftswachstum, sondern zu unserem Schöpfer und Richter, den wir in Jesus kennen, dass wir bei ihm um Gnade und Vergebung bitten; dass Gott uns und unserem Volk die Möglichkeit gibt, neu anzufangen; dass er uns von Grund auf erneuert, uns befreit von unserer Ich-Bezogenheit und Sucht nach mehr, und wir lernen in seinem Sinn, in seinem Geist zu leben, damit wir zu Menschen werden, die in Verantwortung vor Gott sich an den Werten Gottes orientieren wie Wahrheit, Ehrlichkeit, Fairness, Respekt, Hilfsbereitschaft, etc.; damit wir uns mit Mut, Courage und Verantwortungsbewusstsein für unser Miteinander einsetzen und besonders für die, die unsere Hilfe am meisten brauchen, und wir in der Erziehung das den Kindern und Jugendlichen vermitteln.
Jesus stellt uns in dieser Geschichte vor Gott, unserem Herrn und Richter, um uns den Weg zu zeigen, wie wir als Einzelne und als Volk im Innern wieder gesund werden können.
Was antwortest du deinem Schöpfer, Herrn und Richter, wenn er dich fragt? Amen!
Predigt für Tag der Reformation
Dienstag, 31.10.23, 18:30 Bacharach
Predigttext: Mt 5, 2 – 12
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Gemeinde: Amen.
Liebe Gemeinde,
für den heutigen Reformationstag ist ein Bibeltext vorgeschlagen, der, so meine ich, zu den ganz großen Texten der Menschheitsgeschichte gehört.
Hören wir diesen Bibeltext:
Und wer möchte, kann ihn im EG unter der Nr. 767 auf der Seite 1194 mitlesen:
Mt 5,2-10 (11-12)
Die Seligpreisungen
2 Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach:
3 Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.
4 Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
5 Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
6 Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.
7 Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
8 Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.
9 Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
10 Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.
11 Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und allerlei Böses gegen euch reden und dabei lügen.
12 Seid fröhlich und jubelt; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden. Denn ebenso haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.
Große, großartige, erhabene Worte.
Achtmal derselbe Beginn „Selig sind…“
Und dann kommen Beschreibungen, die manchmal einleuchten, manchmal in der Tiefe der Seele berühren und manchmal ärgern.
Die erste und die letzte Seligsprechung enden mit demselben Schluss:
denn ihrer ist das Himmelreich
Das ist sicherlich kein Zufall oder weil andere Ideen fehlten.
Diese Doppelung macht deutlich, um was es im Kern geht:
Um das Himmelreich.
Das Reich Gottes. Und das mitten auf der Erde. Es ist Jesu zentrale Botschaft. Die richtet sich an seine Jüngerinnen und Jünger und genauso an das Volk Israel, das bei ihm war.
Selig ist, wer…
Himmel auf Erden lässt werden, wer…
Himmel auf Erden erfährt, wer…
Das griechische Verb, das wir mit „selig“ übersetzen, würde eigentlich eher mit „glücklich“ wiedergegeben werden. Einzelne Bibelübersetzungen machen das auch.
Und ich freue mich, dass der gute Martin Luther eine andere Wortwahl für die Übersetzung wählte, bis heute lesen wir in den auf Luthers Text zurückgehenden revidierten Ausgaben: selig.
Das ist mit Blick auf unser Verständnis von Glück und glücklich sein, die treffendere Aussage.
Denn in den Seligpreisungen geht es nicht um übergroßes glücklich sein, nach unserem allgemeinen Verständnis von Glück und es ist auch nicht vorrangig Hinweis für die himmlischen Freuden, die den Frommen nach dem Tod verheißen werden.
Selig sind, laut Jesus:
Die geistlich arm sind, die Leid tragen, die Sanftmütigen, die Barmherzigen, die Gerechtigkeit ersehnen, die Leid tragen, die Frieden stiften, die reinen Herzens sind.
„Selig“ umschreibt ein Leben in der Nachfolge Jesu Christi. Und wer nach Jesu Zuspruch und Anspruch lebt, wird immer neu erfahren, dass Bestimmtes dazu gehört, und manchmal gar nicht mit unserer Überzeugung von Glück in Übereinstimmung zu bringen ist.
Wer selig ist, ist nicht einfach glücklich, aber tief davon überzeugt, dass Gottes Himmelreich wichtiger als alles andere ist und deswegen motiviert, nach Jesu Liebesgebot zu handeln – auch wenn das manchmal wirklich schwer ist. Johannes Calvin, der andere große Reformator hielt fest, dass „Christus leugnet, dass man unglücklich sein muss, wenn man durch die Ungerechtigkeiten der Gottlosen bedrückt wird oder sonst Trübsalen unterworfen ist.“
(Nach Reformation erinnern, predigen…S. 539)
Mir gefällt an Calvins Aussage, dass unser Verständnis von Glück fehlleiten kann. Auch wenn vieles fehlt, was wir eigentlich meinen oder was uns eingeredet wird, was wir brauchen müssten, um glücklich zu sein, ist in Jesu Nähe anders.
Wem also gehört das Himmelreich? Wer ist selig/glücklich?
An populärster, an erster Stelle steht: Den geistlich Armen.
Wie sehr habe ich mich immer an dieser Formulierung gestoßen!
Wie sehr hat sie kabarettistischen und kirchenkritischen Regungen
Nahrung gegeben…
Ich möchte nicht arm sein. Nicht materiell, also in meiner Beziehung zu
den Dingen, nicht intellektuell, also in meiner Beziehung zu den geistigen
Erkenntnissen und auch nicht geistlich, also in meiner Beziehung zu Gott!
Und jetzt wird mein Empfinden an diesem einen, für mich als Christen wichtigen Punkt, meine Beziehung zu Gott, auf den Kopf gestellt.
Es geht nicht um Reichtum und gutes Ansehen vor Gott, darum dass ich in geistlicher und frommer Hinsicht besonders gut dastehe, es geht um eine Armut, die mich auf den ersten Blick abstößt. Denn irgendwie möchte ich Gott schon gefallen, schließlich ist er*sie mir sehr wichtig.
Nun muss ich mir trotzdem eine Einsicht gefallen lassen: Ich stehe vor Gott arm da. Und wenn ich das einsehe und zulasse, dann ist das Himmelreich zumindest näher. Mmh…
In welcher Art und Weise stehe ich vor Gott arm da?
Insofern, als dass ich Gottes Ansprüche nie ganz erfüllen kann. Und auch darin, dass ich mich selber nicht von der Schuld befreien kann. Weder von meiner grundsätzlichen Fehlerhaftigkeit, ich kann mich noch so bemühen, Sünde haftet mir an – da ist wirklich keine Willensfreiheit, so gern ich sie auch hätte. Ich brauche Gottes Vergebung, Gottes Gnade, allein sie hilft mir, vor Gott bestehen zu können.
Und damit sind wir bei einem der Zentren des heutigen Tages, an dem wir der Reformation gedenken, angekommen.
Sola Gratia – so sagte es Luther.
Allein aus Gnade. Darauf zu vertrauen, bin ich herzlich eingeladen: sola fide, allein aus Glauben, ohne Zeichen oder Beweise dafür zu haben. Glauben/vertrauen: Gott überwindet, was mich von ihm*ihr trennt.
Allein durch Gottes Gnade bin ich/sind wir gerecht. Das muss ich erst einmal geistig und geistlich verdauen, verarbeiten, es geht gegen mein Verständnis von eigener Verantwortung und Selbständigkeit.
Allein aus Gottes Gnade heißt ja nichts anderes als: ohne mein eigenes Zutun und Können, ohne meine eigene moralische, intellektuelle und geistliche Leistung – allein aus Gottes Gnade. Puh…
Gnade Gottes heißt dann konkret: Gottes Gnade für mich.
Geistlich arm, ich soll mich ganz und gar auf Gott verlassen. Das ist Himmelreich. Damit beginnen die Seligpreisungen.
Auch wenn ich es besser verstehe, auch wenn ich das gut und richtig finde, es fällt mir schwer, so ganz das Zepter aus der Hand zu geben. Diese Seligpreisung bleibt für mich zuerst Zumutung. Und ist trotzdem Geschenk.
Gerade in unserer Zeit stolpere ich über eine 2. Seligpreisung. Ich finde sie unendlich wichtig, aber wie soll man sie bloß umsetzen? Das Himmelreich erscheint so weit weg, es ist bedrückend:
Selig sind, die Frieden stiften.
Frieden stiften, also dort aktiv Frieden herbei führen wollen, wo Streit, Hass, Krieg, Menschenverachtung toben.
Wer denkt nicht sofort an die Ukraine, an Israel, Gaza-Streifen, die
Hamas.
Und alle, die wissen, dass die Seligpreisungen die sogenannte Bergpredigt einleiten, die erinnern vielleicht auch die so bekannten wie strittigen Worte Jesu, uns allen gesagt:
Vom Vergelten
38 Ihr habt gehört, dass gesagt ist (2.Mose 21,24): "Auge um Auge, Zahn um Zahn."
39 Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Bösen, sondern: Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.
Von der Feindesliebe
43 Ihr habt gehört, dass gesagt ist: "Du sollst deinen Nächsten lieben" (3.Mose 19,18) und deinen Feind hassen.
44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen,
45 auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. (Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.)
Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen
Es leuchtet sofort ein, wie nah bei Jesus beides zusammengehört. Frieden stiften, sogar Feinde zu lieben, um des himmlischen Vaters Kind zu sein.
Und ich merke: Ich bin dem Himmelreich so fern…Kind dieses Vaters? Oder wessen Geistes Kind schon eher?
Könnte ich Jesu Forderung, dem, der mich schlägt, die andere Wange hinzuhalten, für mich selber erfüllen? Ich lasse es einmal offen, fürchte aber nein.
Könnte ich Jesu Forderung erfüllen in meinen Beziehungen zu den Menschen, die ich liebe? Wenn also insbesondere meine Kinder bedroht würden von Terroristen und angestifteten Soldaten? Also wenn sie schon eins meiner Kinder getötet haben, das zweite direkt nachzureichen? Gewiss nicht!
Kann ich von Menschen in Israel oder in der Ukraine erwarten, dass sie Jesu Forderung umsetzen und sich nicht mit Waffengewalt wehren?
Das Himmelreich ist so weit weg…
Ich werde nicht aus eigener Kraft selig. Und wer kann es von sich sagen? Als sich Dietrich Bonhoeffer entschloss, das Attentat auf Hitler mit zu planen und mit durchzuführen, da wusste er, was er auch macht oder lässt, er bleibt nicht unschuldig. Wird er schuldig an denen, die von dem Massenmörder regelrecht abgeschlachtet werden, weil ihn niemand aufhält oder wird er schuldig, weil er diesen Menschenvernichter zu eliminieren hilft. Gegen Gottes ausdrückliches Gebot, nicht zu töten, den Feind zu lieben.
Zuletzt bleibt er zurück in Schuld. Dietrich Bonhoeffer wählte den Weg
des Attentats – tragischerweise gescheitert.
Selig sind…
Ja, wer eigentlich?
Und wenn ich merke, ich schaffe es nicht, wie gehe ich damit um?
Resignieren? Ganz oder gar nicht, also gar nicht erst versuchen, die
hehren Forderungen Jesu zu berücksichtigen?
Das hieße ja, dem Bösen komplett Tor und Tür zu öffnen.
Und wie sieht es mit den anderen Seligpreisungen aus?
Es klingt machbarer „Selig sind die Sanftmütigen“ oder „Selig sind, die Barmherzigen“ oder auch die anderen. Aber sind sie wirklich aus eigener Kraft so machbar, dass wir sie mit Willenskraft und aus freier Entscheidung konsequent leben könnten? Ich will niemanden zu nahe treten. Aber ich sehe hier keine Heilige, keinen Heiligen und heute Morgen war im Spiegel auch nur ein faltiger Wuschelkopf, der überhaupt nicht heilig wirkte und ist.
So sperrig die 1. Seligpreisung für mich ist, ich komme doch wieder auf sie zurück.
Geistlich arm stehe ich da. Unfähig nach Gottes Willen zu denken und zu handeln. Klar würde ich wie Petrus immer wieder felsenfest behaupten: Jesus, ich werde dich nie verraten. Und genauso würde ich, wie der gute alte Namenspatron unserer Kirche, Jesus bei der ersten ernsten Herausforderung im Stich lassen, wie oft habe ich den Hahn schon im eigenen Leben krähen gehört. Es ist zum Heulen.
Wie komme ich aus diesem meinem Elend heraus? Aus eigener Kraft gar nicht. Ich muss meine Blickrichtung ändern.
Wenn ich den Blick auf das lenke, was Gott durch Jesus für mich getan hat, dann staune ich, werde innerlich ruhiger, dankbar, kann Gott leise oder laut loben: Vergebung meiner Mittelmäßigkeit und Schuld; unzählige Male die Gewissheit, mit dem Tod ist nicht alles aus; einen moralischen und ethischen Kompass; großartige Menschen, mit denen ich zusammen unterwegs sein darf in seinem Namen; immer neu den Blick für den/die Nächste; eine nachsehende Milde in mein Wesen, weil ich weiß, wie Christus mir so ich dir; nicht zuletzt auch die wunderbare Natur; die unzähligen Lebensmöglichkeiten; es hört gar nicht auf, wofür ich alles danken will und kann.
Bin ich deswegen selig? Werde ich jemals selig sein?
Das Urteil überlasse ich getrost Jesus.
Aber versuchen will ich´s trotzdem.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen
Lied EG 670, 1-6, Hört, wen Jesus glücklich preist
Predigt für Sonntag 21.nTr
Sonntag, 29.10.23, 9:15 Henschhausen, 10:45 Uhr Steeg,
Predigttext: 1Mo13, 1 - 12
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Amen
Liebe Gemeinde,
dieser Sonntag hat ein großes Thema, die Nächstenliebe, die auch den Feind einschließt; dass Friede werde sogar mit Feinden, aber auch mit Nächsten.
Für die himmelstürmenden Ideale der Feindesliebe sind wir Christen und Christinnen bekannt. Und es gibt zahlreiche Vorbilder im Laufe der Geschichte, die diesen Worten beeindruckende Taten folgen ließen. Zu Recht orientieren wir uns daran.
Nicht zuletzt weisen sie andere und uns selber immer wieder auf Jesus Christus hin, der Nächsten- und Feindesliebe nicht nur predigte, sondern mit dem eigenen Leben beglaubigte.
Heute sind die biblischen Predigttöne etwas verhaltener.
Es geht nicht direkt um diese radikale Form der Liebe, die Feindesliebe, die nicht umsonst für viele (alle?) eine Überforderung bleibt.
Es geht um alltägliche Begebenheiten, darum wie verwandte Menschen miteinander konfliktreiche Situationen entschärfen können. Eher Kleinkram im Alltag, könnte man meinen, aber wer weiß nicht, wie schnell übersichtlich wirkende Konflikte ausufern und einen Streit heraufbeschwören, der zu tief geht, den im Grunde alle nicht wollten, wo eine vernünftige Lösung trotzdem ausbleibt.
Unsere 2018 erneuerte Reihe der zu predigenden Bibeltexte hat ein Augenmerk auch auf diese Dinge des Lebens gerichtet. Friede ist nicht nur in den großen Schlaglichtern der Feindesliebe anzudenken. Friede und die Suche nach, der Einsatz für Friede gehört zum Einmaleins unser aller Leben. Der Friede fängt ganz konkret vor der eigenen Haustüre an, am Esstisch zu Hause, in der Nachbarschaft oder endet bereits dort, ohne schon an den großen Rädern der Weltgeschichte mit heroischen Taten der Feindesliebe gedreht zu haben. Man könnte auch sagen, damit aus Freunden keine Feinde, aus Verwandten keine heillos Zerstrittenen werden, für sowas ist der heutige Predigttext gedacht.
1. Mose 13, 1-12:
Abram und Lot trennen sich
13 1 So zog Abram herauf aus Ägypten mit seiner Frau und mit allem, was er hatte, und Lot mit ihm ins Südland.
2 Abram aber war sehr reich an Vieh, Silber und Gold.
3 Und er zog immer weiter vom Südland bis nach Bethel, an die Stätte, wo zuerst sein Zelt war, zwischen Bethel und Ai,
4 eben an den Ort, wo er früher den Altar errichtet hatte. Dort rief er den Namen des HERRN an.
5 Lot aber, der mit Abram zog, hatte auch Schafe und Rinder und Zelte.
6 Und das Land konnte es nicht ertragen, dass sie beieinander wohnten; denn ihre Habe war groß und sie konnten nicht beieinander wohnen.
7 Und es war immer Zank zwischen den Hirten von Abrams Vieh und den Hirten von Lots Vieh. Es wohnten auch zu der Zeit die Kanaaniter und Perisiter im Lande.
8 Da sprach Abram zu Lot: Es soll kein Zank sein zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten; denn wir sind Brüder.
9 Steht dir nicht alles Land offen? Trenne dich doch von mir! Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten, oder willst du zur Rechten, so will ich zur Linken.
10 Da hob Lot seine Augen auf und sah die ganze Gegend am Jordan, dass sie wasserreich war. Denn bevor der HERR Sodom und Gomorra vernichtete, war sie bis nach Zoar hin wie der Garten des HERRN, gleichwie Ägyptenland.
11 Da erwählte sich Lot die ganze Gegend am Jordan und zog nach Osten. Also trennte sich ein Bruder von dem andern,
12 sodass Abram wohnte im Lande Kanaan und Lot in den Städten jener Gegend. Und Lot zog mit seinen Zelten bis nach Sodom.
Ein bisschen möchte ich den geschichtlichen Hintergrund beleuchten.
Abram, später Abraham genannt, und Lot waren bedeutende Mitglieder einer Sippe, Lot ein Neffe Abrams (1Mo11, 27), in unserem Text ist von Bruder die Rede, so wie in Sippschaften Verwandte sich bis heute oft bezeichnen.
Beide werden vermögend geschildert und als Kleinviehnomaden bestand ihr Wohlstand besonders aus Schafen, Ziegen, auch Rinder und so. Mit ihren Tieren suchten sie regelmäßig das Kulturland auf, um ihre Herden auf den abgeernteten Feldern mit Erlaubnis der sesshaften Bevölkerung weiden zu lassen. Eine Weidewechsel zwischen Steppe und Kulturland, üblich damals und ohne kriegerische Absichten.
Dass ihr Tierreichtum so groß war, war bald auch Quelle für Streit, nicht aus Neid, sondern schlicht, weil für zwei so große Viehbestände das Land einfach nicht ausreichte. Es wurde zu eng.
Was macht man dann?
Setzt sich der Stärkere durch? Schmiedet man Bündnisse? Verbreitet
man Gerüchte? Lässt man die einfachen Arbeiter den Streit vor Ort austragen?
Es gibt so viele unselige Möglichkeiten, dass aus einem solchen Konflikt tiefe Verwerfungen werden.
Abram hatte eine Idee. Sie wirkt so pragmatisch wie überraschend:
Man trenne sich.
Das schwächt einerseits die Sippe, weil man zusammen besser gegen Bedrohungen geschützt ist. Andererseits war es aber angesichts der zugespitzten Lage der Weg, miteinander friedlich zu bleiben.
Lieber Trennung als permanenter Streit.
Ich würde das nicht als Vorbild für jede Art von Konfliktbewältigung sehen. Aber es fallen mir viele Konstellationen ein, ob in Familien, in Vereinen, im Beruf, da scheint es manchmal geraten zu sein, lieber getrennte Wege zu gehen, als immer neu in Streit zu geraten über Dinge, die irgendwie keinen Kompromiss finden lassen. Und der Friede zwischen Menschen ist dann ein höheres Gut, als auf Gedeih und Verderb zusammen zu bleiben und sehenden Auges in die große Not eines ständigen Streits zu geraten.
Zu Abrams Idee gehörte aber auch ein überraschender Großmut. Eigentlich war er der Ältere, gerade nach damaligen Sozial-Strukturen wäre er deswegen berechtigt gewesen, das Land auszusuchen, wo seine Herden Futterplätze finden, Lot hätte sich fügen müssen. Es wird auf schlichte aber deutliche Weise betont, dass Abram Lot die Wahl lässt. Und da offenkundig diese Wahl zwischen besser und schlechter wirkenden Weidegründen stattfindet, ist es doppelt großzügig von Abram. Vielleicht hat es erst diese Großzügigkeit Lot ermöglicht, sich auf den Vorschlag einzulassen, wir wissen es nicht. Jedenfalls wählte er, o Wunder, das bessere Land.
Und vielleicht gehört das dazu, was uns der heutige Text lehren will.
Streitvermeidung kann einen Preis haben.
Bin ich bereit, diesen zu zahlen? Was machte Abram innerlich bereit?
Wie konnte Abram so frei sein, auf das Bessere, was ihm auch eigentlich zugestanden hätte, zu verzichten?
Und wie oft geht es uns doch so, dass gerade aus dem subjektiven oder objektiven Gefühl heraus, übervorteilt zu werden, mancher Streit ausbricht und ungeahnte Dimensionen bekommt. Klassische Beispiele sind oft Erbstreitereien, aber auch anderes. Das kommt in den besten Familien leider genauso vor wie in der Kirche. Für uns Kirche wird es zukünftig möglicherweise dadurch verschärft, dass wir immer weniger Mittel haben werden, aber manche finanzielle Last trotzdem eher größer als kleiner wird. Wer soll dann bezahlen? Oft heißt es jetzt schon, die da oben haben ja reichlich Geld. Haben sie? Auch auf Kirchenkreisebene oder Landeskirchenebene hat man überwiegend, was man durch Umlagen von allen Gemeinden bezieht…
Wie hat Abram geschafft, so großzügig Lot gegenüber zu sein? War es nicht nach bis heute gängigen Vorstellungen dumm, sich so zu verhalten?
Wie wäre es im Nahen Osten, könnte es eine Lösung zwischen Palästinensern und Israel sein, Friede gegen Land einzutauschen? Aber welche der beiden Parteien ist bereit für das Große des Friedens auf etwas anderes zu verzichten? Und aus Israels Perspektive gedacht, kommt für mich erschwerend hinzu, wie kann man überhaupt mit einem Nachbarn leben, der die Vernichtung der eigenen Existenz will? Müssen hier Dritte mit umfassenden Schutzgarantien ins Spiel kommen?
Es schmerzt, diesen Terrorüberfall der Hamas zu sehen und selber wirklich nicht zu wissen, wie aus solchen Verhältnissen Frieden werden kann. Ebenso in der Ukraine. Streit, Krieg um Land, Lebensraum, Lebensgrundlagen. Weit und breit niemand in Sicht, wer, so wie damals Abram, mit einer gleichzeitig genialen und einfachen Idee und der eigenen Bereitschaft kürzer zu treten, Streit und Krieg verhindert.
Mir fällt ein Text von HDHüsch ein, „Wir“ (Das Schwere…S. 13ff)
Auszüge möchte ich vorlesen aus Wir:
„Die wir hier versammelt sind
In Friede und Freude
An diesem Tag mit unserem Herrn über alle Welten
Unserem Herrn der alles berührt und bewegt
Der uns Lachen und Weinen geschenkt hat
Hoffnung und Heimat
Wir wollen versuchen von dem heutigen Tage an
Mit seiner Hilfe wieder aufs Neue
Unsere Gewohnheitsgedanken abzulegen
Und unsere üblichen Redensarten aufzugeben
Und abzusagen alle gestrigen Bemühungen und Erklärungen
Die da lauten:
„Ich seh das gar nicht ein
Warum denn immer ich
Da müßt ich ja schön blöd sein
Soll erstmal der Andere
Ich denke gar nicht dran
Der denkt denn schon an mich“
Und so weiter
…
Ganz abgesehen davon dass die Hoffnung sich dünne macht
Und jeglicher Trost an Wahrheitsgehalt verliert
Wir wollen doch nicht so tun
Als hätten wir alles und jedes im Griff
Als wären wir rundum glücklich
Als wären wir wirklich zufrieden an Leib und Seele
Als hätten wir alles bewältigt
Aus dem FF
Wir wollen doch nicht so tun
…
Wie oft sind wir ratlos und ohne Sprache
In unseren Köpfen kreisen Konflikte
Und jeder Stein wird zum Mühlstein
Und jeder Mühlstein zum Grabstein
Darum Herr
Nimm unsere Hände und führe uns auf den Weg der Versöhnung
…Erlöse uns von unserer Blindheit
Und führe uns immer wieder an den Anfang aller Versöhnung
Nämlich: Schenke uns ein Segelschiff voller Liebe…
Soweit HDHüsch.
„Ein Segelschiff voller Liebe“, es liegt etwas Adventliches in der Luft; das Lied „Es kommt ein Schiff, geladen…“ (EG8), wer kennt es nicht, wie es die Geburt Jesu Christi beschreibt. „Das Segel ist die Liebe“, Liebe lässt werden, ganz Neues werden, „geistlich auferstehen“ heißt es in der letzten Strophe.
Ist das der Grund, warum Abram es konnte? Lot Wahl und Möglichkeit zum Attraktiveren zu geben, weil er Gottvertrauen wie eine „geistliche Auferstehung“ hatte, dass Gott ihn weiterhin begleiten, behüten und beschützen werde, auch wenn er nach menschlichen Maßstäben weder verhandlungsgeschickt, noch gewinnmaximierend, noch statusgerecht auftrat…
Immer wieder wird Abrams großes Gottvertrauen geschildert. Hier im Grunde nur eine konkrete Folge davon im sozialen Leben geschildert.
Wie oft sind wir Menschen leider überfordert, aus eigenem Vermögen Frieden zu wahren. Alle wissen, wie wichtig er ist. Viele bemühen sich. Trotzdem…
Gottvertrauen, Gottes Hilfe, das haben wir so bitter nötig, in unseren kleinen Kreisen genauso wie auf der Bühne der Weltgeschichte.
Vielleicht ist der ehrliche Herzenswunsch, „Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen“ viel mehr als nur ein Anfang, eine geistliche Auferstehung mitten am Alltag, am Esstisch, in der Nachbarschaft...
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen
Lied EG 669, 1-3, Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen
Predigt für Sonntag 20. bzw. 23. n Tr
Sonntag, 22.10.23, 9:15 Manubach; 10:45 Oberdiebach
Predigttext: Mt5, 33 - 37
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes seien mit uns allen.
Amen
Liebe Gemeinde,
hören wir den Predigttext für den 23. Sonntag nach Trinitatis, Mt5, 33 – 37:
Vom Schwören
33 Ihr habt weiter gehört, dass zu den Alten gesagt ist (3.Mose 19,12; 4.Mose 30,3): »Du sollst keinen falschen Eid schwören und sollst dem Herrn deinen Eid halten.«
34 Ich aber sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt, weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Thron;
35 noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße; noch bei Jerusalem, denn sie ist die Stadt des großen Königs.
36 Auch sollst du nicht bei deinem Haupt schwören; denn du vermagst nicht ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen.
37 Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.
Früher, als Kind, wenn ich wirklich etwas beteuern wollte, was keiner so richtig glauben konnte, dann sagte ich manchmal: Ich schwöre es. Dann mussten es die anderen glauben. Und wenn sie es nicht taten, dann hatten sie eine elementare Regel des Miteinanders gebrochen.
Aber noch schlimmer war, wenn, trotz Schwur, die Aussage falsch war und es auch noch herauskam…
Umgekehrt war es uns Kindern auch vertraut: Sagte jemand etwas, was besonders wichtig war oder nicht glaubwürdig wirkte, dann kam schnell die Aufforderung: Schwöre! Man konnte das immer noch erweitern: Schwöre bei Gott. Schwöre beim Leben deiner Mutter …, es gab da immer noch besonders intensivierende Zusätze. Fast wie magische Zauberformeln.
So soll die Macht des Wortes die Ohnmacht derer beenden, die auf die Wahrheit vertrauen müssen.
Wahre Worte wirken Segen, Lüge dagegen Fluch.
Und wer falsch schwört, bringt dadurch nicht allein Fluchwirkung über
die, die der Unwahrheit vertrauen oder ihr hilflos ausgesetzt sind, sondern der setzt sich selber dem Fluch aus, so die Vorstellung.
Deswegen kontrollieren bei schwörenden Kindern immer andere, ob
der/die Schwörende irgendeine fluchableitende Geste beim Schwören macht, z. B. die gekreuzten Finger, die auf den Boden weisen, quasi als Fluchableiter. Wenn diese Geste gesehen wird, weiß man sofort, es liegt eine hochunmoralische Situation vor.
Solange es eher spaßhaft ist, man noch über die Folgen lachen oder schmunzeln kann… niemand wird damit richtige Schwierigkeiten haben. Aber wenn es um wirklich große und wichtige Dinge geht, und die gibt es im Kinderleben auch schon, dann darf man absolut nicht mehr falsch Schwören oder im rechtlichen Rahmen einen Eid brechen, Meineid ist zutiefst verwerflich.
Wir üben es im Kindergarten schon ein, wir spielen und praktizieren es in Kindheit und Jugend, wir haben es fast perfektioniert im gesamten gesellschaftlichen Leben: Es gibt Bundeswehrgelöbnisse, eidesstattliche Verpflichtungen, hippokratischen Eid, bzw. Genfer Gelöbnis, Aussagen unter Eid, Beamteneid, Fahneneid, Zeugeneid, Amtseid z. B. bei Bundeskanzler*in oder amerikanische Präsident.
Diese vielen Formen, den Worten besonderes Gewicht zu verleihen, sei es in der Wahrheitsfindung oder in dem, was für die Zukunft fest zugesagt wird (promissorische Eid) z. B. für die Amtsführung, sind im Grunde selbstverständlich in unserem Leben geworden.
Das hat eine sehr lebensnahe Ursache. Wir wissen alle, wie schnell mal etwas daher gesagt wird, ob wahr, halbwahr oder eher erfunden, auch Dinge versprochen, die man so gar nicht halten möchte - Wahl-versprechen etc…. Diese gewisse Leichtfertigkeit oder auch Leichtigkeit des Alltags ist in vielen Alltäglichkeiten irgendwie allen hilfreich. Aber es gibt Lebenslagen, da ist es absolut nicht tragbar, da für betroffene Menschen untragbare Lebenszumutungen entstehen. Dann braucht man unbedingt verlässliche Aussagen, dann kann Unwahrheit oder Halbwahrheit zum Fluch werden für die, die davon zu ihrem Nachteil betroffen sind. Beispiele kennen wir alle – und auch das fängt schon im Sandkasten an.
Und hört noch lange nicht auf, wenn ein russischer Despot zusichert, die Ukraine nicht zu überfallen, um wenige Tage später in das Land einzumarschieren.
Macht es vor einem solchen Hintergrund überhaupt noch Sinn, Eide schwören und Gelöbnisse durchführen zu lassen?
Muss man nicht tatsächlich mit Jesus sagen:
Hört mit allem diesem Geschwöre auf, letztlich wird doch nur eine noch tiefere Verletzung der Wahrheit und eine Beschmutzung der Person bewirkt, bei der geschworen wird. Eure Rede sei: Ja, ja oder nein, nein. Was darüber ist, ist vom Übel. (s. JZink, Neue 10 Gebote, S. 75f)
Denn, so kann man die Radikalität von Jesu Worten vielleicht besser verstehen: Wenn man schwört, bestätigt man im Grunde das ganze
System der Lüge, die unser Menschenleben viel tiefer durchzieht, als
uns lieb ist und wir offiziell zugeben.
In der Geschichte hat es verschiedene Weisen gegeben, sich mit diesem Verbot des Eidesschwures, den Jesus forderte, auseinanderzusetzen. Da gab es die Überzeugung, Jesus überfordere die einfachen Menschen mit solchen Ansprüchen, deswegen müsste für die schwächeren Menschen die Möglichkeit erhalten bleiben, selber zu schwören, bzw. einen Eid zu verlangen.
Aus solchen Ansichten entwickelte sich eine 2-Stufen-Ethik, nach der bestimmte Menschen, Mönche, Priester, nicht schwören oder einen Eid leisten durften, Otto Normalo aber doch musste.
Martin Luther teilte die Welt in 2 Reiche auf, ein weltliches, das durch menschliche Herrschaft regiert wird und ein geistliches, in dem Jesus Christus herrscht.
Im weltlichen Reich kann dann der Staat den Eid befehlen. Das Verbot von Jesus bleibt davon unberührt. Im Reich Christi, und nur dort, darf nicht geschworen werden.
Ich glaube, alle diese Gedanken bleiben uns heute einigermaßen fremd. Die einen von uns werden den radikalen Jesu so nicht relativieren lassen wollen, die anderen hinterfragen, ob zu Recht auf diese Weise Menschen in zwei Stufen unterteilt werden und ihrem moralischen Gewissen unterschieden werden können. Sind uns nicht allen unzählige Beispiele bekannt, wo gerade Menschen in hohen und angesehenen Ämtern gerade nicht die Pflicht zur Wahrheit so genau genommen haben. Und wenn wir uns zu Recht darüber empören, heißt es dann nicht umso mehr im Umkehrschluss, dass man es selber besser machen möchte?!
Und eine 2-Reiche-Lehre, die Jesu Ansprüche so sehr aus dem einen Reich, dem weltlichen, entfernt, überzeugt uns heute auch nicht mehr.
Wir alle wissen:
Wahre Worte wirken Segen, Lüge entfaltet oft zersetzende Kräfte.
Wahre Worte ebnen den Weg zur Gerechtigkeit, sie helfen richtig ein- und zuzuordnen, ermöglichen ggfls. Umkehr.
Deswegen wird wahrscheinlich der kurze Satz „Du sollst nicht lügen“ von ganz vielen Menschen als eines der 10 Gebote angesehen.
Aber dieses Gebot finden wir nicht. Aber vieles, was sehr ähnlich klingt, z. B.
Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein.
Wenn Jesus uns also auffordert, keine Eide zu schwören, sondern
schlicht die Wahrheit zu sagen, dann höre ich in erster Linie daraus, dass er möchte, dass unsere Worte Segen und nicht Fluch wirken.
Und die positive Kraft wahrer Worte kennen wir alle. Nur, eine Frage muss noch geklärt werden: Was ist Wahrheit?
Wenn eine*r eine Dummheit begeht, dann ist es manchmal besser, den Mantel des Schweigens darüber zu breiten, als alles weiter zu sagen, auch wenn es der Wahrheit entsprechen würde. Und manche Wahrheitsverbreitung ist im Kern eben doch nicht mehr als Klatsch und Tratsch, heischen nach Aufmerksamkeit und Sensation. Oft genug der Beginn der Gerüchteküche. Alles andere als eine segensvolle Wirkung.
Kann man Wahrheit so umschreiben: „Wahrheit ist die Offenheit des Daseins auf Gott hin“? (JZink, Neue 10 Gebote, S. 78ff, 78)
Dann würde zu der Wahrheit Barmherzigkeit und Liebe hinzukommen. Im Epheserbrief heißt es treffend: „Lasst uns in der Wahrheit leben in Liebe“ (ebd. S.79)
Worte können Segen sein oder Fluch – Leben wertvoll oder wertlos machen. Zuletzt geht es um die Liebe zu den Menschen, zu Gott und umgekehrt der Liebe Gottes zu uns.
Falsche Eide, womöglich noch in Gottes Namen, sind abgrundtiefe Lebensfeindlichkeit. Das will Gott auf keinen Fall.
Deswegen greift Jesus in unserem Predigttext nach einem radikalen Rezept: Gar keine Eide, Schwüre, Gelöbnisse etc. Jesu Klarheit leuchtet mir ein und schön wäre es, wenn möglichst alle so leben könnten.
Allein unsere Lebenswelt zeigt, dass wir es nicht richtig können. Ich bin geneigt zu sagen, wenn der Eid dazu dient, wirklich Segen zu wirken und Unheil abzuwenden, dann wird Jesus ein gewisses Verständnis haben. Umgekehrt: Jesu Radikalität offenbart, wie heillos verlogen vieles in unserem Leben ist. Wo nun, mit Eid oder mit einfachen Worten, unser Dasein nicht auf Gott ausgerichtet ist, da werden wir die Wahrheit verfehlen.
Wo wir hingegen Jesu Menschenliebe und Barmherzigkeit unser Reden mehr und mehr bestimmen lassen, da werden wir (und auch andere) schnell merken, es braucht keinen Schwur oder Eid.
Im Grunde reicht ein einfaches Ja oder Nein.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen
Predigt für Sonntag 18.nTr
Sonntag, 08.10.23, 9:15 Neurath und 10:45 Bacharach
Predigttext: 2Mo20, 1-17
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Amen
Liebe Gemeinde,
als wir neulich im kirchlichen Unterricht die 10 Gebote besprochen haben, fragten wir die Jugendlichen, woran sie beim Stichwort „10 Gebote“ denken.
Einige der Antworten möchte ich kurz nennen:
(Grund-) Regeln, Nachricht von Gott, aber auch diese drei Inhalte:
Freiheit, Sicherheit und Gleichgewicht.
Deutlicher kann es kaum werden, dass Gebote nicht vorrangig als Verbote eingeordnet werden, sondern als An-Gebote, das Leben individuell und trotzdem in Gemeinschaftsgerechtigkeit führen zu können.
Die 10 Gebote – eine Chance zu erfülltem Leben.
Wer sich etwas in der Bibel auskennt, weiß wo er/sie die Gebote finden kann. Im Grunde direkt an zwei Stellen in den 5 Büchern Mose, aber es geht mir jetzt weniger um eine Stellenangebe, vielmehr darum, in welchem Zusammenhang sie stehen. Wir hören davon, dass das Volk versklavt war in Ägypten, dass es mit Gottes Hilfe fliehen konnte und nun auf der Flucht durch die Wüste auf sich allein gestellt und ganz auf Gottes Hilfe angewiesen war.
Äußere Freiheit war durch die Flucht als zerbrechliches Gut gewonnen.
Äußere Freiheit ist elementar. Aber wie sorgt man dafür, dass der Freiheit von Unterjochung durch ein fremdes Volk, eine Freiheit folgt, die innerhalb des eigenen Volkes alle Individuen schützt, aber nicht so, dass Unverbindlichkeit und Chaos letztlich diese Freiheit doch wieder gefährdet oder ein zu starres Gesetz einer erneuten Versklavung gleichkäme.
Freiheit, Sicherheit und Gleichgewicht.
So waren einige der Gedanken unserer Jungend zu den 10 Geboten.
In der Bibel sind die Gebote eine Art göttliche Spielregeln für die Menschen, die aus Versklavung kommend die eigene Freiheit gestalten wollten.
In unserer Kirchengemeinde ist der Heidelberger Katechismus im Gebrauch.
Katechismus…
Ein Wort, zu dem sich manchmal noch Gefühle regen. Die einen stöhnen, weil sie eine stumpfe Auswendig-Lernerei mit Schrecken
erinnern. Andere erinnern sich an brillante Inhalte, die ihnen mehr als einmal im Leben geholfen haben. Und wieder andere haben so gar keine Ahnung… Katechismus? Häh, kann man das essen?
Nun, in unserer Kirchengemeinde ist der Heidelberger Katechismus eine verbindliche Schrift. Zumindest gab es eine Zeit, in der die Mütter und Väter unseres Gemeindegebiets tief überzeugt waren, darin finden sich Worte, die im Leben und im Sterben so sehr helfen, dass auch die kommenden Generationen diese kennen und verstehen sollen.
Der Katechismus ist in drei Teile gegliedert: Von des Menschen Elend, von des Menschen Erlösung und Schlussteil ist: Von der Dankbarkeit.
Elend, Erlösung, Dankbarkeit… wo würden wir die 10 Gebote einordnen?
Der Katechismus sagt, nachdem der Mensch von Jesus Christus erlöst worden ist, wird er aus Dankbarkeit Gottes Willen erfüllen wollen. Und dann werden die 10 Gebote so aufgelistet, wie wir sie aus der Bibel kennen. Und neben dem fortlaufenden Text ist ein breiter Rand gelassen, auf dem vermerkt wird 1. Gebot, 2. Gebot usw. Das hilft sehr, denn der Text der Bibel ließe auch durchaus eine andere Zählung denken. Aber es sollen ja 10 werden. Warum? Nun ja, die Lösung ist leichter und pädagogischer als die meisten vermuten. 10 als Zahl ist besonders und zudem haben wir alle 10 Finger, man kann auf diese Weise die Gebote leichter mit Hilfe der eigenen Hände lernen und immer wieder zwischendurch wiederholen.
Besonders aber ist: Die Dankbarkeit darüber, dass Gott für uns da ist, so wie wir es durch Jesus erkennen durften, führt zur inneren Haltung, ich will diese Gebote als Lebensangebote Gottes beachten.
Sie helfen, dass werden kann, was ich wichtig finde, u. a.:
Freiheit, Sicherheit und Gleichgewicht.
Der Predigttext für diesen Sonntag ist, alle werden es nun erwarten, die 10 Gebote, wie sie im 2. Mo20, 1 – 17 überliefert sind:
Die Zehn Gebote
20 1 Und Gott redete alle diese Worte:
2 Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe.
3 Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.
4 Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist:
5 Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen,
6 aber Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten.
7 Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.
8 Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligst.
9 Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun.
10 Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt.
11 Denn in sechs Tagen hat der HERR Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der HERR den Sabbattag und heiligte ihn.
12 Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass du lange lebest in dem Lande, das dir der HERR, dein Gott, geben wird.
13 Du sollst nicht töten.
14 Du sollst nicht ehebrechen.
15 Du sollst nicht stehlen.
16 Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.
17 Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles, was dein Nächster hat.
Ein erhabener Text.
Großartig – aber zeitlos gültig?
Manchen fällt vielleicht sofort eine gewisse Widersprüchlichkeit auf. Da hören wir, wie das versklavte Volk mitten in der Wüste ist, gerade der Sklaverei entkommen, da werden schon Besitzverhältnisse vorausgesetzt, die es gar nicht geben kann: „Du sollst nicht begehren deines nächsten Haus“. Noch in der Wüste, die Versklavung in den Knochen, da schon Hauseigentümer*innen? Offenkundig setzen die Gebote eine ganz andere Lebenssituation voraus, mit Besitztum, patriarchalisch strukturiert, offenkundig in Konfrontation zu anderen Gottheiten von Menschen in der Nachbarschaft, als es in der Wüste möglich wäre, wie es die biblische Erzählung nahelegt anzunehmen wo, wie und wann Israel die Gebote erhielt.
Trotzdem haben die 10 Gebote wichtige Inhalte. Aber eben keine zeitlosen Wahrheiten. Auch Martin Luther setzte das voraus. In den Herausforderungen seiner Gegenwart formulierte er die 10 Gebote etwas um. Das uns geläufige und wichtige Gebot „Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen“ ließ er sozusagen unter den Tisch fallen.
In unserem EG steht der Kleine Katechismus Martin Luthers, EG 855, auf der S. 1312f die Gebote.
Ebenfalls in unserem EG, EG 856, stehen Auszüge aus dem
Heidelberger Katechismus. Dabei die 10 Gebote, S. 1346f, und: Das
Gebot „Du sollst dir kein Bildnis machen“ ist wieder da.
Was macht ein*e wackere*r Christ*in nun?
Wahrscheinlich erst einmal schlucken. Da hat uns der Prediger aber einen eingeschenkt.
„Der Pastor einer Landgemeinde sitzt vor seinem Glas Rotwein. „Merkwürdig“, sinniert er vor sich hin, „wenn die Leute einen guten Wein trinken, dann sagen sie: „Teufel, ist der gut!“ Ist der Wein aber sauer, dann stöhnen sie: „Herrgott, ist der sauer!““ (Selig sind die Humorvollen, S. 36)
Hoffentlich stößt es niemanden zu sauer auf, was ich da über Gebote und EG zu Bewusstsein bringe.
Bleibt am Ball, möchte ich alle ermutigen.
Die Gebote sind erhabene Spielregeln. Und als solche nicht zeitlos.
Martin Luther erkannte das und nutzte es. Uns heute zur Verwirrung.
Und zur Herausforderung.
Selbst die so ehern wirkenden 10 Gebote sind kein Allheilmittel auf alle unsere Probleme. Wir müssen sie verstehen, einordnen, möglicherweise neu formulieren.
Mit den Jugendlichen im Kirchlichen Unterricht haben wir eine Aktualisierung der 10 Gebote mit der Frage „Welche Regeln/Gruppengebote sollen die Teamer einhalten?“ bewirkt.
Dass wir niemanden töten werden, setzen sie alle berechtigterweise voraus. Aber da blieb eine Unsicherheit, wir sollen niemanden mit Sachen abwerfen. Und so oft und vielfältig wie das folgende Gebot, wurde nichts anderes gesagt: Die Teamer sollen nicht lästern, auslachen, schlecht über Teilnehmer*innen reden, nicht urteilen, ihr sollt uns nicht mobben. Man kann nun sagen, steht doch im Gebot, Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten aber das trifft es eben nicht genau. Und wenn man den geschichtlichen Hintergrund des biblischen Gebots kennt, dann weiß man, wie grundverschieden Gebot und Gruppenregel sind.
Was will ich nun sagen?
Einerseits, die 10 Gebote sind ein Klassiker. Jede Christin, jeder Christ sollte sie kennen und auch zumindest die eine Bibelstelle finden können, aus der ich sie heute vorgelesen habe – 2Mo20, 1-17. In unserem nach wie vor christlich geprägten Land sollten sie auch zur Allgemeinbildung gehören, finde ich.
Andererseits, die 10 Gebote kann man nicht einfach auswendig lernen, möglichst nach besten Kräften auf Punkt und Komma genau befolgen und dann erwarten, alles wird gut.
Es gibt hochanständige Menschen, Christen, die niemals eins der Gebote brechen würden und trotzdem befremden mit ihrer Lebensführung.
Jesus wusste das aufzudecken. Auf die Frage des reichen Jünglings
„Was soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe?“ (Mk10, 17ff, parr) deckte Jesus auf, dass man zwar jedes der 10 Gebote halten kann, aber trotzdem vor Gott wie ein Bettler dasteht.
Wenn wir die 10 Gebote befragen, wie geht das mit Klimaschutz, Flüchtlingsbewegungen/Zuwanderung, regelbasierter Welthandel, Digitalisierung, KI, Ehrenamt, Freundschaft und zu vielen anderen Fragen, die uns heute brennend heiß beschäftigen, dann werden wir spüren, wir kommen gar nicht daran vorbei, aktuelle Regeln und Gebote mit eigenem Nachdenken und im Austausch mit anderen zu finden.
Als Jesus nach dem höchsten Gebot gefragt wurde, konnte er geistesgegenwärtig auf das Doppelgebot der Liebe, Gott lieben über alles und den Nächsten wie sich selber, verweisen. (Mk12, 28ff parr)
Was uns die 10 Gebote immer lehren werden?
Wir brauchen Regeln, um persönliche Freiheit und gelingende Beziehungen zu gestalten. Wolfgang Huber spricht von kommunikativer Freiheit und er betont, dass wir Menschen endlich und fehlbar sind und deswegen einen Gottesbezug unbedingt brauchen. (WHuber, Ethik, S. 11ff, 15) Unsere Freiheit wird nicht einfach von Menschen gemacht, sondern wird uns von Gott anvertraut. So stehen wir mit Israel bis heute am Fuß des Berges, von dem Moses mit zwei Tafeln und 10 Geboten herabsteigt, damit wir ein Leben in Freiheit erlernen. Wir werden an dieser Herausforderung oft genug scheitern, wir bleiben auf Gott als Kraftquelle für einen immer neuen Anfang und für eine stete Aktualisierung der Regeln und Gebote angewiesen.
Im KU sagten einige Jugendliche, bei den 10 Geboten denken sie an Freiheit, Sicherheit und Gleichgewicht. Wunderbar, besonders wenn wir hinzudenken: Gott gebe zum Wollen das Gelingen. Ohne Gott können selbst hehre Werte wie Freiheit, Sicherheit und Gleichgewicht zum Goldenen Kalb werden. Oder wie es eine kleine Anekdote ausdrückt:
„Mein Gott, ich glaube, du kannst stolz auf mich sein. Bis jetzt habe ich heute nicht geflucht, niemanden verletzt, keine unsittlichen Gedanken und Begierden gehabt. Dafür bin ich sehr dankbar. Doch in ein paar Minuten muss ich aufstehen, und da brauche ich wirklich ausreichend Hilfe von dir!“ (Selig sind die Humorvollen, S. 5)
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen
Lied EG 494, 1-4, In Gottes Namen fang ich an
Predigt für Sonntag 15.nTr
Sonntag, 17.09.23, 10:45 Uhr Bh,
anschl. Gemeindeversammlung und Kirchkaffee
Predigttext: 1Mo15, 1 - 6
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Amen
Liebe Gemeinde,
vielleicht ist es etwas zu privat, aber aus gewisser Hinsicht doch passend:
Als ich ein junger Mann war, im Studium und voller Zukunft, da war mir merkwürdigerweise klar, eigene Kinder will ich nicht. Warum? So richtig weiß ich es nicht, es war ein Bauchgefühl. Zuviel Unsicherheit, atomare Bedrohung, Nato-Doppelbeschluss, Kalter Krieg oder Scheu vor der damit verbundenen Verantwortung oder Lifestyle oder was auch immer…
Anfang 30 dann, zu meiner eigenen Überraschung, eine völlige Kehrtwende, plötzlich konnte ich mir gar nicht mehr vorstellen, irgendwann von dieser schönen Erde zu gehen ohne Nachkommen zu haben. Nun ja, die Ergebnisse heißen heute Mirjam und Daniel, studieren und betonen auf Nachfrage immer wieder: Eigene Kinder wollen sie nicht. Ich lächele in mich hinein… Und danke dem lieben Gott aus tiefem Herzen für diese wunderbaren Kinder.
Manchmal sind solche Gedanken von nationalem Interesse. Meistens bei uns mit Blick auf Bevölkerungszahl, mögliche Arbeitskräfte und Wohlstandsentwicklung. Dann wird geklagt, wenn zu wenig Kinder geboren werden, eine Überalterung als Schreckgespenst gemalt, um Anreize gerungen, wie man junge Menschen unterstützen kann, dem natürlichsten Vorgang keine Riegel vorzuschieben.
Manchmal sind solche Überlegungen viel existentieller. Wenn ein Wahnsinniger sich vornimmt ein ganzes Volk auszulöschen und unzählige Helfershelfer findet, dieses Unsägliche durchzuführen. Und wie nach dem 2. Weltkrieg geborene Jüdinnen und Juden allein schon ihre Geburt als Triumph über diesen Unmenschen verstehen.
Und wir mit ihnen darin die fortwährende Erfüllung einer göttlichen Verheißung feiern dürfen.
Im Predigttext für diesen Sonntag hören wir davon: 1. Mose 15, 1-6:
Gott verheißt Abram einen Sohn und gewährt ihm den Bund
15 1 Nach diesen Geschichten begab sich's, dass zu Abram das Wort des HERRN kam in einer Erscheinung: Fürchte dich nicht, Abram! Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn.
2 Abram sprach aber: Herr HERR, was willst du mir geben? Ich gehe dahin ohne Kinder und mein Knecht Eliëser von Damaskus wird mein Haus besitzen.
3 Und Abram sprach: Mir hast du keine Nachkommen gegeben; und siehe, einer aus meinem Haus wird mein Erbe sein.
4 Und siehe, der HERR sprach zu ihm: Er soll nicht dein Erbe sein, sondern der von deinem Leibe kommen wird, der soll dein Erbe sein.
5 Und er hieß ihn hinausgehen und sprach: Sieh gen Himmel und zähle die Sterne; kannst du sie zählen? Und sprach zu ihm: So zahlreich sollen deine Nachkommen sein!
6 Abram glaubte dem HERRN, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit.
Ich weiß nicht, ob man die bittere Klage des kleinen Bibeltextes heraushören kann, wenn ich den Text vorlese. Ich wollte, ich könnte so lesen, dass…, aber ich befürchte, ich sollte es besser wiederholen.
Abram klagt Gott seine Kinderlosigkeit.
Abram erlebt mit Gott ein Gespräch und darin wird ihm gesagt, Gott ist Abrams Schutzschild und sehr großer Lohn. Freut sich Abram darüber?
Nein.
Mich erinnert es an einen Satz „Warum weint man manchmal erst, wenn man getröstet wird“.
Und was ist der große Kummer Abrams?
Ganz schlicht, dass er keine Nachkommen hat. Dass er auch damit abgeschlossen hat, noch eigene Kinder zeugen zu können; vielleicht zu alt, vielleicht seine Frau schon über die Wechseljahre, vielleicht zu viele erfolglose Jahre und Jahrzehnte.
Es klingt schon bitter, wenn er auf Gottes große Zusage rückfragend antwortet: „Herr, was willst du mir geben?“ Irgendwie spürt man förmlich, wie tief der Schmerz in Abram über die Kinderlosigkeit ist. Der allertiefste Wunsch ist nicht erfüllt, alles andere wirkt nun eher wie Vertröstung, nicht wie Erfüllung.
Abram hat sich damit abgefunden, dass seine Linie enden wird, dass sein Haus-Bediensteter, Elieser, sein Erbe sein wird. Nicht wirklich das, was Abram als Lebenserfüllung versteht…
Mit Blick auf meine eigene Wendung Anfang 30 kann ich Abram mehr als verstehen.
Aber es geht ja weit über solche individuellen Befindlichkeiten hinaus. Abram, dessen Name etwas weiter in der Bibel zu Abraham (Vater einer großen Menge) wird, Gen17, 5, erfährt eine Verheißung, die ihm eigentlich unglaublich erscheinen muss:
Was für eine Dramaturgie in wenigen Versen!
Unfassbar Großes wird von Gott verheißen.
Fast genauso unfassbar ist die überlieferte Reaktion Abrams: Er glaubte es.
Er stellt all seine Enttäuschung, vielleicht sogar Verbitterung zurück. Und alle logischen Einwände auch.
„Auf dein Wort hin…“ Lukas 5, 5, so klingt es im Evangelium nach Lukas später, als Jesus die Fischer, seine späteren Jünger auffordert, nach erfolgloser Nacht die Netze am hellichten Tag erneut auszuwerfen. Völlig unlogisch am Tag nach einer erfolglosen Nacht etwas fangen zu wollen, und doch…!
Wir kennen die Überlieferung, die Netze waren zum Reißen voll und die Fischer zu Jüngern geworden. Auf dein Wort hin…
Abram glaubte dem Herrn, so einfach erzählt es die Bibel.
Dieses Vertrauen in den erwählenden Gott, ist die richtige Haltung zu diesem Gott. Das wird Gerechtigkeit genannt im Denken und in der Sprache des Alten Testaments.
Vertrauen in Gott und seine Verheißungen, das größer ist als alle Bedenken, Sorgen, Enttäuschungen, sogar logische Schlussfolgerungen.
Ein Vertrauen, das kindlich wirkt, im besten Sinne naiv. (Markus 10, 15)
Eine Grundhaltung zu Gott, die mich immer wieder neu herausfordert.
Wenn ich an die Zukunft der Kirche denke, an die vielen Prognosen der vergangenen Jahre, die Hochrechnungen von 2004/5 für die 2030er Jahre, die in gewisser Weise Weiterführung dieser Prognosen in der sogenannten Freiburger Studie, die 2019 veröffentlicht wurde, die für 2060 eine deutliche Mitgliederrückentwicklung und entsprechenden Finanzeinbruch der beiden großen Kirchen in Deutschland prognostiziert. Die Ergebnisse sind besorgniserregend. Die Kirchen werden kleiner, älter und ärmer. Da kann man ziemlich kleinmütig werden. Lohnt sich der ganze Aufwand überhaupt noch, den wir z. B. betreiben, um Kirchen und andere wichtige Gemeindegebäude zu erhalten? Um das Gemeindeleben vielfältig und attraktiv zu machen?
Und mit Blick auf die kommenden Presbyteriumswahlen: Wenn bewährte tatkräftige Menschen ausscheiden werden, kann dann die ganze Arbeit noch erfolgreich bewältigt werden? Werden wir überhaupt ausreichend viele Menschen finden, die dieses verantwortungsvolle Ehrenamt
überhaupt noch bekleiden wollen?
Manchmal könnte man wirklich verzagen.
Gott, warum mutest du uns das alles zu?
Muss das wirklich sein?
Und jede*r könnte weitere größere oder kleinere persönliche Dinge hinzufügen, die uns fragen und sorgen lassen, ob Gott bei uns und für uns da ist.
Im heutigen Predigttext heißt es schlicht:
Abram glaubte das Unglaubliche. Auf das Wort des*der Ewigen hin. Und wie wurde diese Verheißung erfüllt… über Jahrtausende, Nachkommen so zahlreich wie die Sterne am Himmel – zu viele, um sie zählen zu können.
Dietrich Bonhoeffer, ebenfalls ein großer Vater des Glaubens, formulierte ein Glaubenszeugnis „Ich glaube, daß Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen.“ (Nach EG 813)
Dass wir uns sorgen, dass sich vielleicht sogar tiefe Sorgenfalten bilden vor lauter Unsicherheiten, die wir bedrohlich wahrnehmen, kann uns nicht erspart bleiben.
Aber wir dürfen und sollen uns immer wieder mit kindlichem Vertrauen Gottes Verheißungen zuwenden. Dass Gott ihrer*seiner Schöpfung Zukunft nicht Untergang sondern Leben zusagt, dass sein*ihr Wort nicht verstummen wird, selbst wenn wir manches Gebäude nicht halten können, dass arbeitsfähige Presbyterien entstehen, auch wenn uns manchmal die Bedenken um den Schlaf bringen wollen, dass Frieden werde zwischen den Völkern und nicht Krieg zum Dauerzustand wird.
Manche gegenwärtige Entwicklung kann zu Stress und übergroßer Sorge führen. Aber dagegen stehen das Wort und die Verheißungen Gottes durch Jesus Christus, unserem auferstandenen Herrn und Bruder. Gott will, dass wir uns allein darauf verlassen. Und was uns dann wie ein Wunder vorkommen mag, das ist Teil seines*ihres Reiches inmitten unserer Welt. Das ist Leben, das ist Gegenwart und Zukunft, das sind Nachkommen und neue Generationen im festen Glauben und in Kirchenämtern; wo wir kleinmütig sein mögen, aber: Gott wird es wirken.
Lasst uns fest darauf vertrauen, auf sein/auf ihr Wort hin. Und die Netze am helllichten Tag einfach noch einmal auswerfen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen
Lied EG 659, 1-3, Ins Wasser fällt ein Stein
Predigt für Sonntag 13. n Tr, Oh, 14:00 Uhr, 03.09.23
Einführung Kirchengemeinde Vierthäler
Predigttext: 1Joh4, 7-12
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Amen
Liebe Gemeinde,
Übergänge begleiten uns ein ganzes Leben.
Übermorgen werden der katholische Kollege und ich die Kinder beim Wechsel vom Kindergarten in die Schulzeit mit Gottes Wort und Segen stärken.
Heute stehe ich selber mittendrin in einem großen Übergang.
Und wie liebevoll werde ich dabei begleitet und unterstützt! Die neue Kirchengemeinde Vierthäler mit wunderbaren Menschen und auch der neue Kirchenkreis, dem ich schon einmal zu Vikariatszeiten angehörte, plant umsichtig und einfühlsam diese Einführung. Aus meinen alten Kirchengemeinden sind Mitglieder da, die tiefe Verbundenheit leben und neben der Trauer über den Abschied viel mehr noch ihren Segen zu diesem Schritt geben.
So viele andere sind heute dabei, ihr alle helft, dass dieser Übergang gelingt und besonders wird. Ich spüre die aufmerksame Begleitung, die Hoffnungen und Erwartungen, die frohe Vorfreude, die Liebe, die sich vielfältig ausdrückt.
Und: Es ist mehr als das.
Es ist ein wenig Himmel auf Erden, Gottes Geist mitten unter uns.
Gott selber in unserer Mitte?!
Solange wir solche Ereignisse in unseren Gemeinden haben, dürfen wir gewiss sein, dass etwas von dem wirklich ist, was der heutige Predigttext uns so nahelegt, 1Joh4, 7-12:
Die Liebe Gottes und die Liebe untereinander
7 Ihr Lieben, lasst uns einander lieb haben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist aus Gott geboren und kennt Gott.
8 Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist Liebe.
9 Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen.
10 Darin besteht die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden.
11 Ihr Lieben, hat uns Gott so geliebt, so sollen wir uns auch untereinander lieben.
12 Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollkommen.
Klingt fast zu schön, um wahr zu sein.
Wer hat nicht im Hinterkopf, was eine Anekdote mit einem Kindermund so ausdrückt, Karin betet:
„Lieber Jesus, ich wette, dass es für dich sehr schwer ist, alle Menschen auf der Welt gern zu haben. In unserer Familie sind wir zu viert, aber ich schaffe das nie.“ Karin In: Selig sind die Humorvollen, S. 3
Kindermund tut Wahrheit kund… einerseits.
Andererseits:
Da ist diese große, tiefe Sehnsucht nach dem, was wir mit Liebe versuchen auf einen Nenner zu bringen.
Wir können die Liebe eher psychologisch umschreiben und damit das meinen, was ein stabiles Selbstwertgefühl als Voraussetzung für ein glückliches, ausgeglichenes Leben schenkt.
Vielleicht nehmen wir sie philosophisch/soziologisch und verstehen mit ihr die Kraft, die den Grundstein für unser Sozialleben und damit für unser Denken, Sprechen und Fühlen legen kann.
Und auch die biologische Form der Liebe kennen und schätzen wir, immerhin bewirkt sie, dass wir auf Partnersuche gehen und uns fortpflanzen.
Liebe – nur ein Wort. Aber…
Schon als man das Verb für „lieben“ aus dem Hebräischen, Ursprache des Alten Testaments, ins Griechische übersetzte, wurden drei Wörter daraus. Einige denken nun zurecht an die Tätigkeitswörter agapao, phileo, erao; meint einmal die Barmherzigkeit und das Mitgefühl, phileo betont mehr die persönliche, freundschaftliche Zuneigung und Zärtlichkeit und erao erinnert nicht nur zufällig an eros, die erotische und sinnliche Liebe.
Liebe ist mehr als ein Wort. „Liebe ist nicht nur ein Wort“ (EG665), es erklingt eine Melodie.
Eine Lebensmelodie.
Wir sehnen uns nach Liebe. So umfänglich, so sehr, dass es manchmal weh tut. Nicht nur weil Wünsche unerfüllt bleiben. Auch weil wir immer wieder, in den unterschiedlichsten Zusammenhängen den schmerzhaften Unterschied spüren zwischen dem, von dem wir hingerissen sind, von der Schönheit des Guten, und der erlittenen Gewissheit, wir hinken immer hinterher. Liebe, das sind Worte und Taten, so singen wir fröhlich (EG665), aber ein ehrlicher Blick auf unsere Worte und Taten reicht aus zu spüren, was Karin so aufrichtig zu Jesus sagte:
„In unserer Familie sind wir zu viert, aber ich schaffe das nie.“
Und trotzdem bleibt es ein Grundton der Seele, da ist ein Sehnen in mir -
„Da wohnt ein Sehnen tief in uns“. (Beiheft zum EG 24)
Die Sehnsucht nach der Schönheit des Guten, die Begeisterung für die frohen Farbe der Liebe bleibt in uns. Gott sei Dank.
Im Predigttext höre ich einen großen Realismus, der genau mit dieser Spannung des Mensch-seins umgeht.
Darin besteht die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden.
Gottes Liebe umfängt uns.
Gottes Liebe ist vielfach im Schöpfungsgeschehen nachvollziehbar, in den guten Grundlagen dieser Erde, die uns so satt und reich mit allem Lebensnotwendigen und manchem Überschwänglichem versorgt.
Gottes Liebe ist darüber hinaus Begegnung. In Jesus ist er*sie zu uns gekommen. Hat Worte gesagt, Dinge getan, gelebt was wir besingen: Liebe, das sind Worte und Taten. (EG665)
In Jesu Worten und Taten ist Gottes Liebe.
Und diese Liebe erweist ihre äußerste Wahrhaftigkeit darin, dass Jesus selbst Hass ertragen hat, Abweisung und Ablehnung bis heute erfährt, aber barmherzig und gütig zugewandt bleibt.
Zu dieser Liebe, die das Kreuz im Vertrauen auf Gott erträgt, gehört Gottes Zusage, dass er*sie zuletzt die Liebe als stärkste Macht erweisen wird. Selbst der Tod muss weichen. Jesu Auferweckung ist der äußerste Selbsterweis der Schönheit der Liebe.
Diese Liebe werden wir nie selber machen können.
Deswegen: Gott hat uns geliebt. Und diese Liebe will und kann verwandeln: Versöhnung der Sünden, Auferstehung der Toten und im täglichen Leben dich und mich.
Und das brauchen wir so selbstverständlich wie das tägliche Brot.
Ein kleiner Witz mag es verdeutlichen, also ich finde ihn lustig und treffend, weiß aber, dass mein Humor nicht jedermanns Sache ist - die nicht schmunzeln, gar lachen können, bitte ich um Nachsicht:
„Was hat die Kirche mit einem Schiff gemeinsam? Beide werden von Nieten zusammengehalten.“ Fromme und unfromme Witze, S. 34
Und ich, der Nieten eine, kann nur sagen, wenn ich die Herausforderungen in der neuen Gemeinde sehe, dann werde ich ganz schön unsicher. Vier historisch äußerst wertvolle Kirchen, vier weitere dazu, 14 Orte in der Mischung zwischen lieblichem Rheintal und eher rauem Hunsrück, viele Grenzlagen im kirchlichen und weltlichen Bereich. Reizvolle Aufgaben, aber: Kann ich das und dazu in der geforderten Liebe?
Im Vorstellungsgespräch sagte eine Presbyterin: Was hier bewältigt werden muss, schafft niemand allein, aber wir sind ein tolles Team.
Und gelernt habe ich, dass zu diesem Team natürlich Presbyterium und Gemeinde gehört, aber genauso der Kirchenkreis, der gezielt die Wiederbesetzung der Pfarrstelle unterstützt hat, und auch Bundesland und Bund spürbar bei historischen Bauwerken helfen.
In diesen vielen Beziehungen wird oftmals deutlich, dass Liebe lebt, gelebt wird. Liebe in der Kirche und Liebe zur Kirche.
Ja, darauf will ich mich gerne einlassen.
Und wenn ich mich dann doch überfordert fühle, dann werde ich mich von einer der bekannteren Nieten des Neuen Testaments ermutigen lassen. Der Apostel Paulus fand sich überfordert mit seiner Situation, klagte es dem Herrn und erhielt diese göttliche Antwort:
„Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft vollendet sich in Schwachheit.“ 2Kor12, 9
Auch darin zeigt sich tiefe Liebe.
Schwach sein dürfen, auf ein Team bauen können und gemeinsam das Mögliche erreichen – weil Gott in seiner*ihrer Liebe Segen darauf legt.
Und wie sehr und wie viel dadurch immer wieder erreicht wird, zeigt uns dieser Übergang, den heute in einem Kraftfeld der Liebe Presbyteriums- und Gemeindemitglieder von Vierthäler, aber auch darüber hinaus viele weitere zu einem frohen Fest der Begegnung machen. Das schafft Vertrauen und Gewissheit für die Zukunft.
Und alle, die Übergänge vor sich haben, dürfen wissen, Gott will und wird sie voller Liebe und Fürsorge begleiten. Wenn meine alten Kirchengemeinden einen neuen Pfarrer, eine neue Pfarrerin hoffentlich bald finden werden, wenn Menschen Neues bewältigen müssen, Kindergartenkinder werden Schulkinder, Singles werden Familie, älter und alt werdenden eröffnen sich neue Lebenshorizonte und, und, und…
Hermann Hesse sagte so treffend: Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben. (HHesse, Stufen)
Klingt wunderschön, und das Zauberhafte hat einen Namen und viele Gesichter: Jesus Christus und alle, die seiner Liebe vertrauen, sich im Leben und im Sterben anvertrauen. (Heidelberger Katechismus, Frage 1)
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen
(Predigt) Impuls für Sonntag 27.08.23,
Rheinanlagen Bacharach, 10:30 Uhr
Ökumenischer Gottesdienst
Impuls vorgetragen von Frau Wessling und Herr Kreutz
(Predigttext) Impuls, biblische Grundlage: Jes25, 6ff, Mt6, 25ff
Liebe Festgemeinde,
auf Gottes Güte und Schöpfung ist Verlass.
Und wenn wir fleißig mitarbeiten, dann ist der Segen beinahe grenzenlos.
Dann wird aus mitunter schwerer Arbeit lieblicher Tropfen.
Dann wird aus einfachen und edlen Grundzutaten Köstlichkeiten und Gaumenschmauß.
Dann wird aus Arbeitszeit ein Fest: Korn zu Brot,
Wasser zu Wein, viele Zutaten zu harmonischen Gerichten.
Denn:
Auf Gottes Güte und Schöpfung ist Verlass.
In einem Kreislauf des Lebens versorgt er*sie uns mit allem, was wir brauchen, um zu leben, um zu feiern, ihm*ihr zum Lobe.
Ein frohes Fest dürfen und wollen wir feiern.
Heinrich Heine dichtete so treffend:
„Es wächst hienieden Brot genug
für alle Menschenkinder,
auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust,
und Zuckererbsen nicht minder,…“
HHeine, Ausgewählte Gedichte und Prosa, S. 111
Und ein Text, wie ein Gebet, aus Afrika, findet diese Worte:
„Herr,
ich bin fröhlich heute am Morgen.
Die Vögel und Engel singen und ich jubiliere auch.
Das All und unsere Herzen sind offen für deine Gnade.
Ich fühle meinen Körper und danke.
Herr,
ich freue mich an der Schöpfung.
Und dass du dahinter bist und daneben und davor und darüber
und in uns.
Herr,
ich freue mich und freue mich.
Die Psalmen singen von deiner Liebe,
und die Propheten verkündigen sie und wir erfahren sie.“
Aus: Texte für grüne Christen, S. 151
Einen Psalm haben wir vorhin gebetet. (Ps139)
Vielleicht klingen die frohen, staunenden und dankbaren Worte noch etwas nach. Vielleicht lesen wir sie später noch einmal, zuhause oder wenn uns das kleine Liedblatt noch einmal zufällig in die Hände fällt, bevor wir es endgültig entsorgen…
Ein Prophetenwort haben wir auch schon gehört, lassen wir uns noch einmal davon ansprechen:
Jes25, 6ff
Das große Freudenmahl
6 Und der HERR Zebaoth wird auf diesem Berge allen Völkern ein fettes Mahl machen, ein Mahl von reinem Wein, von Fett, von Mark, von Wein, darin keine Hefe ist.
7 Und er wird auf diesem Berge die Hülle wegnehmen, mit der alle Völker verhüllt sind, und die Decke, mit der alle Heiden zugedeckt sind.
8 Er wird den Tod verschlingen auf ewig. Und Gott der HERR wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen und wird aufheben die Schmach seines Volks in allen Landen; denn der HERR hat's gesagt.
9 Zu der Zeit wird man sagen: "Siehe, das ist unser Gott, auf den wir hofften, dass er uns helfe. Das ist der HERR, auf den wir hofften; lasst uns jubeln und fröhlich sein über sein Heil."
Ein großes Fest mit Gott persönlich als Gastgeber*in.
Da wird es von allem genug und im Überfluss geben.
Und alle Völker sollen geladen sein und teilnehmen.
Wo Gott in unserer Mitte ist, da gibt es Gemeinschaft, keine Ausgrenzung; frohe Begegnung, kein neidendes Gegeneinander.
Die Lasten der Vergangenheit und die Sorgen um das Kommende werden kleiner, größer kann die unbeschwerte Begegnung bis zu einer lockeren und fröhlichen Gelöstheit in der Gegenwart werden.
Und die Schöpfungsgaben haben ihren Platz dabei.
In der Summe wird erlebbar:
Auf Gottes Güte und Schöpfung ist Verlass.
Schmecket und sehet, riechet und fühlet – unendlich freundlich ist unser Gott, von dem Jesus Christus befreiend Zeugnis gegeben hat.
Von dem Jesus bezeugte:
„Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung?
26 Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel kostbarer als sie?“ (Mt6, 25f)
Weite und Lebensräume entstehen, Träume von einem satten und erfüllten Leben werden greifbarer. Eine dem Alltag oft anhaftende Schwere weicht für himmlische Augenblicke, wir dürfen aufatmen und leben und erleben, Gott denkt uns in großer Liebe und Güte mehr als alltägliche Last und Arbeit zu.
Vielleicht nehmen wir das als einen Hinweis darauf, was uns der*die Ewige immer neu hier und jetzt schenken will und darauf, dass wir einst von ihm*ihr erlöst werden zu einer grenzenlosen Weite in seiner*ihrer Liebe. In der ewigen Gemeinschaft mit ihm*ihr und in der Gemeinschaft mit allen Erlösten.
Und vielleicht spüren und erleben wir etwas davon auch schon bei unserem Fest.
Vielleicht gibt uns das neu Kraft, um im Alltag das Nötige treu und tapfer zu tun. Ein vernünftiges Miteinander mit der Umwelt, dass wir verantwortlichen Umgang und nicht Ausbeutung betreiben.
Für ein liebevolles Miteinander mit unseren Mitmenschen, dass wir nicht maximale eigene Vorteile auf ihre Kosten anstreben, sondern fairen Ausgleich von Nehmen und Geben.
Dass wir aus dem Fest zu der Erkenntnis finden, wie sehr Gott Gutes für alle möchte und wir uns davon anstecken lassen zum Wohle möglichst vieler.
Denn:
Auf Gottes Güte und Schöpfung ist Verlass.
Feiern wir das göttliche Ja zu unser aller Leben.
Erfreuen wir uns der reichen Schöpfungsgaben unseres Gottes.
Sind wir dankbar für die feinen Fähigkeiten, die aus dem Korn das Brot und aus der Traube den Wein werden lassen.
„Herr,
ich bin fröhlich heute am Morgen.
Die Vögel und Engel singen und ich jubiliere auch.“
Amen
Predigt für Sonntag 10. n Tr
Sonntag, 13.08.23
9:45 Breitscheid (Bd) und 10:45 Steeg (Sg)
Predigttext: 5.Mose 4, 5-20
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Amen
Liebe Gemeinde,
es gibt Texte, die für ein Volk im Laufe der Geschichte so große Bedeutung gewinnen, dass sich die Menschen damit immer mehr identifizieren. Menschen spüren durch diese Inhalte Halt im Leben, eine Perspektive, für die sich stark machen, eine Gewissheit, die sie brauchen.
Wenn ich für Deutschland nach einem solchen Dokument suche, dann fällt mir unmittelbar das Grundgesetz ein.
In der ganzen Debatte um Identität, was Deutsch-sein sein soll, wie man Menschen begegnet, die aus anderen Ländern kommen, um hier Schutz und Heimat zu finden, da hat sich für mich das Grundgesetz als eine großartige Hilfe erwiesen.
Dieser wunderbare Auftakt, diese wenigen Worte: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Und das wurde von den Müttern und Vätern des Grundgesetzes unter dem Eindruck des völligen Versagens vor und im 2. Weltkrieg kurz nach dem 2. Weltkrieg sehr bewusst so pointiert formuliert. Eine großartige Leistung, um einen Neubeginn das richtige Fundament zu geben. Und es trägt bis heute.
In Frankreich sind es die großen Worte „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“, die seit der französischen Revolution 1789 Identität stiften.
Man kann Ähnliches für andere Länder erkennen, z. B. die Unabhängigkeitserklärung für Amerika.
Und als 1989 der Ruf „Wir sind das Volk“ durch die damalige DDR erschallte, war es eine Kraft, die alle erstaunte.
Wenn wir heute, am Israel-Sonntag, für Israel einen solchen Text finden möchten, freuen und bewundern wir, dass bereits vor vielen tausend Jahren dieses besondere Volk seine Identitätsformel gefunden und bis heute beibehalten hat:
(Schma (Höre) Israel) „Höre Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr
allein. Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft“ 5Mo6, 4f
Gott lieb haben, wie geht das?
Es muss mehr als ein Gefühl sein, um von Generation zu Generation erhalten zu bleiben. Es gehört der feste Wille dazu, die Fähigkeit an diesem Bekenntnis über Jahrtausende festhalten zu können, die innere Überzeugung, die immer neu geweckt werden will, ja im Grunde der Selbsterweis der Richtigkeit dieser Worte im täglichen Leben, weil sie schützen, fördern, quasi gleichzeitig Fundament und offener Himmel gerechter und lebenswerter Verhältnisse sind.
Gott lieb haben, dazu gehört für Jüdinnen und Juden ganz selbstverständlich, seine*ihre Weisungen zu verstehen und zu beachten.
Das Kernstück dieser Weisungen ist mittlerweile überall in der Welt bekannt und geachtet: die 10 Gebote.
Und in diesem Wort verbirgt sich bereits ein mögliches Missverständnis. Gebot(e) hört sich hart an, da wird etwas gefordert, das muss man halten, aus, ende, basta. Und schnell keimt dann eine innere Regung, die sich dagegen auflehnt. Wer will mir denn Vorschriften machen?
Vielleicht reden wir Nicht-Juden anstatt von 10 Geboten von 10 Angeboten. 10 Angebote zum Leben. Ein Schatz, um in der Gemeinschaft mit anderen Menschen einander und damit Gottes heiligem Willen gerecht zu werden.
Im für heute vorgeschlagenen Predigttext wird praxisnah und vielschichtig beschrieben, wie es gehen kann, Gott lieb zu haben, wie man diese Haltung selber und über Generationen bewahrt. Was diese ausstrahlt in die weite Völkerwelt.
Der heutige Predigttext ist 5. Mose 4, 5-20:
6 So haltet sie nun und tut sie! Denn darin zeigt sich den Völkern eure Weisheit und euer Verstand. Wenn sie alle diese Gebote hören werden, dann müssen sie sagen: Was für weise und verständige Leute sind das, ein herrliches Volk!
7 Denn wo ist so ein herrliches Volk, dem Götter so nahe sind wie uns der HERR, unser Gott, sooft wir ihn anrufen?
8 Und wo ist so ein großes Volk, das so gerechte Ordnungen und Gebote hat wie dies ganze Gesetz, das ich euch heute vorlege?
9 Hüte dich nur und bewahre deine Seele gut, dass du nicht vergisst, was deine Augen gesehen haben, und dass es nicht aus deinem Herzen kommt dein ganzes Leben lang. Und du sollst deinen Kindern und Kindeskindern kundtun
10 den Tag, da du vor dem HERRN, deinem Gott, standest an dem Berge Horeb, als der HERR zu mir sagte: Versammle mir das Volk, dass ich sie meine Worte hören lasse und sie mich fürchten lernen
alle Tage ihres Lebens auf Erden und ihre Kinder lehren.
11 Da tratet ihr herzu und standet unten an dem Berge; der Berg aber stand in Flammen bis in den Himmel hinein, und da war Finsternis, Wolken und Dunkel.
12 Und der HERR redete mit euch mitten aus dem Feuer. Den Klang der Worte hörtet ihr, aber ihr saht keine Gestalt, nur eine Stimme war da.
13 Und er verkündigte euch seinen Bund, den er euch gebot zu halten, nämlich die Zehn Worte, und schrieb sie auf zwei steinerne Tafeln.
14 Und der HERR gebot mir zur selben Zeit, euch Gebote und Rechte zu lehren, dass ihr danach tun sollt in dem Lande, in das ihr zieht, es einzunehmen.
15 So hütet euch um eures Lebens willen - denn ihr habt keine Gestalt gesehen an dem Tage, da der HERR mit euch redete aus dem Feuer auf dem Berge Horeb -,
16 dass ihr euch nicht versündigt und euch irgendein Bildnis macht, das gleich sei einem Mann oder einer Frau,
17 einem Tier auf dem Land oder Vogel unter dem Himmel,
18 dem Gewürm auf der Erde oder einem Fisch im Wasser unter der Erde.
19 Hebe auch nicht deine Augen auf zum Himmel, dass du die Sonne sehest und den Mond und die Sterne, das ganze Heer des Himmels, und fallest ab und betest sie an und dienest denen, die der HERR, dein Gott, zugewiesen hat allen Völkern unter dem ganzen Himmel.
20 Euch aber hat der HERR angenommen und aus dem Schmelzofen, nämlich aus Ägypten, geführt, dass ihr sein Erbvolk sein sollt, wie ihr es jetzt seid.
Ein vielschichtiger Text.
Ich werde bei weitem nicht alle seine Facetten in dieser Predigt erfassen.
Umso wichtiger finde ich es, einen Dreh- und Angelpunkt auszumachen. Und da bin ich wieder beim großen Schma Israel: Du sollst den Herrn lieben.
Um diese Liebe zum ewigen Gott geht es vor allem. Und darum, dass dieser einmalige Gott seinen Bund mit dem Volk Israel geschlossen hat. Warum ausgerechnet mit Israel?
Ist das nicht ungerecht für alle anderen Völker?
Diese Frage mag sich uns stellen. Für Israel ist diese Frage mit dem
Auszug aus Ägypten, diese große Befreiung aus der Sklaverei,
beantwortet: Weil Gott es so gefallen hat.
Diese Erwählung durch Gott ist wie eine Berufung. Ehre und Last
zugleich. Und dass wir heute z. B. die 10 Gebote so wertschätzen, liegt
daran, dass Israel seiner Berufung oft genug gerecht geworden ist.
Die ersten Sätze im heutigen Predigttext:
Sieh, ich habe euch gelehrt Gebote und Rechte, wie mir der HERR, mein Gott, geboten hat,
6 So haltet sie nun und tut sie! Denn darin zeigt sich den Völkern eure Weisheit und euer Verstand.
Gott hat durch sein*ihr erwähltes Volk alle Völker im Blick.
Gottes großartige Gebote, diese Rechte, Weisungen und Lehre sind ja nicht nur für Israel lebenswichtig. Für alle Menschen dieser Erde, ihrer*seiner wunderbaren Schöpfung, schenken sie Grundlage, um friedlich, gerecht und mit möglichst hoher Lebensqualität möglichst vieler die Lebensspanne inmitten der Schöpfung erleben zu dürfen.
Durch Israel spricht er*sie bis zum heutigen Tag zu uns.
Hören wir hin?
Trauen sich Jüdinnen und Juden überhaupt noch ihre Lebensschätze aus dieser besonderen Gottesbeziehung anderen zu preisen?
Am heutigen Israel-Sonntag müssen wir leider die eigene Schuld eingestehen. Von der übergroßen Last, die unser Land durch die Shoah sich selber aufgebürdet hat bis zu den gegenwärtigen antisemitischen Entgleisungen, die immer noch und teilweise wieder zunehmend begangen werden. Denkmäler, gar Friedhöfe werden geschändet, Menschen mit Kippa angepöbelt und nach wie vor ist normales jüdisches Leben in Deutschland nur unter Polizeischutz möglich. Eben unnormal.
Wie kann das sein?
Ich empfinde das als eine Schande. Als unfassbar.
Genauso wie die Versuche einiger Parteien, z. Zt. macht es besonders hörbar die AfD, Shoah/Holocaust zu verharmlosen.
Oft sind es dieselben Leute, die so anständig wirken wollen und seriös, die nie z. B. die hohe Bedeutung der 10 Gebote in Frage stellen würden, die gleichzeitig untergründig oder unverschämt offen antisemitisch reden und wenn vielleicht auch nicht selber handeln, so doch schüren, was dann zur verrückten Tat wird.
Von Jesus ist ein schlichter Satz im Johannesevangelium überliefert, den mancher Religionslehrer zur Nazizeit am liebsten aus der Bibel gestrichen hätte: „Das Heil kommt von den Juden“. (Joh4, 22)
Es ist unendlich viel Wahres daran.
Warum das so ist?
Weil Gott in der eigenen Souveränität es so gefügt hat.
Letztlich stellt sich die Frage, erkenne ich Gottes Souveränität an?
Das Heil kommt von den Juden.
Wir dürfen uns nach den 10 Geboten richten und so besser leben.
Jesus, von Gott zu seinem Volk und zu allen Völkern geschickt, Jesus, das betone ich im KU gerne, weil manche diese Zusammenhänge schwer erkennen können, war selber Jude.
Und was haben wir Jesus zu verdanken…
Eigentlich müssten wir uns freuen und Gott immer neu danken, dass er*sie über sein*ihr erwähltes Volk uns allen seine Liebe und Güte, ihre Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit offenbart hat und nicht müde wird uns zu lehren, wie man selber gütig und liebevoll leben kann.
Das ist mehr als ein Gefühl.
Es gehört der feste Wille dazu. Die Fähigkeit daran festzuhalten. Die weitsichtige Vernunft, wie man solches am besten über die Generationen weitergeben kann. Zuletzt der Selbsterweis dieser Werte, die im täglichen Leben sich als das Sinnstiftende und glücklich machende erweisen.
Jüdinnen und Juden feiern am Ende des Laubhüttenfestes einen ganzen Tag lang das Fest der Tora-Freude, die Gabe Gottes dieser (An-)Gebote zum Leben. (Simchat Tora (Simhrat Tora))
Ein buntes, frohes Fest. Kinder bekommen oft Süßigkeiten, um zu zeigen, süß und voller Leben sind die Weisungen Gottes.
Vielleicht werden wir nicht so unbefangen etwas preisen können, was Gebot heißt, vielleicht hat das viel mit unserer Geschichte zu tun und unserem Verhältnis zu Autoritäten und selbstausgedachten Regeln, die oft wie ein harter Stock herabsausen und knechten.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Ob wir diesem wunderbaren Satz noch mehr Leben geben können, wenn wir mitdenken: Die Ebenbildlichkeit eines jeden Menschen mit Gott? Dass Gott selber schenkt und gibt, so unendlich viel: Die 10 Gebote, die die Würde großartig schützen; seinen*ihren Sohn Jesus Christus, der uns leben und lieben hilft.
Da ist so viel Heil und Gutes, mit dem Gott durch ihr*sein erwähltes Volk und durch Jesus Christus uns erreichen und befreien möchte.
Gottesdienst 23.7.2023 in Steeg
Gnade sei mit uns und Friede von Gott, dem Vater, und unserm Herrn
Jesus Christus.
Liebe Gemeinde,
nach dem Pfingstwunder in Jerusalem, wo so viele Menschen für Jesus Christus gewonnen wurden, kam dann der Alltag! Dazu gehört die Gemeinde-Bildung! Wie schwierig schon bestehende Gemeinden zu leiten sind, das weiß ich aus meiner Presbyterzeit. Es gibt viele Probleme und noch mehr Lösungsvorschläge dazu. Ich beneide keinen Presbyter …
Da können wir uns von den frühen Christen Rat holen. Tausende ließen sich nach der mitreißenden Predigt von Petrus zu Pfingsten taufen! Und: sie blieben in der Lehre und im Brotbrechen!
Sie bildeten eine neue Gruppe in ihrer Lebenswelt, sie hielten sichtbare Gemeinschaft untereinander! Es geschahen Zeichen und Wunder! Eine neue Lebensform bildete sich heraus: Sie teilten miteinander. Sie beteten miteinander – im Tempel. Sie feierten das Heilige Abendmahl, das Brotbrechen miteinander - in ihren Häusern. Das fiel auf! Und die Gemeinde wuchs. Wie schön.
Das alles aber verlangt auch Organisation! Es war ja eine bunt gewürfelte Schar, „die“ Gemeinde: Viele freigelassene Sklaven wandten sich den Christen zu – sie konnten ja von ihren früheren „Besitzern“ keine Entschädigung verlangen. Viele nie gekannte Pro-bleme mussten bewältigt werden. Und dabei stellte es sich heraus, dass das beste Organisations-Mittel unter Christen die Liebe ist!
Liebe weiß, was den anderen fehlt. Liebe hat besondere Augen; sie erkennt Unausgesprochenes. Liebe
ist erfinderisch, heißt es ja auch oft. Und ich kann nur sagen: Was da in der Apostelgeschichte steht, da wa-
ren viele gesegnete Erfinder und Erfinderinnen am Werk.
Und deren Tun steht ja nicht unter Erfinderschutz! Ihre Liebe will nachgeahmt werden; denn sie ist an Christi Liebe dicht dran. Sie mussten ja Gemeindeleben erst mal ausprobieren. Da hatten die frühen Christen bestimmt zuerst Jesu Jüngerkreis vor Augen: Diese 12 hatten den Herrn ja 24 Stunden am Tage begleitet. Denen musste man abgucken, was auch für mehr als ein Dutzend Menschen zum guten Christen-Leben mit vielen anderen taugt.
Es ging sicher oft auch holprig zu: Denn wie die ersten Christen alles aufzugeben, alles in den gemeinschaftlichen Topf zu werfen, das ist schwierig. Wir sind doch alle Individuen, Einzelwesen und haben alle eigene Wünsche und Vorstellungen.
Die „jungen Gemeinden“ lebten zwar in einer ganz anderen Zeit, aber einige Voraussetzungen sind ja gleich geblieben: Wir haben das Wort vom Heil in Jesus Christus, wir haben die Taufe und das Heilige Mahl als handfeste Zeichen seiner Gegenwart und wir haben die Aufgabe, nicht nur uns, sondern auch den Nächsten zu lieben …
Die ersten Christen hatten einen Vorteil: Sie lebten ganz nahe beieinander! Sie kannten sich fast alle. Viele hatten den Heiland noch persönlich gesehen und gehört. Da könnte man sagen: Die haben gut glauben! Aber uns begegnet der Erlöser ja auch immer in seinem Wort, in der Gemeinde.
Es ist eine sehr schwere Aufgabe, zu glauben, aber es ist auch ein Geschenk! Es verlangt offene Herzen. In unserem Bibeltext sind 3.000 Menschen genannt, die sich taufen ließen! Da wird uns ja regelrecht schwindlig! Mir sind dann die Schwimm-bäder vor Augen, wo andere Glaubensgemeinschaften ihre neu geworbenen Mitglieder in Massen taufen!
Das ist sicher nicht Jesu Auftrag für uns. Seine eigene Taufe durch Johannes im Jordan ist für uns aber sehr wichtig: Der Sohn Gottes, der Schuldlose, lässt sich zum Vorbild für uns taufen. Er will uns Vorbild sein – das ganze Leben über. Und beim Geld fängt alles an, heißt es doch.
Viele der ersten Christen waren arm wie die sogenannte Kirchenmaus! Für sie war der „arme“ Jesus
von Nazareth aber alles: Er schenkte ihnen den Him-
mel. Sie waren nicht mehr die Letzten, sondern die Ersten! Und das fiel auf. Das brachte ihnen zunächst nur Freunde ein. Die Feinde kamen später.
Ich würde diese Lebensform nicht nur „sozial“ nennen. Sie war familiär, geschwis-terlich. Man hatte die Bedürftigen im Blick. Es ist ja von den Diakonen die Rede
(der erste war Stephanus!), die ausgewählt wurden, um die Ärmsten zu versorgen. Erfindung der Christen!!!
Sie waren eine ideenreiche Test-Gruppe Jesu, die frühen Christen! War der Herr ihnen näher als uns? Ich denke, sie haben ihn viel mehr herbeigerufen! Herbei gebetet! Sie waren sich ihrer eigenen Schwächen mehr bewusst als wir heute – wir geben keine Schwachstelle mehr zu, das ist nicht mehr „in“. Wir leben in anderen Verhältnissen, aber dafür gibt es viele andere Nöte bei uns, für die noch keine Helfer
und erst recht keine Heilmittel gefunden sind. Heute müssen schon Schulkinder von Psychologen und Therapeuten behandelt werden, damit sie „mitkommen“. Da läuft etwas falsch, denke ich oft. Großeltern, Weiterträger des Glaubens, leben heutzutage meist entfernt von ihren Enkeln. Vieles in Sachen Glauben wird nicht weiter tradiert, weitergetragen, weil die Eltern beide berufstätig sein müssen, um den gewünschten Lebensstandard aufrecht zu erhalten.
Viele Sitten und Gebräuche gehen dadurch verloren. Deshalb ist ein Rückblick auf die ersten Gemeinden glaubenswichtig! Das jüdische Land war in römischer Gewalt, die allerdings den Glauben nicht an-tasten sollten. Aber sie waren ja besonders steuerlich sehr bedrückt, die Juden! Und das, seitdem das Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde.
Und jetzt ist für uns der Zeitpunkt gekommen, wo wir besonders aufmerken können: Christus ist gerade da geboren, wo alle Welt von anderen „Herren“ abhängig war! Christus hat den Menschen eine Lebensform gebracht, die nichts mit einer Staatsform und deren Zwängen zu tun hat.
Wir haben einen Arzt der Seelen, der einfach nicht zu übertreffen ist: Jesus Christus. Christus will Gemeinschaft, ohne den Einzelnen zu bedrücken. Das ist das Beson-
dere am Christentum. Die christliche Gemeinschaft bietet weiten Raum; das Denken ist nicht verboten, es gibt nur wenige Vorschriften, die man einhalten sollte. Unser Herr Jesus hat der „ersten“ Gemeinde ja keine neuen Gebote aufgehalst: Es sind die bekannten 10 Gebote vom Berg Gottes. Und die hat unser Herr zusammengefasst in: Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen und mit all deiner Kraft und deinen Nächsten wie dich selbst.
Dafür waren die ersten Christen wirklich Vorbilder! Und es ist gut, sich das einmal nicht nur durch den Kopf, sondern durchs Herz gehen zu lassen. Gründe, in der christlichen Gemeinschaft, der Gemeinde, zu bleiben, gibt es genug!
Der wichtigste Grund ist unser HERR Jesus Christus, der sein eigenes Leben für unsere feste Verbindung zu Gott hergegeben hat!
Amen
Predigt zum Gottesdienst am Sonntag, den 2. Juli 2023
Gnade sei mit uns und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt.
„Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.“ So sagt es Jesus Christus selbst, so wie wir es auch eben im Evangelium gehört haben. Wenn wir Kinder beobachten, wie stark sie an etwas glauben können, wie offen sie mit ihren Augen und ihren Herzen durch die Welt gehen, wie sie beobachten und durch scheinbar banale Fragen das Verhalten und Denken der Erwachsenen vorführen, dann ist das schon sehr beeindruckend. Kinder sehen die Welt einfach anders: Ihnen fehlt das Erfahrungsspektrum der Erwachsenen, das diese zunächst immer erst einmal Bedenken anmelden lässt, wo durch wissenschaftliche Ergebnisse vermeintlich Dinge endgültig geklärt scheinen, die so manche Phantasie, so manche Hoffnung und so manchen Glauben Keim ersticken können.
Kinder sind so viel mutiger als wir, und das können die Mitglieder des Wintersportvereins Rabenkopf bestimmt bestätigen. Kinder stellen sich auf die Skier und fahren einfach los, sie lernen das so schnell. Und die Erwachsenen müssen es mühsam lernen. Auch ich kann es bis heute nicht und habe Angst davor und würde mich unter Garantie ganz furchtbar ungeschickt und schwerfällig dabei anstellen. Aber auch sonst sind Kinder so viel mutiger, auch auf Klettergerüsten am Spielplatz. Manch einer könnte auch sagen, sie sind leichtsinnig. Ja, aber vielleicht ist es gerade der leichtere Sinn im Gegensatz zu den schweren Bedenken der Erwachsenen.
Kinder sind viel emotionaler, können mit der Zuneigung und Liebe, die sie für etwas entwickeln können, in ihrer Gedankenwelt wirklich Berge versetzen: Da ist die Puppe oder das Stofftier einfach lebendig und man kann mit ihr oder ihm reden. Und selbstverständlich ist auf den Plastik-Spielzeugtellern etwas zu essen und in den Bechern etwas zu trinken, die man auf dem Fußboden für alle gedeckt hat. Die dazugehörige Kanne ist endlos gefüllt.
Die Tochter einer Bekannten hatte sich noch im Alter von 8/9 Jahren einen Plan gemacht, auf dem genau festgelegt war, an welchem Tag welches Kuscheltier in ihrem Arm einschlafen darf: Damit eben keines traurig ist oder sich benachteiligt fühlt.
Kinder durchdringen mit ihrer Liebe etwas, das scheinbar Lebloses zum Leben erweckt. Vielleicht kennen Sie diese Stelle aus dem „Kleinen Prinzen“, wo dieser in der Wüste auf den dort gestrandeten Piloten trifft und den er bittet: „Zeichne mir ein Schaf!“ Und der Pilot zeichnet ihm ein Schaf nach dem anderen: „Nein, das ist zu dick!“ „Nein, das ist zu alt.“ „Nein, das ist zu müde!“ – keines der vielen Schafe, die der eigentlich zeichnungsbegabte Pilot malt, ist so, wie der Kleine Prinz es haben möchte. Dem Piloten reißt der Geduldsfaden und er zeichnet energisch eine Holzkiste mit drei Löchern und drückt sie dem Prinzen in die Hände mit den barschen Worten: „Das ist die Kiste – das Schaf, das du willst, es ist da drin.“ Und er ist erstaunt, als der Kleine Prinz voller Freude die Zeichnung nimmt, vermeintlich durch die Löcher in die Kiste sieht und begeistert spricht: „Das ist genau so, wie ich es mir gewünscht habe! Aber sieh nur: Es ist eingeschlafen!“, und ganz leise und vorsichtig legt er das Blatt auf die Erde.
So etwas würde dem sogenannten ungläubigen Thomas beispielsweise niemals passieren. Der glaubt eben nur, was er sieht.
Und wir selbst stehen dann bei den Kindern, die mit so einer Phantasie denken und spielen, und sagen dann oft einfach nur: „Ooo, wie süüüüß“, aber wir kämen nie auf
die Idee, uns an dieser Phantasie, an diesem Glauben der Kinder an das für uns Menschen scheinbar Unmögliche ein Beispiel zu nehmen.
Ich mag in diesem Zusammenhang - auch im Hinblick auf die Kinder – die Worte aus dem 1. Petrusbrief (1,8), die wir auch vorhin hörten:
„Ihn habt ihr nicht gesehen und habt ihn doch lieb; und nun glaubt ihr an ihn, obwohl ihr ihn nicht seht; ihr werdet euch aber freuen mit unaussprechlicher und herrlicher Freude, 9 wenn ihr das Ziel eures Glaubens erlangt, nämlich der Seelen Seligkeit.“
Aber in Jesus Augen sind halt doch vor allem die selig, die nicht sehen und doch glauben. Und wir haben diesen Glauben, der uns wider alle sog. Vernunft und Einsicht in dieser Welt Hoffnung und Zuversicht schenkt im Vertrauen auf Gottes Güte und Beistand auch bei allem, was uns Menschen total überfordert.
Und es macht mich persönlich so traurig, dass viele Kinder, auch die großen, nicht mehr zu Jesus kommen können. Sie werden heute ohne Glauben groß; die klugen und aufgeklärten Erwachsenen vermitteln - trotz aller Versuche, dies kindgerecht zu tun – aber unterm Strich dennoch schonungslos, dass die Welt quasi untergeht. Sie ziehen die Kinder auf dem Grund ihrer eigenen Angst und Überforderung in einen Strudel der Hoffnungslosigkeit. Die Kinderseelen haben Corona mit allen Konsequenzen überstehen müssen und konnten sich da vielleicht wenigstens in ihre Fantasiewelt flüchten und hatten ihre Kuscheltiere als Ansprechpartner, die sie wenigstens anfassen durften. Heute erzählen ihnen junge Erwachsene - für meine Begriffe mit einer gehörigen Portion Arroganz und Anmaßung von sich als der „letzten Generation“, als ob sie den Umweltschutz erfunden hätten, der mich angesichts saurer Wälder und Atomkraftwerken vor knapp 40 Jahren in der Oberstufe auch schon umgetrieben hat. Die Mahnung in dieser Bezeichnung „Letzte Generation“, die den Erwachsenen gelten soll, kommt bei den Kindern im Zweifel als Todesurteil an. Vielen Dank auch für dieses wunderbare Signal an die ganz Kleinen: Für euch ist es eh gelaufen.
Woher nehmen Kinder von heute Hoffnung? Die Kinder- und Jugendpsychologen können sich kaum retten vor dem Ansturm auf Termine in ihren Praxen; bei den Erwachsenen sieht es nicht viel anders aus: – woher schöpfen auch Erwachsene Hoffnung und Zuversicht, wo ihnen jeden Tag auf allen Kanälen und Medien statistisch veritabel alles ganz sicher erklärt wird mit dem Scheitern der Welt.
Hoffnung wird verschlungen durch das, was auf dieser Welt geschieht und wie die Menschen es einzuordnen. Da ist kein Gottvertrauen, sondern nur noch Vertrauen in sich selbst. Es gibt so vieles, was wir nicht erklären können, so vieles, was wir nicht ergründen können und das, was Menschen sich erklären können, das wird aber als das absolute Wissen transportiert. Vermutlich wissen wir nur wenig, aber das aus voller Überzeugung.
Gaube ist uncool, weil wir ihn in keine Horrorszenario-Statistik stecken können, und für die Kinder auch nicht gut in die Checker-Tobi, logo-Nachrichten oder purplus- formate quetschen können.
Lasset die Kinder zu mir kommen! Warum erzählen wir den Kindern so wenig von der Hoffnung? Warum erzählen wir ihnen nicht mehr vom Glauben? Warum lassen Erwachsene Kinder nicht in Kontakt mit dem Glauben kommen, auch wenn sie vielleicht
selbst damit wenig anfangen können? Sie sollten doch froh sein, wenn wenigstens den Kindern damit eine Welt eröffnet wird, die ihnen Trost und Zuversicht schenken kann im Glauben an einen allmächtigen, barmherzigen und liebenden Gott, der das Leiden und den Tod in dieser Welt überwunden hat.
Ich möchte daher mit einem Zitat enden aus einem der großartigsten Bücher, das manche von euch vielleicht kennen: „Hallo, Mr. Gott, hier spricht Anna“. Dieses Buch basiert auf einer angeblich wahren Geschichte eines kleinen 5-jährigen Mädchens, das von zu Hause weggelaufen ist, von blauen Flecken und Striemen übersät, das Zuflucht findet bei einem jungen Mann und dessen Familie. Sie stirbt kurz vor ihrem 8. Geburtstag an einem tragischen Unfall, und sie sagt beim Sterben: „Wetten, dass mich Mister Gott dafür in seinen Himmel reinlässt?“ Dieses Kind ist geprägt von einem tiefen Glauben an Mr. Gott, wo auch immer sie ihn geschenkt bekommen hat, der sie durch ihr kleines und viel zu kurzes Leben trägt.
Anna fragt an einer vorhergehenden Stelle im Buch, als ihr großer Freund Fynn (der junge Mann der sie gefunden hat) an einem Stromkreis herumexperimentiert: „Was hast du gemacht?“, fragt sie.
„Die Stromstärke gemessen.“ „Innen drin?“ „Stärke kann man nur in einem geschlossenen Stromkreis messen.“ „Siehste, also innen. Das ist genauso wie die Leute in der Kirche, nicht?“ Als sie sieht, dass Fynn es nicht begreift, was sie meint, setzt sie nach: „Ich meine, die Leute gehen zur Kirche und glauben, sie können Mister Gott ausmessen. Aber sie tun das nur von außen. Richtig messen, ich meine, die Stärke von Mister Gott, kann man nur ausmessen, wenn man in ihm drin ist.“
Und der Friede Gottes, der sehr viel höher ist als all unsere menschliche Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus, unserem Bruder. Amen.
Kirchweihfest Steeg 2023 - Predigt 18.06.2023 in Plattdeutsch
Liebe Fest-Gemeinde,
welches Bibel-Thema passt wohl zu unserem Kirchweih- bzw. Weinblütenfest wie die sogenannte Faust aufs Auge? Es muss ein Esel drin vorkommen; er ist ja unser Wappentier! Wir identifizieren uns mit ihm! Esel gibt es reichlich in der Bibel: Im 4. Buch Mose begegnet uns schon ein Prachtexemplar. Das war garantiert ein Vorfahre vom Steeger Esel, geduldig, geländegängig, treu. Er war das Reittier des Gottesmannes Bileam. Und eine Wingertsmauer gibt’s in der Geschichte auch. Das bascht doch wie die Fauschd uffs Aab! Das mecht ich jetzt gere verziele.
Die Israelide, usem Gott sei erscht Völkche, ware met em Mose endlich aus de Sklaverei in Ägypte freikomm. Ach, was hadde se en weide Wääch ins Gelobde Land – se ware Nomaden! Noh wer woiß wieviel Johre kame se endlich am Jordan an, awwer uff de verkehrd Seit. Un grad do war die grooß Stadt Jericho. Das war Moabider-Land!!! En Stadtmauer, riiieeesich! Do hadde se schun all Herz-Klobbe! Do misse mer dorch! Es gibt koine annere Wääch niwwer! Ach das noch! Vor däne Moabider hon doch alle Leit Ängscht! (1. befestigte Stadt der Welt)
Awwer dem Zuch vun Israelide ging jo aach en Ruf voraus: Das Volk, das vun Ägypde her kimmt, das muss en starke Gott hon! Was die schun alles henner sich brocht hon!!! So hons die Ratsleit dem Moabider-Könich Balak gesaht. Awwer dem Balak is ebbes engefall: Am Euphrat lebt ein Seher mit Namen Bileam! Einer, der in die Zukunft schauen kann! Schafft mir den Bileam herbei! Hier ist ein Brief für ihn! Ich gehe ihm ein bisschen um den Bart; ich habe geschrieben: Ich weiß, wen du segnest, der ist gesegnet, und wen du verfluchst, der ist verflucht und den können wir besiegen.
Die Eilbode sein los! Un wie se bei dem Bileam aankame, hot dä den Brief geles un sich noch verziehle geloss, wie brenzlich die Sach wär. Dann saat de Bileam: Bleibt die Naacht do! Ich muss warde, ob meine Gott mer ebbes sät. Moins hon die Gesandte vum Balak schun gestiewelt un gesport do gestann, bis endlich dä Bileam aus seinem Haisje kam: Meine Gott hot mer die Naacht gesaht: Geh nicht mit den Moabitern, verfluche das Volk auch nicht; denn es ist gesegnet! Aach, was ware die geschlahn, die Moabider! Jetzt muschde se hoim zu ihrem Könich Balak, ohne de Bileam!
Awwer de Könich Balak hot nit die Fliede gestreckt (nicht „aufgegeben“ für Hochdeutsche). Er hot sofort en anner Gesandtschaft zusammegestellt aus seiner Regierung met noch wichdichere Leit (die erscht Garnidur). Nix wie ab met eich bei de Bileam, hots do gehoiß!! Un?? De Bileam hot in der Naacht widder Gottes Stimm geheert: Haben diese Männer dich gerufen, so ziehe mit ihnen, aber nur was ich dir sagen werde, sollst du tun.
Do hot de Bileam vergniecht vor sich hiengepiffelt un sei Iselche gesaddelt un is henner däne Moabider hergezockelt. Awwer Gott guckt jo in die Herze! Un was er do beim Bileam gesiehn hot (wahrscheinlich en Haafe Gold un Silwer vum Balak), das hot Gott winsch gemacht (wütend, für Nicht-Steeger). ER hot dem „Seher“ seine Engel in de Wääch gestellt, un dä hat en bloß Schwert in de Hand!!! Awwer, jetzt kimmts: Die Eselin is hordich uff de Acker! Der Seher hat nix gesiehn!!! Er hot sei Eselin sogar geschlahn! Se is uff de alde Pad zerick gang.
Nit lang, do kam en Huhlwääch in de Wingerde!! Hohe Mauere rechds un links un midde dren war dä Gottes-Engel met seinem Schwert, blank gezoh! Die Ese-lin hots gesiehn un is schwupp uff die Seit. Do debei hot sich der Herr Seher Bileam de Fuß an de Mauer gestoß und hot sei Iselche geschlahn! So en Knu-scher! Dann kam en Stell, wo koi Maus dem Engel hätt ausweiche kenne un
do ging die Eselin in die Knie!!! De Bileam hot se geschlahn.
Awwer jetzt hot die Eselin 's Maul uffgemach: Weshalb schlähschd du mich dreimol? Er: Ei, weil du nit geheert hoschd; hätt ich en Schwert in de Hand, wärschde jetzt dot! Do hot die Eselin dem Bileam gesaht: Wie weit hon ich dich schun getrahn? Hon ich jemols de Wääch verloss? Nein, sät de Bileam ganz verdutscht. Un doo, doo sein em endlich die Awe uffgang: Midde uff dem
Pädche war dä Engel met em Schwert, die Spitz uff sei Herz geriecht!!! Do iss er awwer verschrock! Un dä Himmelsbote hot dem blinde Seher gesaht: „Deine Eselin hat mich gesehen und ist ausgewichen, sonst wärst du jetzt tot, aber dei-ne Eselin hätte ich laufen lassen. Ihr verdankst du es, dass ich dich am Leben lasse! Du kannst jetzt zu dem Moabiter-König Balak ziehen, aber nichts an-deres, als was ich zu dir sagen werde, sollst du reden.“ Das war die letschd Mahnung.
De Bileam is dann met bei den Könich Balak. Un dä war ganz aussem Haisje (aufgeregt): Endlich bist du da! Ich kann dich doch hoch bezahlen und ehren für deine Mühe! Awwer do endlich hot de Bileam gesaht: Ich kann nur reden, was mein Gott mir in den Mund legt. Am annere Daach is de Könich Balak selwer met dem Bileam uff die Höh gang, vun wo aus mer das ganze Zeltlaacher vun de Israelide iwwersiehn kunnt. Das war en Haaf!!!
Un do hot de Bileam gefordert: König Balak, schaffe 7 Stiere und 7 Widder herbei zum Opfer. Hordich hon se Altäre gebaut un Bileam saht: König Balak, geh du zu den Brandopfern. Ich gehe zur Seite und warte, ob mein Gott mir begegnet. Gott hot den Bileam nit lang warde losse. Bileam sät, dass die Altäre met de Opfer schun ferdich wäre. Awwer Gott sät nor: Geh zurück zu König Balak. Ich lege dir die Worte in den Mund, die du reden sollst!
Beim Könich Balak hon se all schun uff hoiße Kuhle gehockt un dem Bileam entgähn geruf: Was hat dein Gott gesagt? Do druff Bileam: Wie soll ich fluchen, dem Gott nicht flucht? Wie soll ich verwünschen, den der HERR nicht verwünscht? Do hots dem Könich Balak die Sprooch verschlahn, er kunnt koi Wort meh rauskriehe! Awwer er hot den Bileam noch emol an de Hand genumm bis uff de Berch Peor. Schau hinunter, Bileam! Nur Israeliten siehst du, nach 12 Stämmen, wie eine Armee geordnet. Un doo gehn dem Bileam endlich die Aawe uff und er hot en Lobred uff das Gottesvolk gehall, großardich!
Do awwer is dem Könich Balak de Krache geplatzscht: Du solltest meine Feinde verfluchen, dass sie schwach würden und wir sie besiegen könnten! Aber was hat du gemacht: Du hast sie dreimal gesegnet!!! Bileam hot noch mo in sich gehorcht und dann gesaht: Ich sehe ihn, aber nicht jetzt; ich schaue ihn, aber nicht von nahem. Es wird ein Stern aus Jakobs Stamm auf-
gehen und ein Zepter aus Israel aufkommen und wird zerschmettern die Schläfen der Moabiter … Do war de Moabider-Könich schun „angeziehlt“, wie en Boxer! Was mah die Eselin an dem Omend dehoim in ehrem Stall verziehlt hon? Leider wisse mer das nit.
Aber, liebe Gemeinde, was würden wir uns von Bileam wünschen, Segen oder Fluch? Feinde gibt es ja weltweit viele. Wenn wir die Esels-Sprache verstehen könnten, hieße die Antwort sicher: Fragt nach dem Willen Gottes, ihr Menschen! Ihr habt ihn ja schriftlich in eurer Bibel! Da kommen auch wir Esel viele Male vor. Sehr stolz war ich an einem Tag, als der Jesus von Nazareth auf einem meiner vielen Eselsnachkommen in die Stadt Jerusalem eingezogen ist! Der wurde aber verleumdet und getötet. Doch der ist auferstanden von den Toten und herrscht über alle Welt!
ER ist der HERR auch der Annakirche, deren Weihe vor langer Zeit Ihr heute wieder feiert! Und wenn man Euch, liebe Steeger Leute, auch mal Steeger Esel nennt, dann seid stolz darauf! Ich als biblische Eselin kann nur sagen: Feiert eure Kirchweih und zugleich das Weinblütenfest feste und vergesst nicht, euch immer mal wieder, besonders in der Kirche einen SEGEN zusprechen zu lassen, nicht von meinem Reiter Bileam, sondern von dem Dreieinigen Gott selber!
Amen
Gottesdienste am 11.6.23 Breitscheid und Bacharach (1. Johannesbrief 4, 16b-21)
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Liebe Gemeinde,
Gott ist die Liebe, darum geht es in der heutigen Predigt. Den Text dazu haben wir in der 1. Lesung gehört. Sie werden jetzt denken, was wurde schon alles über die Liebe gesagt, gedichtet, gesungen gespielt und Filme gedreht.
Und nun komme ich heute Morgen und meine auch noch etwas über die Liebe sagen zu müssen. Doch was der Apostel Johannes über die Liebe schreibt, steht himmelhoch über dem, was an Banalitäten und Abgedroschenem zu diesem Thema täglich zu hören und zu lesen ist.
Gott ist die Liebe! Das ist wohl die zentralste Aussage, die wir über das Wesen Gottes machen können.
Sie werden jetzt denken, ja, das habe ich auch schon einmal gehört oder das weiß ich auch. Hast du heute Morgen auf der Kanzel nichts Neues oder sonst Spannendes zu sagen? Nein, das habe ich nicht. Mehr habe ich nicht zu bieten, als was Johannes schreibt: Gott ist Liebe!
Das heißt ja nicht, Gott liebt so, wie wir Menschen lieben. Wir machen unsere Liebe vom Charakter des Gegenüber, von Äußerlichkeiten, vom Vermögen usw. abhängig. Gott aber stellt keine Bedingungen an seine Liebe. Denn Gott ist die Liebe! Das ist sein Wesen, seine Art uns Menschen nahe zu sein. Von Ewigkeit her ist Gott darauf bedacht, seine Liebe an die Menschen, seine geliebten Geschöpfe, weiterzugeben. Es liegt an uns, diese Liebe anzunehmen und weiterzugeben.
Man kann viele Fragen an die Kirche haben, an die Menschen, die in ihr Dienst tun, die habe ich persönlich auch. Aber wer sonst sagt uns, dass wir geliebt werden, dass wir einen Wert unabhängig von unserer Stellung haben? Nur Gott, unser himmlischer Vater! Und zwar ohne Vorleistungen, bedingungslos. Egal, wer oder was du bist, denn Gottes Liebe gilt allen Menschen, ausnahmslos.
Dass es auf unserer Erde so aussieht und so zugeht, wie wir es derzeit erleben, liegt nicht an Gottes mangelnder Liebe. Es liegt an uns Menschen, weil wir nicht auf Gottes Weisungen hören und danach leben.
Die wirklich von Herzen kommende Liebe fehlt nicht nur in den schrecklichen Kriegsgebieten der Ukraine oder im Süd-Jemen, die fehlt auch weithin in unserem so modernen und oft gerühmten liberalen Deutschland. Die wirklich menschenfreundliche Liebe, abgeleitet von Gottes Liebe, ist in Vielen erkaltet.
Konsum und Profit, immer mehr, immer höher immer weiter –auch auf Kosten der Menschen, die nicht mehr mithalten können- ist leider eine häufige Einstellung der Gegenwart. Jeder Mensch möchte gerne besser dastehen als sein Nachbar.
Ich frage mich, was hat man davon? Macht das glücklicher? Macht das fröhlicher? Gibt das Halt und Hoffnung in auch schwierigen Lebenssituationen? Wenn die wirkliche Liebe unter den Menschen, die in Gottes Liebe ihren Ursprung hat, auf der Strecke bleibt, dann wird es immer kälter und dunkler auf der Welt.
Der Apostel schreibt: Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die völlige Liebe treibt die Furcht aus. Das bedeutet, wenn unser Herz wirklich in der Liebe Gottes gegründet ist, fürchten wir uns auch nicht, wenn wir einmal vor Gott Rechenschaft über unser Leben ablegen müssen.
Dann ist das so, als wenn ein Kind bei seinen Eltern sagt, dass es etwas Unrechtes getan hat. Durch die bedingungslose Liebe seiner Eltern ihm gegenüber weiß es, die Strafe, die die Eltern aussprechen, wird zu ertragen sein.
So ist es auch bei Gott, unserem himmlischen Vater. Er vergibt uns, wenn wir Fehler gemacht haben. Wir brauchen keine peinliche Angst oder Furcht vor Strafe zu haben, wenn Gottes Liebe in uns lebendig ist.
Ein wichtiger Satz in unserem Predigttext lautet: Lasst uns ihn, also Gott, lieben, denn er hat uns zuerst geliebt. Wie ich schon erwähnte, Gott hat keine Bedingungen die vorschreiben: Mensch, wenn du so oder so lebst, wenn du das oder das machst, werde ich für dich da sein, dich lieben. Nein: Er liebt uns ohne Wenn und Aber. Egal ob du reich oder arm bist, jung oder alt, gesund oder krank, groß oder klein.
Wir alle sind Gottes Geschöpfe und seine Liebe schließt Niemanden aus! Das liebe Gemeinde ist mehr, als wir verdient haben! Egal wie es uns derzeit geht, ob wir fröhlich oder traurig sind, ob wir Sorgen haben oder uns des Lebens freuen dürfen, über allem steht Gottes Liebe zu uns.
Ja, es stimmt, Gott schenkt uns seine Liebe bedingungslos, wer wir auch sind. Wir können zu ihm kommen, wie wir sind, aber mit seiner Liebe sollen wir unser Wesen prüfen und gegebenenfalls ändern.
Gott möchte nämlich, dass wir seine Liebe mit anderen Menschen teilen. Denn es heißt: So jemand spricht: Ich liebe Gott und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, wie kann er Gott lieben, den er nicht sieht?
Mit der Liebe zu Gott, der Antwort auf Gottes Liebe zu uns, ist die brüderliche Liebe zu den Mitmenschen unzertrennlich verbunden. Es ist uns nicht möglich, Gott äußerliche Gaben für seine bedingungslose Liebe zu uns zu geben.
Wenn aber Gottes Liebe in unserem Herzen verwurzelt ist, drängt es uns, die Liebe, von der wir leben, liebend an andere Menschen weiterzugeben.
Hier gibt es genügend Möglichkeiten tätig zu werden. Es gibt derzeit auf unserer Erde unzählige Menschen, die unter Hunger und Krankheit, Krieg und Verfolgung, Naturkatastrophen und Klimawandel leiden. Wem es wirtschaftlich gut geht, hat hier ein großes Betätigungsfeld, wo er helfen kann.
Wem das nicht möglich ist, kann auch in seinem persönlichen Umfeld Menschen helfen. Durch Übernahme von Tätigkeiten, die diese Menschen nicht mehr selbst ausführen können, durch Besuche in Kranken und Seniorenheimen. Oder einfach mal etwas Kuchen oder Obst schenken, Freude bereiten. Kleine einfache Dinge können auch Gottes Liebe widerspiegeln.
Und wenn wir das alles nicht können, weil es uns körperlich oder wirtschaftlich nicht möglich ist, dann können wir unsere Hände falten und alles vor Gott bringen. Alle Not unserer Welt, die Angst und Sorgen unserer Mitmenschen. Auch auf der Fürbitte ruht ein großer Segen. Aber, liebe Gemeinde, auch unseren Dank, für alles, was wir sind und haben. Nicht nur Klagen vor Gott bringen, sondern ihm auch für seine Liebe zu uns allen von Herzen danken.
Wenn wir ehrlich sind, uns geht es doch oft mehr als gut. Wir haben uns alle so sehr an unseren Wohlstand gewöhnt, dass wir glauben, es sei alles selbstverständlich. Wenn wir uns aber in der Welt umschauen, sehen wir, dass es nicht selbstverständlich ist.
Auch als Christen müssen wir uns immer wieder fragen, lebe ich so, dass andere Menschen spüren, zu wem ich gehöre? Spürt man uns ab, dass wir Gottes Liebe wahrhaftig und ehrlich leben? Dass wir es mit unserem Glauben ernst meinen.
Spiegelt unser Leben wirklich Gottes Liebe wider? Oder wollen wir mit Gottes Liebe uns nur ein Mäntelchen umhängen, das verdeckt, wie wir wirklich ticken? Vor den Menschen können wir eventuell unser wahres Wesen verstecken, nicht aber vor dem lebendigen Gott.
Hand auf’s Herz: Macht es nicht Freude Gottes Liebe weiterzugeben? Dabei sollten wir bedenken, wir Menschen sind ja nicht die Quelle, aus der alles Gute kommt. Wir, liebe Gemeinde, sind wie der Brunnen, der von der Quelle gespeist wird. Wenn wir nichts an Liebe, Güte und Barmherzigkeit weitergeben, wird –um im Bild zu bleiben- das Wasser des Brunnens schal und verdirbt
.
Wenn wir aber ständig Wasser aus dem Brunnen schöpfen, kann die Quelle weiter Wasser abgeben, das wir verteilen können, an alle, die es nötig brauchen.
Darum lasst uns stets darauf achten, dass die Quelle der Liebe Gottes in uns nicht versiegt, um von Herzen Gutes tun zu können.
Wie können wir von Gottes großer Liebe zu uns allen sprechen, wenn wir unbarmherzig und lieblos wären? Dann wären wir ein gefundenes Fressen für alle, die meinen, ohne Gott auszukommen.
Die Liebe zu Gott und zu unseren Mitgeschöpfen entspringt nicht zuletzt aus einem lebendigen Glauben an Jesus Christus. Er, Gottes Sohn, ist die Mensch gewordene Liebe seines Vaters. Jesus selbst gibt uns die Kraft, die wir brauchen, um Gottes Liebe in unsere Welt zu tragen.
Amen.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Predigt über Johannes 10, 11-16 und 27-30
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gotte und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Liebe Gemeinde,
am heutigen Sonntag des guten Hirten geht es um den Hirten Jesus Christus und um uns, seine Schafe. Ich erinnere mich noch gut, als ich noch ein Kind war, habe ich einmal in einem Schlafzimmer ein Bild von einer Schafherde mit einem Hirten gesehen. Solche Bilder haben eine gewisse Geborgenheit und Sicherheit ausgestrahlt. Also, mir hat das damals gefallen.
Vielleicht mag das einige unter uns nicht gerade erfreuen, dass Jesus uns seine Schafe nennt. Schafe gelten allgemein als eher etwas dumm, einfältig und nicht sehr gelehrig. Wogegen wir Menschen uns doch eher etwas cleverer einschätzen. Aber das Bild vom guten Hirten mit seiner Herde hat noch eine viel tiefere Bedeutung, als wir es vielleicht im Moment einschätzen.
Liebe Gemeinde,
als Prädikant ist man berechtigt, neben Gottesdiensten und Andachten auch Amtshandlungen vorzunehmen. Wenn das nicht so wäre, könnte ich heute die kleine Isabell Schäfer nicht taufen. So darf man auch Gemeindeglieder beerdigen. Und ich staune, denn nicht selten wird gerade bei Trauerfeiern dieser Text vom guten Hirten und den Schafen als Evangeliums-Lesung gewünscht. Und natürlich auch Psalm 23, den wir in der Eingangsliturgie im Wechsel miteinander gebetet haben. Selbst wenn der christliche Glaube im Laufe des Lebens etwas verschüttet gegangen ist, der gute Hirte mit seiner Herde ist ein vertrautes und friedliches Bild. Und was viel wichtiger ist: Die Aussagen des Textes sind verständlich und geben uns Halt, Hoffnung und Zuversicht. Um diese Sätze zu verstehen, muss man nicht unbedingt studiert haben.
Schon der erste Vers des heutigen Predigttextes macht viele Menschen sprachlos. Wenn man nämlich auf den christlichen Glauben zu sprechen kommt heißt es oft, ja wenn man glaubt, darf man so Vieles nicht mehr tun. Man hat Angst, vor allzu-viel Einschränkungen.
Wenn man als aktiver Christ lebt, braucht man manches nicht mehr, was einem früher eventuell einmal sehr wichtig war. Dabei hat man aber keine Bedenken, etwa zu kurz zu kommen. Und Jesus sagt doch: Ich bin gekommen, dass sie das Leben und volle Genüge haben. Volles, zufriedenes, erfülltes Leben schenkt er uns.
Und nach dieser Klarstellung, liebe Gemeinde, stellt sich Jesus quasi vor. Ich bin der gute Hirte. Ja, jemand der uns behütet, beschützt und begleitet, Jemand, dem wir 100% vertrauen können, davon sind auch wir modernen Menschen nicht abgeneigt. Gerade in einer Zeit wie der Unsrigen, ist beschützt und behütet sein etwas ganz wunderbares. Wissen zu dürfen, ich kann es allein nicht richten, aber da ist jemand, der hat die Fäden auch meines Lebens in der Hand. Das ist auch bei der Taufe so. Ihr, die Eltern könnt euer Kind nicht bis ans Ende des Lebens versorgen, behüten und beaufsichtigen.
Da ist es gut, wenn wir einen kennen, dem man zunächst das kleine Kind, später aber auch den jungen erwachsenen Menschen anvertrauen kann.
Ich denke, dass Jesus uns seine Schafe nennt, hängt nicht damit zusammen, dass er uns für einfältig und dumm hält. Es ist einfach ein Bild, das es schon zur Zeit Jesus gab. Und das halt leicht verständlich ist. Große Schafherden mit einem Hirten. Vereinzelt gibt es auch heute noch große Wanderschäfereien. Und immer ist mindestens ein Hund dabei.
Folgende kleine Anekdote habe ich einmal dazu gelesen: Fragt der Pfarrer im Konfirmanden Unterricht die Jugendlichen nach unserem heutigen Predigttext. Er wollte erklärt haben, wer ist der Hirte, wer sind die Schafe? Was bedeutet das?
Zu Antwort bekam er: Der Hirte ist der Herr Jesus, die Schafe sind wir Menschen, und der Hund der auch immer dabei ist, ist der Herr Pfarrer, der muss die Herde zusammenhalten. Ja man schmunzelt, es ist aber etwas Wahres dran.
Der Mietling, also ein Mensch der nur für Geld die Schafe hütet, kümmert sich wenig um die Tiere. Die Hauptsache, die Kasse stimmt. In abgewandelter Form gibt es diese Menschen auch heute noch, oft auch in gehobener wirtschaftlicher oder politischer Position. Man schaut nur auf seine eigene Kariere, man will Kasse machen und kümmert sich wenig um die Menschen, für die man Verantwortung trägt.
Jesus aber betont, dass er sein Leben sogar zum Wohl der ihm anvertrauten Schafe lässt. Darüber haben wir erst vor wenigen Wochen an Karfreitag nachgedacht. Aus Liebe zu uns Menschen, zu dir und zu mir, ist Jesus ans Kreuz gegangen. Wer macht das außer Jesus noch? Kennen Sie da Jemanden. Ich nicht. Niemand macht das, außer dem guten Hirten. So groß ist seine bedingungslose und aufopfernde Liebe zu uns Menschen. Das kann einen doch nicht kalt lassen, wenn man mit so viel Liebe überschüttet wird. Das sollte doch Konsequenzen für unser Leben haben.
Jesus schenkt uns alles, was wir für ein sinnerfülltes Leben benötigen. Wenn auch heute viele Zeitgenossen darüber lächeln, wenn sie merken, dass einem der christliche Glaube wichtig ist. Der Glaube an einen liebenden Gott ist nach wie vor lebensnotwenig, wenn wir in Zeit und Ewigkeit geborgen sein möchten. Durch Jesu Tod und Auferstehung ist zum Ziel gekommen, was vor rund 2000 Jahren begann, als Jesus einige Fischer in seine Nachfolge rief.
Und so, liebe Gemeinde, ruft er auch uns heute in seine Nachfolge. Das wir das Evangelium weitersagen sollen, dort, wo unser Leben sich abspielt. Wichtiger noch, dass wir es auch authentisch leben. Die Welt um uns herum braucht unseren Zeugendienst.
Jesus sprach ja damals zu den Juden. Wenn er sagt, er habe noch andere Schafe, dann meint er damit die Völkerwelt, alle die Menschen, die ihn als Hirten anerkennen und akzeptieren. Dazu dürfen auch wir uns zählen. Dann gibt es nicht gute Herden, oder schlechte Herden, hier ein Hirte dort ein Hirte. Nein, er sagt: Dann wird ein Hirte und eine Herde sein. Alle bisherigen Unterschiede sind nicht mehr wichtig, sind gegenstandslos geworden. Denn Jesus ist Herr über alle Menschen, gleich welcher Nation oder Hautfarbe.
Wer zu Jesus gehört, kennt seine Stimme und folgt ihm. Auch wenn man sich verirrt, schuldig wird, gleichgültig lebt, er, der gute Hirte geht uns nach. Liebe, Güte und Barmherzigkeit, das sind die Markenzeichen seines Wesens. Wenn man zur Herde Jesu gehört, ist man trotzdem kein fehlerfreier Mensch. Wir Christen sind nicht besser als Menschen, die Jesus noch nicht kennen oder nicht kennen lernen möchten, aber wir haben es besser. Wenn wir unsere Fehler bereuen, wird uns aus Gnaden ein Neuanfang geschenkt.
Mit solch einem Hirten, der uns in Liebe nachgeht und uns immer wieder aufhilft, lässt es sich gut leben.
Nur über eines müssen wir uns auch im Klaren sein. Alle Wünsche die wir haben, gehen, auch wenn wir bewusst als Christen leben, nicht in Erfüllung. Denn der gute Hirte erfüllt uns nicht jeden Wunsch. Dabei sollten wir einmal darüber nachdenken, dass es manchmal gar nicht gut ist, was wir uns alles wünschen. Denn wir sehen nur bis zum Horizont. Der gute Hirte aber sieht weiter. Manchmal erkennen wir erst im Nachhinein, dass es gut war, so wie es kam, und nicht, wie wir es uns wünschten.
Jesus möchte für Jede und Jeden als guter Hirte da sein. Wir brauchen Jemanden, der unsere Hand hält, wenn wir nicht mehr weiterwissen. Was macht unser Herz stiller und getroster wie die vier Worte aus dem 23. Psalm: „Du bist bei mir“. Es ist aber auch gut, eine Adresse für unseren Dank zu haben. Denn wenn wir ehrlich sind, das Danken, wird leider allzu oft vergessen.
Liebe Gemeinde, der frühere Essener Jugendpfarrer des Weigle Hauses, Wilhelm Busch, hat einmal gesagt: Wir können es in unserem Leben nicht weiterbringen, -und sagen sie das ihren Kindern und Enkeln,- als dass wir zur Herde Jesu Christ gehören und einen guten Hirten haben.
Ja, mit Jesus Christus, dem guten Hirten, will ich meine Lebensstraße weitergehen. Meine persönlichen Wünsche sind auch nicht alle in Erfüllung gegangen. Trotz allem dürfen wir zufrieden sein, denn wir werden niemals aus der Hand des guten Hirten gerissen. Wer sollte das können? Wo selbst der Tod seit Ostern auf ewig entmachtet worden ist.
Gerade im Johannes – Evangelium betont Jesus immer wieder, die enge Verbundenheit mit seinem Vater. Auch heute hören wir, das Jesus sagt: Ich und der Vater sind eins. Und niemand kann die Menschen, die zu mir gehören, die mir nachfolgen, aus meines Vaters Hand reißen. Denn er ist der Schöpfer des Himmels und der Erde. Und er hält unser kleines Leben in seiner barmherzigen Hand und lässt es nicht verderben.
Liebe Gemeinde, mit dieser frohen Zuversicht und dieser getrosten Hoffnung können wir auch heute gut leben. Ihm, unserem Herrn sei Ehre in Ewigkeit. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne, in Christus Jesus, unserm Herrn.
Amen.
Predigt zum Karfreitag 2023 in Oberdiebach über Johannes 19, 16-30
Sie nahmen ihn aber, und er trug sein Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte, auf hebräisch Golgatha. Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, Jesus aber in der Mitte. Pilatus aber schrieb eine Aufschrift und setzte sie auf das Kreuz; und es war geschrieben in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache. Da sprachen die Hohenpriester der Juden zu Pilatus: Schreib nicht: Der König der Juden, sondern, dass er gesagt hat: Ich bin der König der Juden. Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben. Als aber die Soldaten Jesus gekreuzigt hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile, für jeden Soldaten einen Teil, dazu auch das Gewand. Das war aber ungenäht, von oben an gewebt in einem Stück. Da sprachen sie untereinander: Lasst uns das nicht zerteilen, sondern darum losen, wem es gehören soll. So sollte die Schrift erfüllt werden, die sagt (Psalm 22,19): „Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über mein Gewand das Los geworfen.“ Das taten die Soldaten. Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebhatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe das ist dein Sohn! Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich. Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet. Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und steckten ihn auf ein Ysoprohr und hielten es ihm an den Mund. Als nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! Und neigte das Haupt und verschied. VVV
Die Gnade des gekreuzigten Heilandes sei mit uns.
Liebe Gemeinde,
„sie nahmen ihn aber“, so fängt das Tagesevangelium an. Nach dem Urteil des Pilatus hatte unser Herr keine Menschenrechte mehr! Sie packten ihn wie einen Gegenstand. Da war kein Funke Gefühl. Das Kreuzigungskommando bestand ja aus harten Legionären aus aller Welt. Sie konnten ein Urteil aus religiösen Gründen sowieso nicht nachvollziehen.
Sie führten einen Befehl aus. An diesem Tag waren es sogar drei Verurteilte. Nur einer hatte einen Namen, der in der Mitte: dreisprachig stand es auf dem Schild, das Pilatus an seinem Kreuz hatte anbringen lassen. Hebräisch, lateinisch, griechisch. Alle, die zum nahen Passahfest nach Jerusalem kamen, sollten es lesen können! Pilatus hat sich damit auch für das erzwungene Urteil rächen wollen. Den Protest seitens der Tempelpriester zu der Formel „König der Juden“ beantwortete der römische Statthalter mit dem weltbekannten Wort: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben.
Was hat Gott geschrieben, liebe Karfreitagsgemeinde? Vielleicht: Dies ist meine Antwort auf alle menschlichen Gräueltaten, auf die kleinen und großen Sünden, auf alle Verderbtheit der Menschen seit Adam und Eva! Mein Sohn trägt all das ans Kreuz! Der Schuldlose büßt die Sünden der ganzen Welt! Und ER soll den Lohn haben. Aber kein Mensch kann lesen, was Gott „schreibt“.
Die Frauen um Maria und der Jünger Johannes, klammerten sich sozusagen „am Kreuz Jesu fest“, sie sahen hin. Sie verließen Jesus nicht in seiner Kreuzesnot. Ich weiß nicht, wie lange der Todeskampf bei Gekreuzigten meistens dauerte. Hier hat Gott eingegriffen; er ließ seinen gehorsamen Sohn nicht endlos leiden. Die Gekreuzigten sollten auch so schnell wie möglich tot sein und abgenommen werden wegen des nahenden Passahfestes. Deswegen brachen die Soldaten den Mitgekreuzigten die Beine, damit sie sich nicht mehr aufstützen konnten, um noch einmal zu atmen. Aber als sie zu Jesus kamen, sahen sie, dass er bereits gestorben war. Sie stachen ihm in die Seite – er war tot. Da pulsierte kein Leben mehr. Das Schlachtfeld von Tod und Teufel wurde geräumt. Der Leichnam Jesu aber wurde durch Josef von Arimathäa und Nikodemus geborgen. Die beiden anderen Toten warf man ein-fach den Golgatha-Berg hinunter. Befehl ausgeführt. Abmarsch des Kreuzigungskommandos.
Es ist so unbegreiflich, dass der Sünderheiland eines Verbrechens bezichtigt werden konnte, das den Kreuzestod verdient! Gott musste regelrecht die Richter zum Fehlurteil drängen! Warum? Für uns, liebe Gemeinde. Wir sind gar nicht in der Lage, für alle unsere kleinen und großen Sünden vor Gott aufzukommen. Wir haben nicht das „Löse-Geld“. Als Sühn-Opfer vor Gott reichten die sonst üblichen Tier-Opfer nicht mehr aus. Es musste ein unermesslicher anderer Wert sein: Der Gottessohn selber. So hoch ist die Rechnung von Tod und Teufel für alle Menschenschuld.
Aber uns darf ein Stein vom Herzen fallen: EINER IST UNSER SÜHNER: Der Gottessohn selber. Unsere Entschuldung vor Gott hat Gott selbst geleistet: Das muss man sich einmal bildlich vorstellen: Der Herr der Welt nimmt uns unsere unbezahlbare Schuld ab und legt sie seinem eigenen schuldlosen Sohn auf. Das kann man nicht erklären, weil das einfach Gottes Liebe ist. Die ist mit menschlicher Liebe gar nicht zu vergleichen. Sie ist maßlos!
Das durchzieht ja die ganze Bibel. Aber in Jesus wurde sie vollendet! Wie vielen nahm er ihre Sünden- oder Krankheitslast ab – umsonst, vergeben und vergessen. Ich denke, dass eine Amnestie auf Erden nur ein Hauch dessen ist, was Gott schon getan hat und noch tun wird. Gott rechnet es uns nicht immer wieder vor! Aber wir sollten nicht vergessen: Gott selber wurde das Liebste genommen auf Golgatha.
Der Evangelist Johannes hat zum Schluss seines Kreuzes-Evangeliums drei Worte Jesu überliefert: Es ist vollbracht! Das Erlösungswerk des einzig Unschuldigen ist getan! Sein Kopf sank auf die Brust – Jesus war tot. Das bezeugt Johannes, der Augenzeuge. Soweit wir es den anderen Evangelien entnehmen können, wurde der Leichnam Jesu durch Freundes-hände vom Kreuz abgenommen und geborgen. Josef von Arimathäa und Nikodemus wer-den erwähnt. Wie gut muss es der trauernden Mutter getan haben, seinen wenigen Freunden, dass er jetzt wie ein geliebter Mensch behandelt wurde. Ein Garten war in der Nähe mit einem Felsengrab, wo sie ihn hineinlegen durften.
Es war ein neues Grab, notierte Johannes. Und wir können ergänzen: Neues geschah in diesem Grab!!! Nun ist der Tote ganz in Gottes, seines Vaters Hand. Im Verborgenen beginnt der Prozess von Tod und Teufel gegen Gott selber! Jesus war der Stellvertreter Gottes, den sie nun anklagen und ihn als Beute für sich erringen wollen. Aber da kommen sie nicht weit. Sie können Anklagen erfinden, die sofort als Lügen entlarvt werden. Das, was schon einige der Frommen an Jesus auszusetzen hatten, war ja nichts anderes als Gottes eigenes Handeln an seinen Sünder-Kindern. Sie finden nichts, was Jesus etwa zu seinen eigenen Gunsten getan hätte. Alles für die anderen, weil sie nicht fähig sind, sich selbst zu entschulden. Dafür gab der Gottessohn sich hin mit Leib und Seele.
Darüber sollte jeder – selbst wenn er kein Christ ist – nur staunen. Wir schwachen Menschen zwingen den Sohn Gottes dazu, uns von aller Sündenlast und Verlorenheit zu erlösen! Und er lässt sich zwingen, unser Heiland und Erlöser – aus Liebe zum Vater und zu uns!
Die Passionslieder besingen auf viele Weise das Wunder unserer Erlösung. Dabei wird das „Opfer-Lamm“ erwähnt, das der Welt Sünde trägt. Das erinnert mich an eine Predigt von Frau Pfarrerin Becker, die uns den Begriff „Sündenbock“ erklärte. Man belud sinnbildlich einen Schafbock mit den Sünden der Menschen und trieb ihn in die Wüste, wo er alleine umkommen musste. So haben sich auch die Frommen ihrer Schuld vor Gott entledigen wollen. Aber alle Menschenschuld ist viel zu groß – wir haben nicht die Mittel, sie los zu werden. Da bietet sich einer bei Gott an: Vater, leg mir die Schuld deiner Kinder auf. Ich trage sie ans Kreuz.
Vom Verräter Judas angefangen bis zu Pilatus: Alle sind in Gottes Rettungswerk nötig! Gott nutzt die Bosheit der Menschheit, um sie zu retten! Kaum zu begreifen. - Gut, dass wir das nicht begreifen müssen, sondern glauben dürfen! Denn eines wird dabei absolut klar: Gott liebt uns, seine Menschenkinder! Es hat IHM einen hohen Preis abverlangt, aber Gott gibt keinen von uns verloren. Ihm sei Ehre in Ewigkeit. Amen
Und der Friede mit Gott, der uns am Kreuz erkämpft wurde, bewahre
unsre Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen
Predigt zum Vorstellungsgottesdienst der Konfirmand*innen der Ev.
Kirchengemeinde Vierthäler 02.04.23
Job 12,12-19
Jesus kommt nach Jerusalem. Und in der Stadt herrscht Ausnahmezustand. Die Menschen strömen auf die Straßen, Soldaten drängen sie an die Seite, um wenigstens einen Teil der Wege für Wagen und andere Reisende freizuhalten. Der Lärm ist ohrenbetäubend. Eltern nehme ihre Kinder auf die Schultern, damit sie etwas sehen können. Die Sonne scheint unnachgiebig vom Himmel, es ist heiß, stickig. Die Menschen sind angespannt. Jesus! Das ist doch dieser Typ, der im ganzen Land Wunder vollbracht hat. Dieser Mann, der Blinde geheilt hat, der den Menschen zuhört und auf diejenigen zugeht, die sonst niemanden in ihrem Leben haben. Und dieser Jesus kommt hierher, in ihre Stadt! Für viele ist das kaum zu glauben.
Plötzlich wird das Getöse lauter, die Menge beginnt zu jubeln. Und dann schreitet er durch das Stadttor. Der König Israels kommt, nicht mit Posaunen und Trompetenmusik, sondern mit seinen Jüngerinnen und Jüngern, nicht auf einem Streitwagen, sondern auf einem kleinen Esel. Und dennoch ist die Menge außer sich. Sie werfen ihm Palmzweige auf den Weg. Das Hufgetrampel seines Esels soll ihn nicht stören und kein Gramm Staub soll auf seine Kleidung fallen. Hier kann man wirklich nicht von einer Baumverschwendung sprechen. Jesus und sein Gefolge gehen durch die Straßen Jerusalems. Und die Menschen rufen ihm zu: „Hosianna, Hosianna in der Höhe!" „Da ist Jesus!", ruft ein kleines Kind auf den Schultern seines Vaters. „Jesus, mein Löwe, mein Bär, hör mich an", ruft eine Frau aus den hinteren Reihen. Die Menschen sind glücklich, die Stimmung ist ausgelassen. „Da kommt der, der uns retten wird!"
Jesus zieht durch Jerusalem. Und der Evangelist Johannes malt uns dieses Ereignis in bunten Farben aus. Er erzählt die Geschichte eines Königs, der unter dem Jubel seins Volkes einen Triumphzug abhält. Und das nicht an irgendeinem Ort, sondern in Jerusalem. Inder Hauptstadt.
Aber so ganz kann ich diese Geschichte nicht glauben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wirklich alle Menschen von diesem Mann begeistert gewesen sind. Das deutet selbst Johannes an. Im Publikum stehen Pharisäer, Schriftgelehrte, die mit dem, was Jesus sagt, gar nichts anfangen können. Für sie ist Jesus eine Bedrohung. Und ich bin mir sicher, dass sich auch viele Menschen auf den Straßen getummelt haben, die Jesus voller Sorge hinterhergeschaut haben.
Jesus bedeutet Ärger. Was er sagt, wühlt die Menschen auf. „Da kommt er, das wird nicht gut ausgehen!", könnte jemand gesagt haben. „Die Römer haben ihn schon im Visier", ein anderer. Oder: „Was, wenn er mich anspricht?"
Denn dort zieht ein Mann durch die Straßen, der die Menschen fordert und vor große Herausforderungen stellt. Vor die Herausforderung, über sich selbst und das eigene Leben nachzudenken. Und wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich mit vielen Dingen, die Jesus sagt, meine Probleme. So erinnere ich mich oft eine Stelle, ebenfalls aus dem Johannesevangelium, zeitlich wenige Tage vor Jesu Einzug in Jerusalem. Dort berichtet Jesus ausgiebig über seine Liebe zu den Menschen. „Haltet meine Gebote, dann bleibt ihr in meiner Liebe!" Mit dieser Aussage kann ich erstmal gar nichts anfangen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Liebe Jesu auf diese Art an Bedingungen geknüpft sein soll. Und überhaupt, was sollen diese Gebote überhaupt sein? Liebt Jesus mich nur, wenn ich sonntagsmorgens in aller Herrgottsfrühe in Bacharach stehe und über Gott und die Welt predige? Und verwirft er mich in dem Moment, in dem ich in Mainz im Pub sitze und nach dem fünften Bier der attraktiven Freundin des Barmannes hinterherschaue, und das nur, weil irgendwo in einem 2000 Jahre alten Text aus dem Alten Testament steht ,,Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau?" So scheint Jesus zu urteilen, oder? Mist - das wäre schlecht.
Ich kenne mich doch selbst ganz genau. Und noch genauer weiß ich, wie gerne ich Regeln zum meinem Vorteil umdeute. Und dann kommt mein potenzieller Retter und sagt mir ins Gesicht. „Ich rette dich! Wenn du das tust, was ich möchte!"
Damit hadere ich sehr. Ich fühle mich nicht ernst genommen. Ich bräuchte doch niemanden, der mir zuhört, wenn alles in meinem Leben perfekt wäre, wenn ich alles auf Anhieb hinbekäme. Vor allem aber: wenn ich alles immer fehlerfrei umsetzen könnte, was andere mir auftragen. Wenn Jesus von Geboten redet, denke ich zuerst an die 10 Gebote. Gut, ich habe noch nie jemanden umgebracht. Und ich habe auch noch nie eine Ehe gebrochen - gut, weil ich noch nie die Möglichkeit dazu hatte. Aber wie oft war ich schon neidisch auf andere. Wie oft hatte ich schon Streit mit meinen Eltern und meinen Freundinnen und Freunden? Bin ich jetzt raus?
Ich bin mir sicher, dass viele Menschen, die Jesus damals in Jerusalem gesehen haben, ähnlich dachten. Jesus zieht durch die Straßen der Stadt und einige senken ihren Blick. Was macht man denn, wenn Jesus von seinem Esel herunterschaut, einen vielleicht anspricht. „Na, heute schon meine Gebote gehalten?" Warum sollte man vor so einem Palmwedel auf die Straße werfen, so einem Mann zujubeln. Ich wüsste nicht, was ich sagen sollte. Außer vielleicht:
„Ich habe keine Ahnung, was du von mir möchtest!"
Jesus ist das gewohnt. Im Markusevangelium kommt ein Mann zu Jesus, der eine wichtige Frage stellt: „Was ist das höchste Gebot?" Jesus antwortet dem Mann deutlich: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen. Und deinen Nächsten wie dich selbst."
Das meint Jesus also, wenn er von seinen Geboten spricht. Wenn ich mich, meinen Nächsten und Gott liebe, bin ich zu allen fair. Damit kann ich schon mehr anfangen als mit einem plumpen: „Mach, was ich dir sage!" Wenn ich aber genauer darüber nachdenke, stellt mich auch diese Antwort nicht zufrieden.
Wie oft erlebe ich in meinem Alltag, dass mich nahestehende Menschen enttäuschen. Und wie oft habe ich schon erlebt, dass Menschen mir eine Freundschaft vorgegaukelt haben, um meine Gutmütigkeit auszunutzen? Manchmal habe auch ich dies getan. Ich kann nicht jeden Menschen lieben. Und außerdem gibt es doch auch Situationen, in denen ich mit mir selbst hadere. Ganz oft liebe ich mich nicht selbst. Und manchmal kann ich mich überhaupt nicht ausstehen, wenn ich wieder einmal träge vor mich hindöse und nichts auf die Reihe kriege. Wie oft verfluche ich mich selbst, wenn wieder eine Rechnung im Briefkasten liegt und ich mich nicht traue, diese zu öffnen. Oft erinnere ich mich an Rückschläge in meinem Leben: schlechte Noten, eine verpasste Abgabefrist, Streit im Freundeskreis. Alle diese Dinge können einen ganz schön runterziehen. Und wie oft habe ich mich schon über einen anderen Menschen lustig gemacht, nur um danach mit einem schlechten Gewissen zuhause zu sitzen und mir zu denken: „Hättest du das mal lieber nicht getan." Ganz oft habe ich auch Angst zu versagen, mein Selbstbewusstsein liegt am Boden und ich igele mich zuhause ein. Und ich soll meinen Nächsten lieben, wie mich selbst. Wie kann das eine Basis sein?
Und da zieht er nun auf seinem Esel vorbei, der Mann, der das alles von mir verlangt, der mich überfordert, der Mann, der aber nicht gekommen ist, um mir Vorwürfe zu machen.
Johannes erzählt die Geschichte weiter. Jesus kommt nicht nach Jerusalem, um die Menschen vorzuführen, er kommt nicht, um zu prahlen. Ich glaube fest daran, dass einige Menschen Angst vor einem genau solchen Jesus hatten. Aber diese Angst ist unbegründet. Er kommt für die Menschen. Er kommt, Antworten auf alle Zweifel zu geben.
Jesus ist der König Israels. Aber er ist kein König, der Prunk und Luxus liebt. Welcher König kommt auf einem einfachen Esel geritten, anstelle eines prächtigen Pferdes? Die Antwort ist klar: ein König, der die Menschen liebt.
Dieser König ist anders. Er isst und schläft mit den Ausgestoßenen der Gesellschaft. Er lässt sich verhaften, schlagen, demütigen und am Kreuz hinrichten. Er geht für die Menschen in den Tod. Aber er steht wieder auf, entkommt allen Qualen. Er tritt für uns ein.
Und das lässt mich Jesu Worte aus einer anderen Perspektive erkennen. Was er sagt soll niemanden ermahnen, sondern ermutigen.
Gottes Gebote zu halten, heißt für mich, Gott zu lieben und meine Nächsten zu achten. Und Gott zu lieben bedeutet, an ihn zu glauben. Dabei muss ich nicht ununterbrochen Halleluja-schreiend durch die Straße rennen und alle Menschen herzlich umarmen. Ich darf an ihm zweifeln, ich darf mit mir selbst hadern und ich darf auch einen anderen Menschen richtig doof finden. Weil Gott mich liebt, kann ich immer zu ihm zurückkommen, egal, wie oft ich mich von ihm abgewendet habe. Der Weg mit Gott ist keine Einbahnstraße. Gott trennt nicht nach Kategorien wie schlecht und gut. Wenn wir an ihn glauben, dürfen wir mit allem, was uns ausmacht, vor ihn treten. Und wir müssen uns keine Sorgen machen, dass wir nicht genügen könnten.
Das haben wir auch auf der Konfifreizeit am vergangenen Wochenende besprochen. Gott kennt uns genau, er kennt unsere Stärken und unsere Schwächen. Weil wir gewollt sind, so wie wir sind. Gott verspricht uns nicht, dass alles, was wir angehen, gelingen wird. Aber er verspricht uns, an unserer Seite zu sein, egal was passieren wird. Gott liebt uns, weil wir so sind, wie wir sind und manchmal auch, obwohl wir so sind, wie wir sind.
Das zu glauben tut mir gut. Denn es gibt mir die Möglichkeit, weiterzumachen, zu verstehen, dass Fehler und Rückschläge im Leben nicht das Ende bedeuten. Und dieser Glaube gibt mir die Möglichkeit, mein Leben selbstbewusst zu leben und immer wieder neu aufzustehen. Nach schlechten Noten kommen bessere, wer sich streitet, kann sich versöhnen. Rückschläge sind oft auch der Aufbruch für Neues, wie auch mit Jesu Einzug in Jerusalem der Beginn von etwas ganz Großem ist.
Und dieser Glaube lässt mich meine Mitmenschen ebenfalls als gottgewollte Menschen zu sehen. Auch wenn ich das bei vielen nicht nachvollziehen kann. Ich verstehe aber, dass Gott jeden Menschen begleitet und sich bei jedem etwas gedacht hat. Und das lässt mich einen anderen Menschen als Mensch erkennen, der vielleicht die gleichen Sorgen und Probleme hat, die auch ich kenne.
Gott ist da.
Und um dies zu verkünden, kommt Jesus nach Jerusalem. Nicht erhaben, sondern behütet auf einem Esel. Er sieht die Menschen an, nicht um sie zu prüfen, sondern um sie beruhigen. Jesus nimmt den Weg zum Kreuz auf sich, trotz aller Zweifel und trotz allem Spott in der Welt.
Daran denken wir heute. Wir erinnern uns an diesen Mann, der so viel auf sich genommen hat, der einen so oft zweifeln lässt. Wir erinnern uns an diesen Mann, der der Welt so viel Kraft und Hoffnung gebracht hat.
Daran dürfen sich alle freuen. Die, die vollends überzeugt sind und den größten Palmzweig in die Höhe halten, aber auch die, die vielleicht noch zweifeln, ihren Blick aber schon etwas heben. Und auch ich reihe mich gerne in diese Reihe ein.
Gelobt sei, der da kommt im Namen des HERRN. AMEN.
Predigt ü/ Jesaja 54, 7-10 19.3.2023
Jubiläumskonfirmation in Oberdiebach
Zeig uns dein königliches walten, bring Angst und Sorgen selbst zur Ruh, du wirst am Ende recht behalten, Herr, mach uns still und rede du.
Amen.
Liebe Festgemeinde,
nichts ist so sicher wie die der ständige Wandel. Laufend hört und sieht man Neues, vor allen Dingen in den verschiedenen Medien. Und auch im ganz privaten Bereich gibt es immer wieder Neuerungen, Umstellungen und Neuanpassungen, in einem Ausmaß, wie es frühere Generationen niemals erfahren haben. Wenn man nicht auf der Strecke bleiben will, muss man ständig flexibel und offen sein. Besonders, wenn schon älter ist- und zu diesen Menschen gehöre ich ja auch- fragt man sich manchmal, wo will das alles enden? Vieles entwickelt sich ganz anders, und vor allen Dingen rasend schnell, als wir uns das zunächst einmal vorgestellt haben.
Hand aufs Herz, bei wem unter uns ist denn das wirklich eingetreten, was man sich zum Beispiel bei der Konfirmation, bei der Heirat oder auch im Beruf vorgenommen oder vorgestellt hat? Einiges kam bestimmt so, wie wir uns das wünschten. Vieles aber, auf das wir persönlich keinen Einfluss haben, müssen wir so nehmen, wie es kommt. Wir haben ja auch gar keine andere Möglichkeit.
Dazu kommt die total schwierige gesamte Weltsituation. Krieg in der Ukraine, schwere Erdbeben in der Türkei und Syrien und eine Klimaveränderung die wir meines Erachtens nicht mehr alleine in den Griff bekommen. Man ist schlicht nicht bereit, sich total umzustellen.
Dann fragt man sich, gibt es denn nichts 100%ig zuverlässiges? Kann man sich auf rein gar nichts mehr verlassen. Gibt es denn nichts, was ewig dauert? Etwas, was alles bisher Dagewesene unbeschadet übersteht? Doch, wir können und dürfen uns 100% auf unseren Gott verlassen. Wer ihm vertraut, steht wie auf einem Felsen in der Brandung. Und dieser Felsen ist unerschütterlich. Das darf man glauben und das darf man getrost leben. Und damit kann man auch gute Erfahrungen machen.
Im für heute vorgeschlagenen Predigttext geht es um Gottes Gnade. Die steht immer felsenfest für uns Menschen und wankt nie. Gott lässt durch den Propheten Jesaja verkünden, dass er sich wieder gerne dem Volk Israel annimmt und für sie sorgt. Er sichert uns seine ewige Gnade zu. Und da wir durch Jesus Christus auch zum Volk Gottes gehören dürfen, gelten diese Mut machenden Worte auch uns, auch hier und heute.
Ich lese einige Verse aus dem 54. Kapitel des Propheten Jesaja.
Gott spricht:
Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln.
Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich dein Erbarmen, spricht der Herr, dein Erlöser.
Denn solches soll mir sein wie das Wasser Noahs, da ich schwur, dass die Wasser Noahs nicht mehr über den Erdboden gehen. Also habe ich geschworen, dass ich nicht über dich zürnen noch dich schelten will.
Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.
Liebe Gemeinde,
das sind Worte, besonders der letzte Vers, die Trost spenden, die Hoffnung geben und uns voller Vertrauen in die Zukunft gehen lassen. An der Güte und Gnade Gottes soll niemand zweifeln oder gar verzweifeln. Der Prophet Jesaja macht uns Mut und möchte, dass alle Menschen auf Gottes Gnade vertrauen.
Ich gehe einmal davon aus, dass von den heutigen Jubilaren oder sonstigen Gottesdienstbesuchern jemand dabei ist, der den letzten Vers des Predigttextes als Konfirmationsspruch hat. Es ist ein Wort der Hoffnung und Zuversicht.
Wenn wir jedoch ehrlich sind, liebe Gemeinde, Gott hat auch seine dunklen Seiten. Und die erleben wir auch je und dann. Diese Tatsache wird ja auch nicht verschwiegen. Und die müssen wir Menschen auch manchmal tragen und ertragen. Denn unser Leben ist nicht immer ein Spaziergang am sonnigen Sandstrand oder über eine blühende Frühlingswiese.
Ihr, die ihr vor 50, 60, 65, 70 oder sogar 75 Jahren konfirmiert worden seid, habt auch eure Päckchen zu tragen. Und bei manchen Menschen sind es gar Pakete, die sie mitzuschleppen haben. Dann an Gottes Güte, an seiner Gnade und seiner Freundlichkeit nicht zu verzweifeln, ist kein leichtes Unterfangen.
In der Zeit, als der Prophet Jesaja lebte, waren die Juden, zu denen zunächst unser Text gerichtet ist, in babylonischer Gefangenschaft. Ja, da stimmt das Wort: Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen.
Und trotzdem sind Güte, Gnade und Barmherzigkeit die ewigen und unerschütterlichen Wesensmerkmale unseres Gottes.
Die Juden haben sehr unter der Fremdherrschaft gelitten und nach und nach bröckelte das Vertrauen zu Gott. Wenn wir ehrlich sind, können wir das gut nachvollziehen. Je länger sie in babylonischer Gefangenschaft waren, desto mehr schwand ihr Gaube an den barmherzigen und gnädigen Gott.
In der Fremde ist alles ungewiss geworden. Wo ist dieser Gott? Gibt es diesen Gott überhaupt noch, an den unsere Vorfahren geglaubt haben? Was ist mit ihm? Ist er ganz verstummt, hat er uns, sein Volk, total vergessen? Die Auswirkungen der Gottesferne und Gottesfinsternis waren damals so.
Und, liebe Gemeinde, wie sieht das aktuell bei uns heutzutage aus? Wir leben nicht in Gefangenschaft sondern in großer Freiheit. Bei uns gibt es nach wie vor die Möglichkeit, Gottes Wort zu hören und danach zu leben. Aber in unserer schnelllebigen und modernen Welt hat Gottes Wort es schwer, unser Herz zu erreichen.
Den meisten Menschen in unseren Breiten geht es gut, ja sehr gut. Dass auch das Gute uns von Gott geschenkt wird, vergessen wir oft. Alles Positive schreiben wir uns gerne auf die eigene Fahne. Und dann merken wir oft nicht einmal, dass wir Gott sozusagen verloren haben. Ja, dass er keinen Platz mehr in unserem Leben hat.
Wir wollen und müssen unbedingt so vieles erleben, alles mitnehmen, was das Leben nur an Möglichkeiten bietet. Und dabei bleibt der Glaube an den lebendigen Gott oft unbeabsichtigt auf der Strecke.
Das ist dann heute ähnlich wie zur Zeit des Propheten Jesaja. Zwar aus ganz anderen Gründen, aber Gottes Zuwendung zu uns Menschen wird oft nur noch ganz wage wahrgenommen.
Dabei ist die Gottesferne, sein Zorn nur einen Augenblick. Es ist nie und niemals Gottes endgültiges Urteil über uns Menschen. So wie er zur Zeit Noahs schwor, niemals mehr die Erde mit einer Sintflut zu strafen, so gilt sein Zorn über die Menschen niemals als sein endgültiges Urteil
Dass das so ist, wurde bereits ein für alle Mal festgeschrieben. Durch Jesus Christus, der als Mensch in unsere Welt gekommen ist, strahlt Gottes Liebe auch in unser kleines Leben. Jesus ist ja nicht in unsere Welt gekommen, weil hier alles so super gut läuft. Nein, heißt es doch im Weihnachtslied: Welt ging verloren, Christ ist geboren! Und zur Welt, liebe Gemeinde, gehören wir alle, Du und Ich. Jesus war und ist praktisch Gottes Liebe in Person. Er speiste Menschen, machte Menschen gesund, weckte Menschen auf.
Damit zeigte er, dass er uns Menschen in inniger Liebe und Barmherzigkeit verbunden ist. Gerade die Menschen, die auf der Schattenseite des Lebens sind, gehören zu seinen Lieblingen.
Das bedenken wir vor allen Dingen jetzt in der Passionszeit. Sein Leiden und Sterben kommt uns Menschen zugut, wir müssen es nur im Glauben annehmen und leben. Durch seinen Tod und durch seine Auferstehung dürfen wir letztendlich Gottes Gnade erfahren. Er will uns in Zeit und Ewigkeit nahe sein.
Wir sind nie zu alt, um uns Gott zuzuwenden. Er streckt uns immer eine Hand entgegen; nur einschlagen, das müssen wir schon selbst.
Unser Leben soll das von Gott gesetzte Ziel erreichen. Wir dürfen uns ohne Vorbehalte auf den Weg des Glaubens machen. Auch dann, wenn wir vielleicht Zweifel an Gottes Führung haben. Wenn wir nicht ausprobieren ob uns der Glaube trägt, auch durch schwere Zeiten, können wir niemals Mut machende Erfahrungen mit Gott machen.
Dass Gott für uns alle wie ein Felsen in der Brandung steht, soll der letzte Vers des Predigttextes bezeugen. Wenn Berge weichen und Hügel hinfallen, was ja vor einigen Wochen in der Türkei und Syrien passiert ist, und was immer mal vorkommt, versetzt das auch uns nicht Betroffene oft in Angst und Schrecken. Auch wenn das Ausmaß des Erdbebens groß und furchtbar schrecklich ist, Gottes Treue zu uns Menschen ist größer und stärker als stärkste Erdbeben.
Auch wenn sich der Sieg der Güte und Gnade Gottes oft verborgen hält, dieser Sieg macht sich unaufhörlich Bahn. Denn hinter allem und über allem steht Gottes unerschütterlicher Heilswille.
Diesen Heilswillen zu erkennen und ihn froh und dankbar anzunehmen und ihn zu leben lässt getrost und gelassen in die Zukunft blicken. Weil wir den an unserer Seite haben, der Himmel und Erde geschaffen hat und auch unser kleines Leben in seinen guten Händen hält. Er, unser himmlischer Vater, der uns niemals aus den Augen verliert, auch in den dunkelsten Stunden unseres Lebens nicht. Wenn wir an ihm unser Leben fest machen, sind wir gut gewappnet für alles, was noch auf uns zukommt.
Denn es gilt und steht unverbrüchlich über jedem einzelnen Leben:
Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.
Amen.